Beiträge von Ratlos

    Hallo Aurora,

    danke für Deine Worte und es tut mir sehr leid, dass auch Du das erleben musstest. Es gibt keine Worte dafür. Eigentlich nur gemeinsames Schweigen.

    Ich möchte gerne mein Okay dafür geben, dass mein Thema in den richtigen Bereich verschoben wird. Reicht das, wenn ich das hier schreibe oder muss ich das irgendwo einstellen. Ich bin mit dem Aufbau solcher Foren noch nicht vertraut und auch technisch noch nicht so versiert.

    Und auch du hast die Erfahrung gemacht, wie schnell alles vorbei sein kann. Das Leben ist endlich und du hast die Wahl, es dir gut gehen zu lassen damit. Für die Jahre, die du hast. Denn das ist dein Recht!

    Ich wünsche mir sehr, dass mein Leben wieder lebendiger und freudvoller wird und ich hoffe sehr, dass ich hier ein paar Möglichkeiten in die richtige Richtung kennenlernen darf.

    Liebe Grüße

    Ratlos

    Vielen Dank Euch allen!

    Eure Reaktion hat mich geflashed und mich unheimlich dankbar gemacht, dass ich dieses Forum finden durfte. Ich brauche glaube jetzt erstmal ein bisschen Zeit um das alles zu verdauen.

    LG

    Ratlos

    Hallo, da bin ich wieder.

    Traurig und immer noch ratlos. Mir fällt es sehr schwer hier zu schreiben weil ich ja Hilfe für mich und nicht für meinen Mann suche. Dafür schäme ich mich sehr. Dennoch wünsche ich mir so sehr ein neues Leben.

