Hallo Erik,
du hast leider ebenso wie dein Freund Erfahrungen mit depressiven Phasen machen dürfen….
Nach dem, was ich bei dir über deinen Freund gelesen habe, musste ich an meine eigenen Erfahrungen mit Depressionen und vor allem mit Menschen, die daran erkrankt sind, denken.
Ich hab sozusagen zwei Arten von Menschen mit Depressionen kennengelernt und im Laufe der Zeit habe ich für mich gelernt, mich von der einen Sorte zu distanzieren, weil mir der Umgang mit ihnen immens Energie entzog, ohne dass sie das in irgendeiner Weise weitergebracht hätte.
Das sind solche wie dein Freund gewesen. Diese Menschen stecken irgendwie in ihrem Leid fest, sie suchen und finden die „Schuld“ immer in allem möglichen um sich herum. Die Gespräche mit ihnen drehten sich auch immer nur um ihr Leid und um die „Schuld“ anderer oder der jeweiligen Umstände. Bemitleidenswert zweifellos, aber auch fürchterlich anstrengend und energieraubend. Und ohne Lösungsperspektive.
Und dann habe ich welche kennengelernt, die zwar ebenfalls leiden, wenn sie gerade eine tiefe Phase haben, die aber im Unterschied zu der anderen Sorte gerade nicht beständig die „Schuld“ im Außen suchen, sondern stattdessen die Verantwortung für ihr Leben übernehmen, nach Möglichkeiten und Perspektiven Ausschau halten, Hilfe annehmen und vor allem lernen, für sich zu sorgen.
Wie du schreibst, hast du selbst einmal Erfahrungen mit einer depressiven Phase gehabt. Nach dem bisschen, was du über dich erzählt hast, schließe ich, dass du zu denen gehörst, die Verantwortung für sich übernehmen. Dein Freund aber scheint gerade jener anderen Sorte anzugehören.
Depressionen sind zweifellos eine schlimme Erkrankung, aber man kann lernen, damit umzugehen, wenn man die Verantwortung für sich selbst übernimmt. Unter Umständen ist sogar Heilung möglich.
Alkohol scheint es zeitweise leichter zu machen, ich kann selbst ein Liedchen davon singen, aber wohin das führt, hast du am eigenen Leibe erfahren und du erlebst es immer wieder bei deinem Freund. Alkoholmissbrauch macht die Erkrankung noch schlimmer. Das hat u.a. mit der Biochemie des Gehirns zu tun.
Es ist völlig nachvollziehbar, dass du deinem Freund helfen möchtest, ganz besonders, da du den Eindruck hast, dass er nicht in der Lage ist, die Verantwortung für sein Leben zu übernehmen.
Letztlich aber kämpfst du sozusagen gegen eine Windmühle, denn dein Freund tut immer wieder etwas, was ihm schadet, und du kannst nichts dagegen machen, sondern darfst ihm sehenden Auges dabei zusehen.
Bei so etwas machtlos und mehr oder minder hilflos zusehen zu müssen, macht einen völlig fertig.
Bei deinem Freund scheint keine Einsicht vorhanden zu sein, dass er ein ernsthaftes Alkoholproblem hat, und so schlimm das ist, solange das bei ihm so ist, wird er immer wieder den Alkohol als „Lösungsmittel“ wählen.
Wenn dem, was du bisher immer wieder versucht hast, kein Erfolg beschieden war, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass es diesmal klappt?
Auf Dauer wird es DICH krank machen, wenn du weiterhin die Verantwortung für ihn übernimmst.
Hast du dich hier in den verschiedenen Bereichen schon ein bisschen eingelesen? Die diversen Erfahrungsberichte finde ich ziemlich aufschlussreich. Ich hab in dem, was ich bei anderen gelesen habe, sehr viel von meiner eigenen Geschichte wiedererkannt, und ich habe hilfreiche Ansätze für gefunden.
Viele Grüße
AufderSuche