Beiträge von Anna Nüm

    Hallo Lovis,

    mächtig sauer wäre übertrieben, aber bei mir kam dein Kommentar etwas von oben herab an. Deine Skepsis ist natürlich dein gutes Recht, Ich hatte einfach den Eindruck, dass du etwas abtust und in eine Schublade steckst, worüber du sehr wenig wissen kannst. Nachdem das momentan mein Rettungsanker ist, hat mich das doch getroffen. Das macht übrigens mein Mann immer wieder, mich über ein Thema zu belehren, über das ich wesentlich mehr weiß als er, vermutlich hast du da einen wunden Punkt erwischt bzw. hab ich etwas auf dich übertragen, was nicht dir gehört. Dafür entschuldige ich mich.

    Da ich diese Therapien als eine enorme Bereicherung in der Therapielandschaft ansehe, wollte ich nicht stehen lassen, dass sie unseriös sein könnten. Ich bin überzeugt, dass sie vielen hier sehr helfen könnten. Und ich werde von den weiteren Sitzungen berichten ;)

    Liebe Grüße
    Maria

    Hallo Aurora,

    vielen Dank für deine ausführliche Antwort!

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    Zumindest habe ich das so empfunden aber es schlich sich schon Unzufriedenheit ein.

    Ja, das sieht man erst viel später, wenn man alles Revue passieren lässt. Dann kommt man drauf, dass spätere Probleme schon da und dort sichtbar wurden, aber nicht so stark, viel seltener und noch eingebettet in viele schöne Erfahrungen.

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    Irgendwann veränderte er sich auch. Ich mich aber auch. Ich wurde zickiger wegen seiner Trinkerei, nahm es nicht mehr so hin. Es gab viel Streit. Und ich merkte auch immer mehr, dass er eine andere Persönlichkeit hatte als ich in den ersten Jahren angenommen hatte.

    Das ist ein guter Punkt. Bei uns war ein großer Einschnitt, dass wir aufs Land gezogen sind, wo er eigentlich her kommt. Kennen gelernt haben wir uns in der Stadt und dort hatten wir auch unsere schönen Jahre. Er hat hier am Land nach und nach wieder viele Eigenschaften der ländlichen Bevölkerung angenommen, die er in der Stadt nie hatte, Alkohol gehört da offensichtlich dazu und wird hier überall reichlich getrunken. Für mich ist damit auch eine gewisse Art von Grobheit verbunden, die ich früher nicht an ihm kannte.

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    Ich hatte die "rosa Brille" auf, irgendwann dann nicht mehr und doch habe ich lange auch noch gehofft, ich könne ihn verändern, so machen, wie ich ihn anfänglich gesehen hatte.

    Ja, so sehe ich das auch. Wobei das natürlich vice versa auch gilt. Ich bin auch nicht mehr die Frau, die ich mal war, aber ich setze mich meinen Problemen aus, ohne mich zu betäuben. Ich finde, das ist ein Unterschied. Meine größte Angst ist, ihm Unrecht zu tun und dann suche ich die Schuld erst wieder bei mir. Nicht unbedingt dafür, dass er trinkt, aber dafür, dass er mit mir auch nicht glücklich ist. Schuld und Scham, das hat mir mein Vater eingepflanzt. Obwohl der nie Alkohol getrunken hat. Aber emotionale Gewalt hat er auch ausgeübt.

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    Wie viel er wirklich getrunken hat weiß ich bis heute nicht genau. Außer bei Feiern oder so. Alkoholiker können das gut vertuschen. Ich weiß nur, dass er bei mancher Familienfeier schon nach ca 30 Minuten völlig weggetreten war und ich nie wusste, warum und woher. Oft war ich nur kurz einkaufern und beim Zurückkommen saß er völlig weggetreten auf dem Sofa. Er hatte so seine Verstecke und Tricks, da wäre ich damals nie drauf gekommen. Ich war dann immer sehr verängstigt, er hatte ja auch mal eine Hirnblutung, ich dachte dann immer, er wäre krank oder bekäme gleich wieder epileptische Anfälle. Er selbst hat es immer abgestritten, mich als bekloppt hingestellt und meine Wahrnehmungen völlig verdreht...Er wäre nur müde, war immer sein Argument. Oder, er würde nach Alkohol riechen, weil das bestimmte Enzyme im Magen wären, die sich bei ihm bildeten

    Diese Geschichten gibt es bei uns gar nicht. Ich glaube auch nicht, dass er heimlich trinkt. Dazu ist er viel zu stur in seiner Wahrnehmung, dass ich ihn in seiner Freiheit einschränken will. Er ist ja auch nie betrunken. Das lässt mich ja auch immer wieder zweifeln.

