Beiträge von vierauge1

    mir hatte das Angehörigenseminar bei der ersten Langzeit meiner Frau sehr die Augen geöffnet. bis dahin hatte ich so ziemlich alles durch, was ein Co so mitmacht...

    Entschuldigungen suchen weshalb Treffen mit Freunden nicht hinhauen, ihre Termine erledigen bzw mich darum kümmern, Flaschen suchen, Flaschen leeren, ihr die Flaschen vorhalten, Diskutieren wenn sie nüchtern, halb betrunken, total voll war, Streit, aufregen, niedergeschlagen sein, sie nach vier stunden nachdem sie nochmal ein eis holen wollte in der ganzen Ortschaft suchen und nach einem Anruf im Krankenhaus Gewissheit haben, wo sie ist....ich glaube ich könnte einen ewig langen post darüber schreiben. nach dem Angehörigenseminar hatte ich erkannt, dass es vielen anderen ähnlich wie mir geht. ich hatte bis dahin auch nie einen Gedanken darüber verloren, zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen - das brauche ich ja nicht :) weit gefehlt.

    mittlerweile habe ich bemerkt, dass es mir hilft meinen Frust über die Abhängigkeit los zu werden im Kreis von Menschen, die aus eigener Erfahrung wissen, wie es mir dabei geht. das mache ich jetzt seit knapp vier Jahren und das regelmäßig 1x pro Woche

    das bittere ist, wenn du an ihm und eurer Beziehung festhalten magst musst (so sehr ich dieses Wort hasse) du dein vertrauen zu ihm und der Abstinenz als Vorschuss geben auf die Gefahr hin, dass es nicht von Dauer ist.

    wenn er eine Langzeittherapie machen will und es eine gute Klinik ist, in die er kommt, werden die angehörigen in die Therapie eingebunden. nicht nur in einem Seminar über das Entstehen von Abhängigkeit und Sucht und was dabei im Gehirn passiert, sondern auch in Gespräch mit dem Therapeuten.

    hallo Brigitt, ich kann mich meinen Vorrednern nur anschliessen.

    ausser Notarzt rufen bleibt dir leider nichts übrig, was du für ihn machen kannst.

    aber du kannst für dich etwas tun, was du schon hinter dir hast - aus der Situation raus gehen. was er dann treibt ist seine Sache.

    ich habe meine Frau öfter so aufgefunden, auch oft genug den RTW gerufen. und die Sprüche von wegen "lass mich doch einfach liegen, dann wars das vielleicht" habe ich auch oft genug gehört.

    es ist verdammt schwer und kostet viel kraft aber - du kannst ihm nicht in seiner Abhängigkeit helfen.

    das kann nur er und da gibt es leider nur die eine aussage, die zutrifft

    Wenn er/sie nicht will dann will er/sie nicht

    das ist eine bittere Erkenntnis, aber es trifft des Pudels Kern

    Hallo dunkelbunt,

    eine Sache direkt mal vorneweg - du brauchst kein schlechtes gewissen zu haben und dich fragen, ob du ihn im Stich lässt.

    Ich kenne es, zu reden, drohen, betteln...das bringt alles nichts, wenn Du keine Taten folgen lässt. damit zeigst du ihm, so hat es sich anhört, dass Du es nicht ernst meinst und er ruhig so weitermachen kann, weil er sich auf Dich verlassen kann, denn du wirst da sein und ihn auffangen.

    ich mache das schon seit Jahren mit, immer wieder aufzufangen...weich fallen zu lassen.

    wenn ich fragen darf, du hast geschrieben, dass er Jobverluste, finanzielle einbüßen, gesundheitliche Einbußen, Freundesverluste schon alles durch. kam das einfach so oder wegen dem Alkohol?

    ich wünsche dir viel kraft und Durchhaltevermögen

    LG

    Darf ich fragen, warum Du "man" schreibst, obwohl Du Dich meinst?

    Ersetze doch einfach "man" durch "ich", denn DU hast doch diese Gefühle!

    hallo sunshine,

    ich kann den Ausdruck "man" gut verstehen.