    Mein Mann ist 17 Jahre älter als ich, also in seinen 70ern, und wir sind seit mehr als 30 Jahren ein Paar. Zu Beginn unserer Beziehung war es schön, dass es abends immer eine Flasche guten Wein oder Sekt gab. Ich war das nicht gewohnt, da ich in einem absolut nicht alkoholischen Umfeld aufgewachsen sind. Allerdings nicht ohne Sucht. Meine Eltern waren beide sehr starke Raucher. Mein Vater ist vor 3 Jahren an Lungenkrebs gestorben und meine Mutter sieht immer noch keine Notwendigkeit das Rauchen aufzugeben oder etwas zu verändern. Also war dieser "gute Wein" so etwas wie "Wertschätzung" an mich und einen wunderschönen Abend. So habe ich mir das zumindest schöngeredet. Die stärkeren Sachen gab es dann, wenn er mit seinen Kumpels in irgendwelchen Autowerkstätten seine Abende verbrachte. Meine Gedanken dazu, "er ist halt ein echter Mann". Heute schäme ich mich für meine Dummheit. Die Jahre mit ihm waren oft ziemlich schwierig weil er sich als sehr erfolgreicher Geschäftsmann auch viel herausnahm. Ob es nun Alkoholexzesse mit seinen Kumpels waren oder wilde Zeiten mit anderen Frauen. Aber ich hatte in der Zwischenzeit 2 Kinder und vermutlich war ich entweder zu bequem etwas zu verändern oder hatte einfach Angst davor. Irgendwie war in mir immer die Vorstellung, dass ich allein nicht lebensfähig bzw. gesellschaftsfähig sein könnte. Es gab Zeiten, da konnte mein Mann emotional mit mir spielen wie auf einem Klavier. Aber irgendwann habe ich für mich bemerkt, dass er die ganzen Beleidigungen welche er mir abends in betrunkenem Zustand an den Kopf warf, am anderen morgen nicht mehr wusste. Da habe ich begonnen es an mir vorbeiziehen zu lassen und gedacht, jetzt reagier gar nicht, denn morgen weiß er es ja eh nicht mehr. Das hat mir in sofern geholfen, dass ich nicht mehr die Nächte hindurch geweint habe und er mir dann nicht mehr an den Kopf werfen konnte wie häßlich und abstoßend ich mit meinem, vom weinen verschwollenen, Gesicht aussehen würde. Aber irgendwie ging noch etwas anderes dabei kaputt. Nicht meine Liebe zu ihm aber vielleicht mein vertrauen. Genau weiß ich es bis heute nicht. Meinen Sohn hat er immer abgelehnt und nachdem ich für ihn emotional nicht mehr so erreichbar war hat er sich meinen kleinen Jungen herausgesucht und ihn traktiert. Leider kann ich diese Sicht erst aus der Vergangenheit so einordnen. Mein Kind hat dann bereits mit 12 Jahren angefangen Hasch auf dem Schulhof zu rauchen. Auch davon habe ich erst Jahre später von ihm erfahren. Als ich meine Tochter bekam, sie ist 6 Jahre jünger, wurde meine Aufmerksamkeit leider noch mehr von meinem Sohn genommen weil sie immer wieder Atemaussetzer hatte und dadurch viel im Fokus stand. Außerdem war sie die Prinzessin für meinen Mann und zumindest solange sie wie ein Püppchen auf seinem Schoß blieb, war es, was seinen Alkoholverbrauch anging, eine sehr gute Zeit. Er hat fast nichts mehr konsumiert. "Leider" wurde aus dem Püppchen ein eigenständiger willensstarker Mensch der sehr wohl mitbekam, dass der Papa sehr große Unterschiede machte und ihren Bruder nicht gerade gut behandelte und so wurde auch hier der Konflikt offen. Und er trank wieder und zwar so gewaltig, dass er auch handgreiflich gegen mich wurde. Da mein Sohn damals angefangen hatte mit seinen Mitschülern und Lehrern Probleme zu entwickeln, war mir das Verhalten meines Mannes nicht so wichtig und ich kämpfte um mein Kind. Das ganze Familienleben entwickelte sich immer mehr zu einem Albtraum und mein Sohn hatte mit 15 ein ernsthaftes Drogenproblem und ich verbrachte meine Zeit auf Polizeidienststellen, Gerichten und Krankenhäusern. Ich bin mit meinen Kindern ausgezogen, bin aber nie ganz von meinem Mann losgekommen. Oft habe ich meinen Sohn in ganz Deutschland gesucht, mit einem Bild von ihm in der Hand stand ich am Hamburger Hauptbahnhof und habe jeden Punk angesprochen ob er wüsste wo ich mein Kind finden könnte. Oft habe ich Hilfe von ihnen erfahren und manch einer hat mir seine Geschichte erzählt und mir gesagt, dass er sich wünschen würde, dass seine Mutter nach ihm suchen würde. Immer wieder kannte jemand mein Kind und hat ihn einige Stunden später zu mir gebracht. Er hat sich jedesmal so gefreut, ab und an kam er sogar wieder mit mir nach Hause. Ich dachte wirklich, wenn ein junger Mann in seinem Alter so glücklich ist, seine Mutter zu sehen, dann kann doch noch nicht alles verloren sein. Sorry, die Tränen fließen und ich würde am liebsten selbst abgeschaltet werden. Aber keine Sorge, ich habe gelernt, dass ich nur durch diese Zeiten komme, wenn ich absolut still halte und nicht einen Schluck trinke. Die nächsten Jahre drehten sich für mich fast ausschließlich um meinen Sohn, der dann mit 21 Jahren unter Drogen den Freitod wählte. Die nächsten anderthalb Jahre habe ich die meiste Zeit im Bett oder auf meinem Fahrrad verbracht. Mein geistiger Zustand war so, dass ich nie wusste ob ich jemals wieder ein normales Leben führen könnte oder für immer in einen Wahn verfallen würde. Ein Unfall einer meiner Angestellten und die Worte meiner Tochter, "Mama, früher hat sich alles um <ihren Bruder> gedreht und heute bin ich nur das Kind das überlebt hat" haben mich wieder in mein Leben zurückgeholt. Ich bin damals, direkt nach ... Tod zu meinem Mann zurückgezogen weil ich dachte, dass damit wenigstens meine Tochter noch beide Eltern hätte. Nach 3 Wochen musste ich wieder ausziehen weil ich keine Menschen mehr in meiner Nähe ertragen konnte. - Außer meiner Tochter - Sie ist nach ein paar weiteren Wochen auch wieder zu mir gezogen. Leider kann ich aus dieser Zeit, bis zu diesem wichtigen Satz von meiner Tochter eineinhalb Jahre später, nicht viel erzählen weil mir weitestgehend die Erinnerungen daran fehlen.