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    Mein Exmann war dann nüchtern aber trotzdem war einfach nichts mehr da, was mich mit ihm verband. Zu viel war passiert und als Mensch fand ich ihn einfach nicht mehr passend für mich. Ich hatte mich zu sehr verändert, er sich nicht. Dann ist es wirklich das beste, einen Schnitt zu machen

    Das ist genau der Punkt, an dem ich stehe: kaltbluts Beitrag hat mir sehr zu denken gegeben und mich auf gewisse Weise entspannt. Letztlich ist es vielleicht gar keine Frage des Alkohols. Die letzten beiden Jahre habe ich so viel Zurückweisung, Abwertung und Lieblosigkeit erlebt, dass es eigentlich unerheblich ist, ob der Alkohol daran schuld ist oder nicht. Verschiedene Freunde die uns heuer besucht haben, haben das auch zum ersten Mal mitbekommen und waren ziemlich irritiert. Ich habe mich innerlich so entfernt, dass ich gar nicht weiß, ob es ein Zurück gibt, trocken oder nicht. So wie er jetzt ist, habe ich mein Interesse an ihm verloren. Wenn einer komplett stehen bleibt, wird der Abstand einfach zu groß. Zudem habe ich mich durch meinen Weg seit dem Sommer dahingehend verändert, dass ich wieder alle Kontakte aktiviert habe, die ich über die Jahre vernachlässigt habe. Ich sehe, dass ich ohne ihn gar nicht allein bin, sondern viele Menschen habe, mit denen ich die tollen und inspirierenden Gespräche führen kann, die wir früher miteinander hatten. Trotzdem bin ich noch lange nicht so weit zu wissen, dass ich es wirklich schaffe. Es ist wirklich ein großer Schritt und du weißt am besten, wie sich das nach so langer Zeit anfühlt.

    Bist du nicht diejenige, die noch eine schöne Beziehung gefunden hat?

    Liebe Grüße
    Anna

    Hallo Lovis
    na, das finde ich toll, dass du in einem halben Tag so viel mehr herausgefunden hast als ich in über einem halben Jahr ;) Ja, es stimmt, die Dami Charf ist keine großartige Referenz, ich hab das Video nur verlinkt, weil sie darin Entwicklungstrauma ganz gut beschreibt und du noch nichts davon gehört hattest. Das ist ja auch keine wissenschaftliche Arbeit, sondern ein Info-Video.

    Soweit es mir inzwischen bekannt ist, ist die Polyvagal-Theorie ziemlich unumstritten. Auf dieser fußen alle diese Therapierichtungen. Ich habe das Buch von Heller (ganz!) gelesen und darin werden Therapiesitzungen beschrieben, wo ganz genau die Arbeitsweise mitverfolgt werden kann, die weit über konkret beschreibbare Techniken hinausgeht und unglaublich fein ist. Dami Charf bietet immer wieder kostenlose Schnupperkurse an, in denen man konkrete Techniken lernt. Klar, die Frau lebt von ihrer Arbeit, die gibt nicht alles kostenlos im Netzt preis. Man kann darüber denken wie man will, ich würde vermutlich nicht zu ihr gehen, aber sie hat viele informative Videos, die sich mit allem decken, was es sonst zu dem Thema gibt. Dass sie "nur" HP ist, ist für mich kein Argument. Ich war schon bei so vielen miesen Ärzten und einem noch mieseren Psychiater, ein Universitätsstudium per se sagt für mich noch ganz wenig aus. Deshalb habe ich eine Zusatzversicherung, was bei uns in Ö die Kasse bezahlt, hat mir bisher eher geschadet als genutzt.

    Ich habe beide Bücher von Levine als Hörbuch gehört und mache gerade die 12 Übungen (Techniken!), die er darin genauestens beschreibt. Ich empfinde sie als außerordentlich hilfreich und sie haben schon einiges bei mir bewegt.

