Beiträge von Pimenta

    Heyho werte Gleichgesinnte,

    bin jetzt schon über 5 Jahre trocken und bewege mich voran auf Verarbeitungsgeraden u.a. durch dieses Forum hier 8)

    Eine Frage in die Runde. Wir Alkoholiker sind ja zu Meisterleistungen fähig was lügen und vertuschen betrifft. Diese Fähigkeiten brauche ich theoretisch heute nicht mehr sie lassen mich aber nicht los.

    Habe seit Monatsmitte einen neuen Job in einem großen Unternehmen. Die Dinge sind ein wenig unübersichtlich und ich komme v.a. wenig ins Gespräch mit den Kollegen. An sich läuft alles. V.a. aber weil es in der warmen Saison immer viel zu viel zu tun gibt kommt mein Gedankenkarrusell wieder in Gange. Die bohrenden Fragen: Was hinterlasse ich für einen Eindruck? Bin ich zu gleichgültig oder ist es gerade die richtige Einstellung nicht lange zu fackeln und anzupacken?

    Es gibt oft nur oberflächlichen Smalltalk, den ich ja auch gut kann v.a. weil ich, als ich noch getrunken habe, damit prima ablenken konnte. Wenn Dinge schieflaufen denk ich reflexartig, dass ich der Schuldige bin. Früher dachte ich das sehr oft zurecht.

    Frage: Kennt das jemand und hat jemand ein paar Tips und Kniffs, wie man damit umgehen kann? Ich würde die Sache gern mal in Angriff nehmen. Ist ja ein Lernprozess, der seine Zeit braucht.

    Ich bin mir sicher, dass ich ohne die Sucht nie so extrem darauf achten würde. Früher stimmte ja tatsächlich was nicht mit mir v.a. mit meinem Trinkverhalten.

    Bin gespannt

    Beste Grüße und bleibt gesund und trocken

    Thomas

    Seit Tagen triggert mich aber der Gedanke an meinen anstehenden Geburtstag am Freitag. Ich verspüre seit klein auf Abneigung gegen meine Geburtstage. Das liegt an meinen Eltern, die mich Jahr für Jahr wie ein Ausstellungsstück präsentierten und immer das gleiche Theaterstück aufführten. Ich nenne es liebevoll "Das Spiel der heilen Welt".

    Menschen, die ihre Kinder als ihren eigenen Status inszenieren, rauben einem die Kindheit. Meine Eltern ließen mich emotional verhungern.

    Ich hätte es nicht schöner formulieren können. Meine Eltern haben immer noch nicht gerafft, dass ich Alkoholiker bin und beschuldigen meine Frau, dass sie mit "diesem Quatsch" angefangen hat. Passt scheinbat nicht in die heile Welt, dass der Sohn stärker ist als der Weingeist.

    Achso, ich habe am 1.1. Geburtstag... Silvester... saufen... geil.

    Jetzt wo die Pandemie vorbei ist und es kein Böllerverbot mehr geben wird, werden wir uns zum Jahreswechsel einfach eine kleine Hütte auf dem Land mieten. Die Hunde finden das bestimmt auch gut. Es ist mein Geburtstag und ich weis von Harald Juhnke, dass zu Silvester die Amateure saufen. Zu denen gehöre ich nicht mehr.

    Ich konnte das Trinken erst sein lassen als ich vor dem Alkohol mehr Angst hatte, als vor der Abstinenz.

    Das ist sowas von Nagel auf den Kopf getroffen. Ich habe den Satz einige Male hintereinander gelesen weil ich mir einfach nur dachte: Verdammt nochmal, ganz genau so war das.

    Ich hatte vorher auch nur ein müdes lächeln übrig für die Abstinenten. Dachte mir, mensch was für ein ödes Leben. Damals im März 17 war es dann soweit. Ich habe gemerkt, dass der Alkohol auf dem besten Weg ist mir mein Lebenslichtlein nach nur 35 Jahren auszupusten. In dem Moment hab ich gemerkt, dass ich vor nichts auf der Welt mehr Angst habe, als vor dem Alkohol.

    Danke für die Erkenntnis.