    Z.B. ist es einfacher zu sagen, MAN hat Probleme mit dem Alkkonsum des Partners als ICH habe ein Problem mit dem Alkkonsum des Partners. ich glaube (meine Meinung), dass es mit zur co-Abhängigkeit gehört, Tatsachen zu verallgemeinern, weil sich das ICH so Egoistisch anhört...gerade wenn man sich mit anderen als direkten Angehörigen unterhält. Da kommt schon mal die Frage, ob es nicht eine sehr einseitige Sicht ist, wenn man alles auf sich bezieht (habe ich selbst schon zu hören bekommen)

    Ich weiß dass es in den Therapien beim Entzug darauf geachtet wird, dass nichts verallgemeinert wird und auf die Ich-Form gepocht wird. Sowas muss auch vom Angehörigen wieder gelernt werden - und das passiert meist erst dann, wenn du einmal aktiv darauf hingewiesen wirst. Bei mir passierte genau das im Angehörigenseminar bei der ersten Langzeit meiner Frau. Da fragte mich auch die anwesende Psychologin warum ich in meinen Erzählungen nicht darauf eingehe, wie es MIR dabei geht sondern wie man sich fühlt. Da ging mir ein Licht auf und ich versuche, Dinge aus meiner Sicht darzustellen.

    LG

    Hallo,

    Eine Sache habe ich im laufe der Zeit für gelernt, nicht an meinem verstand zu zweifeln.

    ich bekomme die vollen Auswüchse der Alkoholsucht meiner Frau bewusst mit. Ein blick in die Augen bzw ein kurzes Telefonat reichen mittlerweile aus, um zu wissen wie ihr zustand ist.

    Früher war es so, dass ich angerufen habe und bin direkt in Panik/Unsicherheit verfallen, wenn ich sie nicht ans Telefon bekommen habe. dann habe ich auch noch 5, 6, 7,...mal versucht, sie an die Strippe zu bekommen. Ständig war der Gedanke da, was ist wieder passiert, wie sieht es zuhause aus, in welcher Ecke liegt sie, lebt sie überhaupt noch...

    mittlerweile gelingt es mir ganz gut, die Gedanken auszuschalten. natürlich rufe ich nochmal an, wenn ich aus der Arbei gehe. Bekomme ich sie nicht ans Telefon kommt bei mir keine Panik mehr auf und ich richte mich darauf ein, wie ich den Abend für mich erfolgreich verbringen kann.

    das hat aber auch eine ganz gewaltig lange zeit gedauert, das ging nicht von heute auf morgen.

    und was ich mittlerweile auch kann - ich schäme mich nicht mehr für ihre ausfälle. ich bin es nicht ich der "Auffällig" ist. aber auch das erkennen hat seine Zeit gedauert.

    @brigitt: zu dem Telefonterror, zur not würde ich den Stecker vom Telefon ziehen...bzw im Handy den Kontakt blockieren. zumindest sage ich das im Moment, was passiert wenn es wirklich zum Auszug und eigene Wohnung kommen würde...ich hoffe das ich dann auch noch auf meinen gesunden Menschenverstand hören kann

    aktuell hoffe ich dass die weitere Therapie bei ihr gut anschlägt und sie auf einen dauerhaften abstinenten Weg bringt...denn eins habe ich mir wirklich geschworen, ich möchte mich nicht mehr durch die Sucht emotional ausbeuten lassen

    hallo ute,

    gut das du einen weg suchst um dich auszutauschen.

    aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass es ein himmelweiter unterschied ist, ob man sich mit mit gleichgesinnten austauscht oder mit nicht-involvierten. das Gefühl des immerzu notwendigen rechtfertigen kenne ich leider zu gut.

    was mich auch immer wieder bewegt sind die von dir beschriebenen 2 Gesichter eines Alkoholabhängigen. bei nüchternheit - normal, nahezu wie die alte Person,in die ich mich verliebte.

    wenn betrunken - vorwürfe, zynisch, verletzend...und das schlimmste, am nächsten tag weiß sie nichts mehr davon.

    das macht mich fertig, dass sie im besoffenen zustand sich ganz "normal" unterhalten kann, ohne dass es an der Artikulation bemerkbar wird...

    eins habe ich, im Bezug auf ihren Konsum, aber im laufe der zeit gelernt - verlasse dich auf dein Bauchgefühl. das ist meistens richtig!

    LG. vierauge

    Mein Verstand antwortet mit: gar nicht, es hat keinen Sinn in diesem Muster gefangen zu bleiben. Doch mein Herz sagt (noch?), dass er eine verletzte Seele ist die Unterstützung braucht.

    Hallo Grinsekatze,

    ich kenne diesen Zwiespalt, den mache ich schon seit einigen Jahren mit.

