Liebe Thalia,
danke für deine Worte und deinen wichtigen Hinweis, dass es um mich geht.
Ich bin mir dessen bewusst- aber ich weiß auch, dass es mein Naturell ist, zu schauen, dass es den Menschen, die mir am Herzen liegen gut geht.
Und wenn ich etwas dazu beitragen kann, dann mache ich das gerne☺️
Aber du hast recht- hier gehts um mich und ich möchte dir gern erzählen, was mich bewegt, mir Angst macht.
Meine Schwester hat mir nicht erzählt, dass sie wieder mit dem Trinken begonnen hat, das hat ihr Mann getan.
Wenn ich ehrlich bin, habe ich es vermutet, wollte ihr aber glauben und ihr nicht das Gefühl geben, sie zu kontrollieren bzw. und in jedem Gespräch fragen, ob sie wieder trinkt.
Wahrscheinlich hätte sie sowieso gelogen… ich habe aber gemerkt, dass sie wieder weniger von den Dingen berichtet, die sie machen/ erleben möchte. Als sie Anfang des Jahres aus der Entgiftung kam, war sie motiviert, wollte mehr auf dich achten, weiter malen- das hatte sie in der Klinik entdeckt. Das Strahlen in ihren Augen war wieder erloschen…
Es tut einfach so unendlich weh, sie so unglücklich zu sehen. Sie hält ihr Leben irgendwie aufrecht, dabei ist alles so fragil…
Ich würde sie gern verstehen wollen und ja, sie am liebsten wegsperren, damit der Alkohol nicht mehr erreichbar ist…
Das geht nicht, das weiß ich…
Ich muss lernen auszuhalten und sie ihr Leben leben lassen.
Ich habe sie damals, in die Klinik gebracht. Sie war vollkommen am Ende, wollte sofort aufhören zu trinken und hatte gleichzeitig Angst, dabei zu sterben. Es war ein Freitag.
Meine Freundin ist Ärztin, sie sagte mir, es ist kaum möglich sie vor dem Wochenende stationär unterzubringen, für einen Entzug. Am besten wäre, sie würde über das WE kontrolliert weiter trinken und am Wochenanfang per Einweisung in eine Klinik gehen.
Irgendwie haben wir es geschafft. Wir sind durch den Schneeregen den halben Nachmittag von Krankenhaus zu Krankenhaus gefahren, bis wir endlich das richtige gefunden haben und da sogar glücklicherweise ein Bett frei war.
Sie blieb 4 Wochen da.
Auf der Fahrt hat sie mir erzählt, dass sie mehrere Male versucht hat aufzuhören und es wurde immer schlimmer. Sie hatte das Gefühl einen Herzinfarkt zu bekommen, hat Stimmen gehört, konnte nichts mehr essen, so schlecht war ihr…
Und ich habe mich gefragt, warum habe ich das nicht gesehen? Am Telefon und wenn wir uns gesehen haben, war es meistens wie immer…
Ja, sie hatte Stress und war unzufrieden in ihrer Ehe- aber hätte ich sehen können, dass das Problem viel tiefer geht?
Nachdem ihr Mann mich kontaktiert hat und mir gesagt hat, dass er nicht mehr weiter weiß, ob ich noch eine Idee hätte, habe ich mich ebenfalls belogen gefühlt.
Sie weiß, dass wir immer füreinander da sind. Wir 3 Schwestern. Ich hätte mir gewünscht, dass sie mit mir darüber offen sprechen würde. Stattdessen lügt sie und rückwirkend stellen sich Situationen plötzlich in einem anderen Licht dar. Sie musste früher weg, vom gemeinsamen Treffen… sie hatte Kopfschmerzen und zog sich zurück, während wir mit dem Jungen zum Spielplatz gegangen sind… wir sehen uns nicht sooo oft. Plötzlich waren auch zu diesen Gelegenheiten immer Momente, in denen sie sich zurück gezogen hat. Hat sie diese Momente gebraucht um zu trinken? Weicht sie deshalb bei Umarmungen ein wenig zurück? Müsste ich es nicht riechen?
Liebe Thalia, viel Text und viele Fragen…
Ich danke dir fürs Lesen, fürs Zuhören.
Im Moment weiß ich gar nicht, wie ich mit meiner Schwester umgehen kann. Mit ihr reden, als wäre nichts, und wenn sie darüber sprechen will, dann sprechen wir? In jedem Telefonat/ Chat den Alkohol thematisieren? Ihr sagen, dass ich unsicher im Umgang mit ihr bin, als würde plötzlich etwas zwischen uns stehen? Warten bis sie sich meldet? Ihr sagen, dass ich traurig bin, zu erleben, wie sie sich verändert durch den Alkohol?
Sie weiß, dass ich sie liebe und immer für sie da bin, wenn sie meine Hilfe braucht.
Aber vielleicht möchte sie meine Hilfe nicht und fühlt sich verraten, weil ich ihr deutlich gesagt habe, dass sie Verantwortung tragen muss- für sich und für ihr Kind.
Und dass ich nicht zusehe, wie sie ihren Sohn und dessen Freunde im Auto durch die Gegend fährt, obwohl sie Alkohol im Blut hat.
Es ist wohl ein Prozess und ich möchte lernen…
Danke und liebe Grüße
Sonnenhut