    Ich hatte 2 SE-Sitzungen, besonders die erste hat mir einige wirklich glückliche Tage beschert, die zweite war nicht ganz so spektakulär, aber auch sehr stabilisierend. Ich sehe mit großer Freude auf die nächste Sitzung entgegen, zumal in inzwischen durch meine Lektüre viel genauer weiß, worum es genau geht.

    Ich mache immer wieder TRE, das sind Übungen mit neurogenem Zittern, das dazu da ist, das autonome NS zu entladen. Tut mir jedes Mal außerordentlich gut.

    Ich habe eine Freundin, die seit ewigen Zeiten (Lehr-)Psychotherapeutin ist und mir bestätigt hat, dass die neuen Traumatherapien state of the art sind und sich in den nächsten Jahren rasant verbreiten werden.

    Für mich reicht es zu wissen dass sich diese Therapien auf die neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung stützen und meine Beschäftigung damit hat mir ein Aha-Erlebnis nach dem anderen beschert, es ist wie ein Puzzle Teil nach dem anderen auf seinen Platz gefallen. Ich habe übrigens selbst eine Psychotherapie-Ausbildung (eine nicht anerkannte, die trotzdem fantastisch war) und habe mich 10 Jahre lang mit Selbsterforschung beschäftigt. Deshalb konnte ich nicht verstehen, dass ich nach all dem in diese Co-Abhängigkeit verfallen bin. Die Traumatheorie macht für mich alles klar: keine Psychotherapie hat die Regulation des autonomen NS zum Inhalt, deshalb werden die Auswirkungen höchstens an der Peripherie behandelt.

    Übrigens: Was Wissenschaftlichkeit anlangt: da bin ich wiederum mehr als skeptisch. Ich bin lange genug im alternativen Gesundheitswesen unterwegs um zu wissen, dass vieles, was wirksam ist, nie wissenschaftlich untersucht wurde und umgekehrt, dass viele wissenschaftliche Untersuchungen völlig in die Irre gegangen sind. Wusstest du z.B., dass der "Erfinder" der Lobotomie einen Nobelpreis für diesen Wahnsinn bekommen hat? Eine Approbation sagt auch noch nichts über die Qualität eines Psychotherapeuten aus.

    Ich finde es schade, dass du nach einem halben Tag Recherche ein Thema abhandelst, von dem du bisher noch gar nichts gewusst hast. Ich kann mir schwer vorstellen, dass du da über einige Klappentexte hinausgekommen bist. Ich habe so ausführlich geschrieben, weil ich das nicht so stehen lassen wollte. Ich finde es einfach nicht fair.

    Liebe Grüße
    Anna

    Hallo kaltblut,

    vielen Dank für die Denkanstöße! Ja, schwer zu sagen, ob man sich auch ohne Alkohol auseinander entwickelt hätte. Aber das ist für mich gar nicht so sehr das Problem, sondern die Art und Weise, WIE damit umgegangen wird. Und da sind wir sicher beide beteiligt. Und nein, mein Mann ist nicht wirklich zufrieden, aber wenn man sich täglich betäubt, kann man das vermutlich leichter aushalten. Was für mich daran am schwierigsten ist: ich denke, dass jeder was für die Weiterentwicklung tun müsste. Während ich seit einem halben Jahr auf dem Weg bin, wartet mein Mann ab.

    Kontrolliert habe ich die letzten Jahre überhaupt nicht, weil ich sowieso nicht mit ihm darüber reden hätte können. Ich hab mir das nur jetzt mal ausgerechnet, damit ich überhaupt weiß, was die Fakten sind. Aber natürlich weiß er, dass ich mit seinem Alkoholkonsum nicht einverstanden bin.

    Punkt 3 interessiert mich: fällt dir dazu was ein? Was könnte das sein, hast du da eine Erfahrung dazu?

    Und ja, die Entwicklung einer so langen Beziehung ist komplex. Dass hinter dem Alkohol und meiner Co-Abhängigkeit was anderes steht, ist mir auch klar geworden, daher meine Therapie. Aber vielleicht ist es ja wirklich einfach zu Ende, so oder so. Die Zeit des Auseinanderlebens dauert nun ja auch schon über 10 Jahre.

    Was meinst du mit Platzhalter?