    Als ich dann wieder begann mein Leben aufzunehmen und vor allem meine Tochter zu sehen und für sie da zu sein, begann auch die Konfrontation mit meinem Schmerz über den Tod meines Kindes. Eine Zeitlang konnte ich dies nur mit Alkohol aushalten, Psychopharmaka wollte ich unter keinen Umständen, aber nach einigen Monaten habe ich bemerkt, dass dies nur ein weiterer Untergang werden würde. Mein Mann fand diese Zeit ganz toll weil er dabei Gemeinschaft verspürte und mittrinken konnte soviel er wollte. Als ich mich aus dem ganzen wieder befreit habe, inzwischen weiß ich, dass die Zeit meine Wunden nicht wirklich heilt, aber dass es trotzdem ein Leben für mich gibt. Es ist nicht mehr so wie es war, denn meine große Liebe fehlt und dieser Schmerz hört nie auf, aber ich habe gelernt dass diese riesigen unkontrollierbaren Schmerzanfälle nicht mehr so aus dem Hinterhalt kommen sondern sich leise ankündigen und ich mir dann mein Blatt Papier mit ins Bett nehme, auf dem ich mir selbst aufgeschrieben habe, dass ich nur bis zum anderen morgen durchhalten muss, und dann wird es wieder besser sein. Aber ich bin im wesentlichen auf das Gute, das trotz allem in meinem Leben ist, sehr dankbar und kann mich daran erfreuen. Meine Tochter, meine Hunde, die Natur, meine Arbeit. Nur der Alkoholgenuss, blödes Wort, denn es ist nur vor dem Trinken der Gedanke, dass es jetzt zum Genuss oder zur Entspannung kommen wird, nach dem ersten Glas ist es bloß noch ein weitertrinken, zumindest scheint es mir so. Also der Alkoholkonsum meines Mannes und seine Ausfälle, Aggressionen und Lügen, auch die damit verbundene Isolation - denn mein Freundeskreis ist nicht mehr existent, denn ich möchte nicht, dass die Menschen ihn betrunken miterleben - als auch der Schmerz den meine Tochter durch dieses ständig über uns schwingende Damoklesschwert erlebt. Wann kommt er wieder betrunken vorbei, wann traktiert er uns mit seinen Anrufen in betrunkenen Zustand, fährt er wieder volltrunken Auto usw. Bedroht er sie wieder, ihr die Wohnung wegzunehmen in der sie wohnt (sie ist sein Eigentum). Vor 2 Monaten hat mich meine Tochter bei Nacht angerufen und war völlig verzweifelt und hat geweint. Sie hatte unter Alkohol eine Überdosis Schmerzmittel genommen und der Notarzt wollte nicht zu ihr kommen und ihr helfen. Glücklicherweise konnte ihr Freund und ich das in den Griff bekommen. Sie ist jetzt in psychologischer Behandlung und sie hat mir gesagt, dass es kein Versuch war, ihr Leben zu beenden, sondern ein Hilfeschrei und sie hat sich danach auch selbst Hilfe gesucht, die sie in den ganzen Jahren davor abgelehnt hatte.

    Und das ist der Punkt an dem ich heute stehe. Vieles ist geschehen, wir - meine Tochter und ich - sind auf einem, hoffentlich guten, Weg, aber der Alkohol meines Mannes bleibt. Ach ja, ich habe natürlich unzählige Gespräche mit meinem Mann über den Alkohol geführt, aber er hat ja kein Problem damit, das bilde ich mir alles nur ein, und ich will ja immer nur streiten. Selbst der Alkoholtest der die Promille anzeigt wird weggeleugnet.

    Ich habe mir oft überlegt, was denn eigentlich so schwer an einer Trennung von ihm ist, denn ja, es ist schwer. Es ist glaube ich der Fakt, dass er meine Sichtweise nicht verstehen kann oder will und mir somit immer Verrat oder unfaires Verhalten vorwirft. Oder vielleicht die Tatsache, dass ich das ganze noch nie so wie hier erzählt habe. Weder mir selbst, noch anderen Menschen. Ich hoffe, ich habe mit dieser Flut nicht den Rahmen gesprengt oder die Gefühle von jemandem verletzt. Ich habe einfach nur meine Sicht und mein Erleben erzählt und vielleicht finde ich damit heraus aus meiner Scham und Ratlosigkeit.

