Dankeschön Cadda fürs verschieben
Danke fürs Antworten Lütte
Mein Plan vom Leben ist tatsächlich recht simpel, nach dem ewig langem Terror mit meiner Mutter bin ich aktuell einfach nur glücklich, dass Ruhe eingekehrt ist. Oder eingekehrt war. Das ist auch genau der Knackpunkt. Ich bin gerade sehr bequem, will eigentlich generell nichts ändern. Das Gerüst meines Lebens ist schön gemütlich, die Verkleidung hat vielleicht ein paar Macken, aber wie schlimm sind die wirklich? Ich meine, mein Partner trinkt zwar, aber er ist dabei nicht aggressiv. Ganz im Gegenteil, eigentlich bleibt er der selbe nette Kerl, das einzige was nervt ist eben das ewige Gelalle. Und, dass er betrunken Auto fährt. Und wir seit fast schon einem Jahr keinen Sex mehr hatten, weil der ewige glasige Blick ein besseres Verhütungsmittel ist als jedes Kondom. Und der Knoten in meinem Bauch, aber daran ist ER ja nicht Schuld. Er ist die Liebe meines Lebens und falls diese Beziehung vor die Wand fährt werde ich wahrscheinlich A) sehr lange allein bleiben bevor ich überhaupt mal wieder an etwas wie eine Beziehung denke und B) wohl nie wieder mit einem Mann zusammen ziehen. Ich bin ein Sensibelchen mit Vertrauensproblem und entsprechend sofern einmal im Schneckenhaus richte ich mich dort auch häuslich ein. Ist die Trinkerei den wirklich SO schlimm? Ich liebe ihn doch, will ihn nicht verlieren. Das Beenden der Beziehung erscheint mir sehr radikal...
So. Das dort oben sind die Gedanken meines harmoniebedürftigen Ichs. Es beschwichtigt und spielt herunter, will sich anpassen und gewöhnen. Tatsächlich ist das Verhalten meines Partners mir gegenüber wirklich nicht aggressiv. In 10 Jahren Beziehung gab es keine einzige Situation in der er mir auch nur Angst gemacht hätte. Die Furcht ihn zu verlieren ist dagegen aktuell überlebensgroß. Das ich ihn dadurch verlieren könnte, dass ich diese Beziehung beende zerreisst mich, denn ich WILL ihn nicht verlassen. Leider steht meinem Traumwelt-Ich, das sich gerne belügen möchte mein Rationales-Ich gegenüber und deren Einschätzung ist spürbar weniger rosarot.
Fakt ist nämlich: Mein Mann TRINKT. Allein diese Tatsache ist an und für sich schon ein Dealbreaker. Nicht, dass er Alkoholiker ist, nicht, dass er ein Problem hat, aber er trinkt und tut augenscheinlich nichts um diesen Umstand zu ändern. Ich will nicht 6-7 Tage die Woche einen an- bis betrunken Kerl bei mir in der Wohnung haben. Das ist super lästig, anstrengend und ein echtes Problem. Auch wenn er aktuell dabei friedlich ist und was soll das überhaupt für ne Aussage sein? "Sei froh, dass er dir keine knallt?" Was ist das für ein Maßstab, mein eigener sicher nicht. Dann eben auch das Damoklesschwert "Bisher ist er friedlich." Alkohol ist ein Nervengift, zerstört in seinen Eigenschaften als solches unter anderem das Gehirn. Alkoholiker sind absolut gefährdet über kurz oder lang gewaltätig zu werden, gerade in Stresssituationen, wenn sie nicht ihren Willen bekommen. Mein Mann ist 10cm größer als ich und wiegt über 20kg mehr. Wenn er mich angreift habe ich keine Chance gegen ihn. Das sind Fakten. Und die Welt ist voller Frauen, die Stein und Bein geschworen haben, dass ihre Männer ihnen niemals etwas tun würden, bis es das erste Mal passierte. Man redet sich zwar gerne ein, dass man selbst die große Ausnahme von der Regel ist, aber Tatsachen ist es egal, für was ein besonderes Gänseblümchen man sich selbst hält.
ER FÄHRT BETRUNKEN AUTO. Er ist ein erwachsener Mann, er ist nicht blöd. Und trotzdem ist er so unsagbarer fahrlässig, stumpf und ignorant, dass er schon an diesem Punkt nicht mehr genug Kontrolle und Einsicht zeigt.
Und wo wir jetzt so ausführlich darüber gesprochen haben, was er für ein großer Arsch und ich für ein armes Mäuschen bin drehen wir doch mal die Lampe und leuchten auf mich. Das arme Opfer, unverschuldet in eine unglaublich schwere Situation geraten und ach was hasse ich Selbstmitleid. Ich bin 33 Jahre alt, berufstätig, mündig und im Vollbesitz meiner geistigen und körperlichen Kräfte. Ich bin für mein Leben selbst verantwortlich und um ehrlich zu sein, wenn ich ein Problem mit dem Alkoholismus meines Partners habe ist das in erster Linie mein Problem - und nicht seins. Ich denke mein Lebensgefährte sieht das ähnlich, würde man ihn fragen, was ihn im Leben im Augenblick belastet wäre seine Antwort vermutlich "Meine Frau denkt ich trinke zu viel." oder "Ich trinke zuviel und meine Frau macht mir deswegen Druck."
Mich zwingt niemand bei ihm zu bleiben, wenn ich es tue, dann muss ich eben auch mit den Konsequenzen leben. Die wohl unangenehmste Wahrheit von allen. Die Verantwortung, die Handlungsgewalt liegt bei mir selbst. Wenn ich mein Leben von einem Alkoholiker bestimmen lasse trifft mich durchweg eine Mitschuld. Quasi schuldig durch Unterlassung.
Entschuldigung für den schon wieder so ewig langen Roman, aber danke an jeden, der sich da durchkämpft. Ich ordne aktuell vor allem noch mich und meine Gedanken.
Liebe Grüße von der Nachtschicht.