    Liebe Grüße
    Anna

    Hallo Morgenrot,

    ja, den Wahrnehmungen vertrauen, das scheint genau das Problem von Co-Abhängigkeit zu sein. Bzw. die Wahrnehmungen dann auch gegen die Angriffe zu verteidigen. Aber vielleicht muss man das ja gar nicht. Ich merke, dass ich immer gehofft habe, er würde es endlich einsehen und mich bestätigen.

    Dass er abhängig ist, gibt er ja zu. Er scheint es aber eher für eine Art Kavaliersdelikt zu halten, eine Eigenart halt, die ich zu akzeptieren hätte. Inzwischen ziehe ich mich abends zurück, sobald er trinkt. Ich würde ja auch nicht zusehen, wenn sich jemand in meiner Gegenwart z.B. ritzt.

    25 Jahre sind einfach eine verdammt lange Zeit, fast mein halbes Leben. Das können sich viele, die 7 oder 8 Jahre zusammen sind, gar nicht vorstellen. Und es war ja nicht immer so. Ich hoffe, dass mich meine Therapie weiterbringt.

    Liebe Grüße
    Anna

    Hallo Ideja,

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    Wenn ich das Forum nicht entdeckt hätte, würde ich, glaube ich, selber denken dass ich Einweisung in die Psychiatrie brauche



    Ja, so geht es mir auch schon länger. Dieser Wechsel zwischen den guten Phasen und den plötzlichen Stimmungswechseln, die Abwertung, mangelnde Empathie und Mitgefühl, Schuldzuweisungen etc. und dann wieder so tun, als ob nichts gewesen wäre, das hat mich die letzten Jahre extrem mitgenommen. Er scheint sich seines Verhaltens und dessen Auswirkungen in keinster Weise bewusst zu sein. Ab und zu mal eine Entschuldigung bei relativ harmlosen Dingen. Niemals für die großen Verletzungen.

    Und wenn du schreibst, dein Mann trinkt hauptsächlich an Wochenenden: meiner trinkt täglich ohne Ausnahme. Und wenn ich den Alkoholgehalt von Bier und Wein umrechne, komme ich auf die Menge von 2 Wodkaflaschen in der Woche bzw. am WE. Das ist ja unglaublich viel und ich merke, dass Bier und Wein immer viel harmloser wirken.

    Ich habe schon viel im Forum gelesen, bevor ich mich angemeldet habe, bin aber immer über die Trinkmenge gestolpert. Jetzt ist aber einiges klarer geworden.

    Liebe Grüße
    Anna

    Gibt es hier wirklich niemanden, der meine Fragen beantworten kann? Niemand, der mit einem Alkoholiker zusammen ist, der nicht von in der Früh weg den ganzen Tag trinkt, sondern mit einem "gemäßigten"? Oder macht das für euch keinen Unterschied?

    Ja, das ist eines der interessantesten Themen, das mir seit langer Zeit untergekommen ist. Ich beschäftige mich damit seit einem halben Jahr sehr intensiv und es ist unglaublich komplex.
    Hier ein gutes Video von Dami Charf, einer deutschen Traumatherapeutin, von der gibt es noch ganz viele Videos auf YT:
    *bitte keine Fremdlinks posten, die von Amazon können gerne stehen bleiben, danke. Morgenrot*

    Es gibt einige moderne Traumatherapien, die alle mit dem Körper arbeiten, da ja das autonome Nervensystem entladen und neu verschaltet werden muss. Die neueste und beste Traumatherapie ist NARM (Neuroaffektives Beziehungsmodell), hier das Standardwerk, in dem alles steht, was man wissen muss. Da geht es besonders um die Bindungsstörungen, die aufgrund von Entwicklungstrauma entstehen: https://beispiel.rocks/www.amazon.de/…nb_sb_ss_i_3_15

    Gut ist auch SE (Somatic Experiencing), wobei es da etwas mehr um PTBS geht, aber nicht nur: https://beispiel.rocks/www.amazon.de/…ps%2C202&sr=8-5
    Auch sehr gut, mit Körperübungen, die man selbst machen kann: https://beispiel.rocks/www.amazon.de/…ps%2C202&sr=8-1

    Ich hoffe, dass die Links nicht gelöscht werden (falls ja, sorry ,falls ich mich täusche, liebe Admins, ich bin überzeugt, dass die Links im Sinne des Forums sind!), ansonsten schau nach unter Laurence Heller und Peter A. Levine. Ich habe bis jetzt zwei SE-Sitzungen hinter mir, hab mit den Übungen von Peter Levine angefangen und werde im Jänner eine NARM-Therapeutin aufsuchen. Von letzteren gibt es noch nicht sehr viele, SE findet man leichter. Das NARM Buch ist der absolute Hammer, kann ich dir nur wärmstens ans Herz legen. Ach ja, eines der wichtigsten Stichworte ist die Polyvagaltheorie von Steven Porges. Diese hat die neuen Traumatherpien erst möglich gemacht.