    Danke fürs Zuhören,

    Ratlos

    Hallo Tami,

    Ich schäme mich so sehr denn es ist so viel schlimmes geschehen und anstatt die Konsequenzen zu ziehen und zu gehen, halten mich Gedanken wie, ich begehe verrat wenn ich ihn nach so vielen Jahren (er ist übrigens 17 Jahre älter und jetzt in seinen 70ern) allein zurück lasse. Und natürlich auch, wie wird es für unsere Tochter sein, wenn ich den Kontakt wirklich abbreche und er dann evtl bis zur Besinnungslosigkeit säuft. Oder natürlich auch, wie wird es finanziell weitergehen. Und dann fange ich an mich selbst zu hassen weil ich mich dann für Oberflächlich halte. Und manchmal frage ich mich, ob ich diese Situation brauche und erhalten möchte, weil ich sonst keine Ablenkung mehr vor dem Schmerz über den Verlust meines Sohnes hätte. Meine Gedanken drehen sich im Kreis und mir wird schwindelig und so neige ich dazu, das zu tun, was ich so gut kann. Es von mir wegzuschieben und mich mit meiner Arbeit oder sonstigem abzulenken. Vielleicht ändert sich etwas, wenn man hier anonym einfach mal erzählen darf.

    Guten Morgen Tami,

    Ich habe mich erst gestern hier angemeldet und erkenne mich in jedem Deiner Worte. Leider fällt es mir sehr schwer darüber zu erzählen denn ich schäme mich dafür, dass ich keine Hilfe für meinen Mann sondern für mich suche. Selbst nach 30 Jahren, die ich jetzt schon in dieser Situation bin und auch nach dem Freitod meines Sohnes vor 6 Jahren und nachdem meine Tochter nicht mehr mit ihrem Vater spricht weil sie es so satt hat, komme ich mir wie ein Verräter vor weil ich jetzt Hilfe und ein Leben für mich haben will.

    Liebe Grüße

    Ratlos

    Vielen Dank für Eure Rückmeldungen. Ich empfinde es als ein Leben wie in einem surrealen Traum. Ich werde mich gerne durch die Co-Sparte durcharbeiten und bin froh, wenn ich nicht an meinem Verstand zweifeln muss. Mein Mann und ich leben schon seit einigen Jahren getrennt, sind aber noch immer zusammen und immer, wenn es so schlimm wird, dann beschließen wir, dass es besser ist, uns zu trennen, aber nach ein paar Tagen kommt er und tut so, als ob nie etwas geschehen wäre. Wenn ich ihm dann sage, dass ich das nicht aushalte, dann beschimpft er mich, dass ich nur streiten wollen würde. Das macht jede Handlung unmöglich weil er ja alles was vorgefallen ist negiert bzw. leugnet. Wie gesagt, das ist wie in einem schlechten Film.

    ich bin seit fast 30 Jahren mit meinem Mann zusammen und weiß nicht mehr weiter. Mein Mann trinkt große Mengen an Wein, aber auch gerne Whisky und ähnliches. Zu manchen Zeiten ist das erträglich und es bleibt bei der einen Flasche Wein am Abend, aber je nach Form kommen dann die Zeiten an welchen er nach Hause kommt und total betrunken ist. Er streitet es dann ab und am Anfang habe ich meinen Wahrnehmungen dann auch misstraut aber zwischenzeitlich haben wir ein Alkoholtestgerät und das weist dann 1,2 Promille und mehr aus. Das schlimmste für mich ist mittlerweile das ständige Lügen. Wenn er betrunken ist, dann bestreitet er es und wenn ich ihn dann dazu bringe, dass er testet, dann kommen Kommentare wie, vor 20 Jahren hat noch keiner gesagt, dass man mit 1, 2 Promille betrunken ist und am nächsten Tag bestreitet er dann, dass er überhaupt getrunken hat. Ich fühle mich mittlerweile wie in einer Scheinwelt gefangen und fange an, an meinem Verstand und an meiner Wahrnehmung zu zweifeln. Vielleicht kennt hier ja jemand solche Situationen denn im Augenblick bin ich Ratlos und habe keine Idee wo ich Hilfe bekommen kann.

    PS: Mein Mann geht seit 4 Wochen zu einer Psychotherapeutin aber dort gibt er an, dass er nicht im Übermaß trinkt und einfach nur depressiv sei.

    Ratlos