    An dieser Stelle noch ein Satz, den Freund von mir immer dann einsetzt, wenn über ein Thema gesprochen wird, auf das er kein Bock hat und/oder es ihm aufgedrängelt wird. Er sagt dann einfach: "Für dieses Gespräch stehe ich nicht zur Verfügung." Das ist immer noch dezent, gibt nicht viel Preis komuniziert aber dennoch, dass der Gegenüber nervt, Grenzen überschreitet etc. Ich habe den Satz fest in meine kommunikative Schatzkiste aufgenommen. Kein Mensch hat ein Recht auf meine Aufmerksamkeit und noch viel weniger kann man mich nötigen irgendwo was zu sagen. Dachte mir, ich lass das mal hier als positiven Impuls. Lasst euch nicht ärgern.

    Mensch, hier ist ja richtig was los. Fein, fein.

    Ich bin ja mittlerweile auch so weit, dass ich mich nur noch auf Nachfrage oute. Mein Problem ist, dass ich Musik mache und zwar in einer Band, ein Hobby, dass ich nicht aufgeben wollte. Konzerte sind natürlich immer solche Trinkanlässe. Da muss ich natürlich immer damit rechnen, dass ich angesprochen werde. Meine Bandkollegen wissen Bescheid. Das reicht mir.

    Hey Leute,

    immer wieder habe ich gelesen, dass andere hier ihre Schwierigkeiten hatten mit dem offen über die Sucht reden oder nur mit dem Gedanken daran.

    Ich dachte mir, evtl. kann man das mal gesondert betrachten um einmal Mut zu machen bzw. Rückmeldungen einzufangen.

    Ich fang mal an: Ich habe in meiner Therapie den ganz dringenden Rat bekommen möglichst offen damit umzugehen. Mit der Ansage, dass ich trockener Alkoholiker bin, wird jegliches Nachbohren unterbunden wurde mir gesagt. Das kann ich auch absolut bestätigen. Der absolute Großteil meiner Mitmenschen hat das hingenommen und respektiert, keine blöden Fragen gestellt etc.

    Die Kehrseite der Medaille: Meine eigenen Eltern haben leider so gut wie gar nicht darauf reagiert. Meine Mutter musste ich mehrfach ermahnen. Ich weis nicht, ob es daran liegt, dass die beiden das nicht wahrhaben wollen oder was weis ich. Schade, dass die beiden sich nicht freuen können, darüber, dass ich dieses Riesendrama endlich zum Stillstand gebracht habe.

    Mich interessiert daher: Wie geht euch das so? Was sind die Reaktionen der anderen?

    Beste Grüße und lasst euch nicht ärgern 8)

    Thomas

    Hallo Linde,

    die Dinge gehen ihren Gang was das Thema betrifft. Tatsächlich ist Alkohol nur noch Thema, wenn ich mal hier im Forum bin.

    Ich werde gleich nochmal ein Thema aufmachen, dass mich in letzter Zeit immer mal beschäftigt hat und bei dem mich interresiert, wie es anderen da geht.

    Danke der Nachfrage 🙂

    Die Metapher mit der Gemütlichkeit find ich Klasse. In den ersten Monaten nach der Entgiftung war es meine neue Gemütlichkeit, zu jeder Tageszeit meinen Mitmenschen gegenübertreten zu können. Gegen Ende war ich ja schließlich 24h lang unter Alkoholeinfluss, hatte an sich immer ne ordentliche Fahne und oft auch deutliche Sprach - und Bewegungsstörungen. Aus guten Grund hab ich mir Sorgen gemacht, dass das Umfeld merkt, dass da was "nicht stimmt" Mein ganzes Selbstbild war zerfressen. Schließlich hat ja wirklich was nicht gestimmt.

    Schon in den ersten Wochen hat es mir unglaubliche Freude bereitet mich unter die Mitmenschen zu mischen, ohne Fahne, Augenringe, Flasche in der Hand, zitternden Händen oder blassen Taint. Die Erkentnis, dass jetzt dieses Etwas, dass da nicht stimmt weg ist, also zumindest erstmal weg ist war meine neue Gemütlichkeit. Da ging echt die Sonne auf, jeden Morgen aufs neue.

    Ich habe gerade in der Anfangsphase meine Tage und damit auch meine Einkäufe richtig strukturiert. Um diese Zeit gehe ich genau in diesen Supermarkt und kaufe genau das was auf der Liste steht. So fing ich gar nicht an zu schlendern.

    Ich habe mich regelrecht gezwungen nicht nach dem zu schauen was die anderen kaufen. Mein Fokus lag auf dem Moment der Interaktion mit der Kassiererin. Endlich konnte ich diese nämlich ganz entspannt angehen, ihr in die Augen gucken, den Mund öffnen und sprechen weil ich keine Suffmenge für 3 Bauarbeiter auf dem Band hatte und das schon am helligten Tag und auch weil der letzte Supermarkteinkauf mir noch im Atem lag.