    Vielen Dank für den Link. EMDR setzt man hauptsächlich bei PTBS ein. Für Entwicklungstrauma gibt es andere Therapien, z.B. NARM. Ich wundere mich, dass in diesem Forum diese Thematik noch kaum besprochen wird. Man weiß inzwischen, dass durch Entwicklungstraumata (d.h. fortwährende negative Einflüsse in der Kindheit) das autonome Nervensystem dauerhaft dysreguliert wird. Eine Möglichkeit, es zu regulieren, ist Alkohol bzw. alle anderen Süchte. Deshalb sollte man dem Alkoholiker nicht den Alkohol wegnehmen, bevor man das Nervensystem stabilisiert hat. Denn der Alkohol hilft ihm, unerträgliche Gefühle nicht spüren zu müssen. Wenn der Körper betäubt ist, kann er nicht fühlen. Das läuft natürlich alles unbewusst über das Stammhirn und ist für den Verstand nicht zugänglich. Deshalb gibt es für Entwicklungstraumen spezielle Therapien, die sich gravierend von den üblichen Psychotherapien unterscheiden. Da die CO-Abhängigkeit auch eine Form von Sucht ist, habe jetzt halt ich mit der Therapie angefangen, da ich ohnehin nur was für mich machen kann. Da Traumatherapien an der Regulierung des autonomen NS arbeiten, kann man sehr schnell Veränderungen herbeiführen. Ich hab nach der ersten Sitzung eine unglaubliche Entspannung erlebt. Das ist ein unglaublich interessantes Gebiet.

    Dass du mit dem Alkoholismus deines Mannes nichts mehr zu tun haben willst, verstehe ich gut. Geht mir auch so, vor allem weil er nicht kooperativ ist. Ich habe jetzt jahrelang versucht, das irgendwie in Ordnung zu bringen. Jetzt schaue ich auf mich, das müssen wir CO's alle tun ;)

    Hallo liebe Leute,

    ich bin hier, weil mein Mann alkoholabhängig ist. Es fällt mir schwer, Alkoholiker zu schreiben, weil mir sein Fall subtiler erscheint. Er trinkt jeden Tag, meistens ab ca. 17 Uhr und dann kommt er auf 1-2 Flaschen Bier plus 2-3 Gläser Wein, ca. 200ml. Mal mehr, mal weniger. Wenn tagsüber Nachbarn vorbeikommen oder es eine Baustelle am Hof gibt, wird schon vormittags mit Bier angefangen. Er ist nie betrunken, wenn abends Besuch da ist und er mehr trinkt, gibt es hin und wieder mal Zungenschlag, das ist aber sehr selten. Er ist sehr zuverlässig, sorgt für alles rund ums Haus und macht auch allerlei für Nachbarn und Freunde, da kommen ihm seine wirklich brillanten geistigen Fähigkeiten zugute. Er hilft mir, wo es notwendig ist und ist insgesamt ein dienstbarer Mensch, worauf er auch sehr viel Wert legt (er ist in einem Gastgewerbebetrieb aufgewachsen). D.h., ich kann mich zu 100% auf ihn verlassen.