    Bei mir ist es meine Frau, die Abhängig ist. auch hier sagt mir mein verstand des öfteren - warum tust du dir diesen sch... immer noch weiter an? wieso immer wieder die lügen, die heimliche Trinkerei, die ausfälle...

    aber auch da sagt mir mein herz dass ich diese Person anders kennengelernt habe-und daran klammere ich mich.

    doch genau davon muss man sich leider verabschieden, der andere wird nie wieder so sein wie vorher. und du selbst leider auch nicht.

    es hängt einfach davon ab, wieviel Geduld, liebe, Verständnis...du aufbringen und opfern willst. und wie stark du bei (leider möglichen) Rückfällen sein kannst.

    allerdings habe ich für mich in den letzten Wochen auch eins festgestellt - der Gedanke an ein leben ohne sie verstärkt sich. ich bin aktuell noch nicht so weit, aber es wird konkreter - und, das muss ich noch dazu sagen, erschreckt mich der Gedanke nicht.

    LG

    vierauge1

    Hallo,

    ich bin Angehöriger einer Alkoholabhängigen. Seit vielen Jahren (>10) mache ich die Auf's- und Ab's der Alkoholkrankheit mit. Erstmals richtig aufgefallen, dass mit ihrem Alkoholkonsum etwas nicht stimmt war vor ziemlich genau 10 Jahren, als ich sie beim Herumkriechen auf dem Boden überrascht habe - eine Flasche Likör versteckend. Ich hatte das damals direkt bei ihr angesprochen, die Flasche wurde entsorgt, aber in den nächsten Wochen und Monaten habe ich immer wieder neue Hinterlassenschaften des Trinkens gefunden. Teilweise volle Flaschen, meistens leere.

    Rückblickend betrachtet war das Thema Alkohol schon lange vor Heirat ein Thema. Mitbringsel aus dem Urlaub wurden bei uns immer schneller aufgebraucht. Aus dem „Feierabendbier“ wurden schnell drei, vier, zuzüglich zu den Verdauungsschnäpsen. Schlimm wurde es nach familären Rückschlägen, die sie in Alkohol ertränkt hatte. Kalte Entzüge en masse, ebensoviele Rückfälle, immer wieder das gleiche von vorne. Inwzischen kann jeder Schluck Alk für sie das Todesurteil sein...aber das Risiko hindert nicht am Trinken.

    Aktuell befindet sie sich in weiterer Langzeittherapie. Freiwillig eingefädelt als ambulante Therapie bekam sie stationäre zugesprochen. Ich hoffe das sie diese zweite ernst nimmt und anschliessend entsprechend weiter führt. Für mich persönlich sehe ich das als letzte Chance, ein normales Leben mit ihr weiter zu führen. Ich möchte es nicht, aber wenn es nicht anders geht, müssen wir (erstmal) getrennte Wege gehen – andernfalls gehe ich selbst daran kaputt.

    Als Angehöriger habe ich natürlich auch viele Sachen verkehrt gemacht. Auf Diskussionen eingelassen, teils weil ich ihren Konsum nicht angemerkt hatte, teils weil mich ihr Konsum genervt hat.

    Ich habe versucht mitzutrinken, da war ihre Verträglichkeit schon enorm hoch. Ebenfalls habe ich versucht sie so abzufüllen, dass sie einen Ekel vor Alk bekommt – vergebens.

    Ich habe Verstecke gesucht (und natürlich gefunden), ich habe weg geschüttet, ich habe ihr die leeren und auch vollen Flaschen vor die Nase gestellt...usw. usw. usw…

    Ich habe für sie bei ihrem Arbeitgeber angerufen und entschuldigt, ich habe Ausreden gesucht, wenn sie nicht zu Terminen mitkommen konnte, ich habe sie entschuldigt bei Familientreffen...also das komplette Programm, welches Co-Abhängige durchmachen. Mittlerweile bin ich derjenige, der abstinent lebt, damit einer einen klaren Kopf behält.

    Ein Augenöffner für mich war das Angehörigenseminar während ihrer ersten Langzeittherapie. Durch die Ausführungen der Psychologen und den Geschichten von anderen Angehörigen erkannte ich, dass ich KEIN Einzelfall bin, dass es bei den anderen (im großen Ganzen) genauso ablief. Und das es SHG's gibt, die auch für Angehörige offen sind.

    Im gleichen Herbst habe ich mir eine SHG gesucht, habe diese nochmal nach einem guten halben Jahr gewechselt (die Chemie passte einfach nicht) und kam dann in meine aktuelle, die ich mittlerweile seit über 2 Jahren regelmässig besuche. Am Anfang war es seltsam, sich zu offenbaren, aber mit der Zeit merkt man, dass es den Druck aus einem selbst nimmt. Und man kommt besser mit kritischen Situationen zurecht.

    Ich möchte mich gern weiter austauschen und vielleicht sogar hier und da einen unterstützende Meinung bekommen oder geben können.

    LG