    Ich bin auch teilweise genau in die Supermärkte gegangen, in die auch Nachbarn und Freunde gehen. Ich habe es unendlich genossen mir keine Gedanken machen zu müssen was die denken beim Anblick meines Einkaufs.

    Das mal ein Einwurf zum Thema Supermarktbesuch. Klar, man verarscht sich damit selbst. Grad in der Großstadt ist es den Mitmenschen total wurscht was andere machen. Den Gedanken hochzuhalten und ihn zu einem positiven Gefühl zu machen half mir gegen jede Versuchung.

    Hier noch ein paar Gedanken:

    Das einzige, dass dir deine Freunde nicht abnehmen können ist die eigene Einsicht, die der Kern ist für den ersten Schritt. Leute mit einer gewissen Achtsamkeit werden zu Recht heilfroh sein, dass du soweit bist. Das ganze gilt natürlich auch für den Hausarzt. Meine Schwiegermutter ist auch Alkoholikerin. Einsicht komplette Fehlanzeige. Ich weis, dass ich da nix machen kann so sehr ich auch will.

    Ich habe meine Arbeit auch eine Weile ruhen lassen damals. Als Selbstständiger war da allerdings nix mit Krankenschein und Lohnfortzahlung. Kann die Hummeln in den Hosen nur zu gut verstehen. Habe bei weniger gut Bekannten auch eine Weile gewartet, bis ich mich geoutet habe. Die Sache war dann um so spruchreifer und ich hatte erstmal Ruhe. Bei uneinsichtigen Idioten, die dich dafür abstrafen bzw. dich runtermachen hilft nur noch ein gewisser Jähzorn. Die Leute, die mir so aufn Sack gegangen sind und mich so geringgeschätzt haben sah ich damals wie heute als große Gefahr. Wenn eine zynische, gepfefferte Ansage die vertrieben hat um so besser. Dann musste ich die wenigstens nicht wiederholen. Den Rücken gekehrt habe ich u.a. meinen eigenen Eltern. So ist das Leben. Vieleicht kommen die auch wieder zur Vernunft. Die allermeisten Leute wissen ganz genau, dass sie nie im Leben den Arsch in der Hose haben, einen solchen Schritt zu vollziehen. Versäume es bitte nicht, stolz auf dich zu sein und dich von ganzen Herzen über diesen Schritt zu freuen.

    Ansonsten waren meine Eindrücke der ersten Tage/Wochen:

    Ich war überglücklich, dass ich endlich ohne Alkohol einschlafen konnte, nicht jeden Tag Nachschub besorgen musste, endlich nicht mehr nachts nachkippen musste und morgens ohne Kater und ohne Fahne aufwachen konnte. Tagsüber auf Leute zugehen ohne diese tonnenschwere Last der ständigen Lügen, Ausreden, Leuten bewusst nicht über den Weg laufen, Angst erwischt zu werden etc.

    Endlich keine zitterndenen Hände, rote Augen, Krämpfe, Gichtanfälle, kilometerlange Fußmärsche um nicht immer bei der gleichen Kassiererin Montag um 10:30Uhr meinen Stoff zu kaufen. Das muss ich nie, nie, nie wieder machen. Ich habe mich dann mit Süßigkeiten und Limonade vollgestopft und auch ein bisschen zugenommen. Naja, das sind Kleinigkeiten. Kann man dann auch später angehen.

    Das wovor ich wirklich Angst hatte waren eben diese Nebenwirkungen. Tief in meinem Inneren wollte ich nicht mehr saufen. Es hat eben schon lange keinen Spaß mehr gemacht.

    Vieleicht inspiriert dich das und hilft dir.

    Hallo allerseits,

    da ich Sonntag Nachmittage gern mal mit Streifzügen im Netz verbringe bin auch euch gestoßen.

    Bin selbst trocken seit dem 7.3.2017 hatte eine sehr gute Therapie. Leider war ich in letzter Zeit etwas nachsichtig was den Besuch von Selbsthilfegruppen betraf. Die Pandemie hat das dann entgültig zum Erliegen gebracht.

    Da die Sucht ja leider immer bleibt und das Risiko nicht verschwindet wollte ich mich mal nach einer Alternative umsehen.

    Ich freue mich auf einen regen und produktiven Austausch mit Gleichgesinnten.

    Beste Grüße aus Berlin

    Thomas