    ABER: ich stelle schon seit über 10 Jahren eine zunehmende Persönlichkeitsveränderung fest. Es hat was sehr dissoziatives. Ich fühle mich schon lange emotional extrem vernachlässigt. Wir sind vor fast 20 Jahren auf einen Bauernhof gezogen und haben seither unendlich viel gearbeitet. Ich habe viel zu spät realisiert, dass er zu viel trinkt, weil das Mengen sind, die hier am Land ziemlich normal sind und ich keinerlei Erfahrungen mit Alkoholikern hatte. Deswegen frage ich mich auch immer wieder, ob ich mir das alles einbilde. Ich weiß, ich weiß, die alte CO-Frage ;) Die letzten Jahre hat sich alles ziemlich zugespitzt und wir sind in eine heftige Krise geschlittert. Er ist eigentlich ein sensibler Mann, kann aber auch unglaublich gemein sein. Sein Verhalten mir gegenüber kann man durchaus als emotionale Gewalt bezeichnen. Ich habe das Gefühl, ständig über Fallstricke zu stolpern. Dauernd mache ich irgendetwas falsch und er fühlt sich durch in meinen Augen lächerliche Dinge provoziert, obwohl ich nichts mehr zu vermeiden versuche, als ihn zu provozieren. Ich habe ja Angst vor seinen Reaktionen. Er stellt irgendwelche seltsamen Regeln auf, die eingehalten werden müssen. Als ich ihn vor vielen Jahren das erste Mal auf seinen Alkoholkonsum angesprochen habe, hat er mich angeschrien, dass mich das nichts anginge. Wir sind jetzt 25 Jahre zusammen und hatten einige sehr schöne Jahre zu Beginn, ohne Alkohol. Es wäre völlig undenkbar gewesen, dass er mich anschreit. Das hat auch vor ihm nie jemand getan. Mich hat das sehr schockiert und geängstigt und ich denke, dass ich damals in die CO-Rolle gerutscht bin. Grundsätzlich findet er sich in Ordnung, während er mich für schwierig und kompliziert hält (liest man hier auch des öfteren).

    Ich habe mich voriges Jahr intensiv in das Thema Entwicklungstrauma eingelesen und weiß, dass wir beide traumatisiert sind. Ich habe eine entsprechende Therapie begonnen, die mir hilft, wieder zu mir zu finden und meinen Weg zu gehen. Seit er das merkt und ich ihm davon erzähle, hat sich die Situation wieder etwas entspannt. Mit dem Alkohol aufhören will er nicht, da fühlt er sich in seiner "Freiheit" eingeschränkt und da reagiert er aggressiv. Er hat es voriges Jahr im Frühjahr versucht, ist aber nach 2 Tagen gescheitert. Aus seiner Sicht hatte er halt "einfach wieder Lust", etwas zu trinken.

    Ich fühle mich seit über 10 Jahren total allein, wir machen nichts miteinander, leben abgeschieden zu zweit und seit wenigen Jahren arbeiten wir beide zuhause, d.h. wir sind an den meisten Tagen 24 Stunden am gleichen Ort. Das macht die Situation noch schwieriger. Er baut sich zwar gerade ein Geschäft auf und arbeitet viel, hat aber ansonsten jegliche Interessen verloren. Abends sitzt er in der Küche, raucht und trinkt seine Gläser. Dabei starrt er oft vor sich hin, ich kann das nicht ansehen. Wenn ich ihn darauf anspreche, meint er nur, er denke nach und so sehe das halt aus. Für mich ist das schrecklich, er kriegt dann rundum gar nichts mit. Ich habe das Gefühl, es ist völlig egal, ob ich da bin oder nicht. Das meinte ich mit dissoziativ.

    Warum ich das so genau und so lang beschreibe: ich weiß, dass die Menge nicht unbedingt ausschlaggebend für die Abhängigkeit ist. Aber ich lese hier hauptsächlich von Alkoholikern, die schon morgens trinken und dann auch wirklich besoffen sind. Oder von denen, die sich alle paar Wochen komplett besaufen. Vielleicht gibt es aber doch noch andere, deren Fall ähnlich ist, wo die Menge nicht so extrem groß ist, aber dennoch Symptome auftauchen, unter denen sie leiden. Ich habe mich heuer nach ein paar heftigen Bemerkungen total zurückgezogen und bin innerlich auf dem Absprung. Ich halte diese Einsamkeit zu zweit nicht mehr aus. Schweigende Abendessen, kaum Gesprächsthemen, obwohl wir früher über alles geredet haben. Jetzt bespreche ich alles, was mich berührt, mit anderen Personen. Was meint ihr, reicht diese Menge Alkohol, um so deutliche Persönlichkeitsveränderungen zu bewirken? Ich habe es ausgerechnet, er bewegt sich zwischen 50 und 90g reinem Alkohol. Er hält diese Menge auch schon relativ lange. Ich zweifle NICHT daran, dass er abhängig ist! Mist, ich weiß eh, dass diese Verunsicherung eine CO-Geschichte ist!