Beiträge von Berlin

    Hallo Ely,

    das mit dem angepassten Leben trotz Konsum, kenne ich gut. Ich habe auch eine saubere Wohnung - sogar in einer der angesagtesten Gegenden, ich habe einen guten Job, gut geratene Kinder, einen Mann der mich liebt usw. Freunde und Familie denen ich von meiner Sucht erzähle, sind erstaunt und ungläubig. Ich habe täglich getrunken und bis zu 6 Bier am Abend gingen gut, damit ich morgens nicht verkatert aufstehen musste. Auf Partys gehörte ich immer zu den "coolsten" weil ich trinkfest war und so manchen "Kerl" unter den Tisch gesoffen habe. Mir selbst war das eher peinlich, weil ich mein Trinken trainiert habe, mein Verhalten der Promille entsprechend korrigieren gelernt habe und dadurch größere Mengen ohne Ausfallerscheinungen trinken konnte. Egal bei welchem Namen man das Kind nennen möchte, täglicher Alkoholkonsum kann auf Dauer nicht unproblematisch sein. Aber gerade weil ich eine sozial angepasste Trinkerin bin/war, ist es mir persönlich wichtig, es eindeutig zu benennen. Ob du den Begriff Alkoholikerin für dich nutzbar machst und einfach sagst, ich bin eine Frau die keinen Alkohol mehr trinken möchte, bleibt letztlich dir überlassen.

    Ich weiß nicht, ob ich es als Kampf bezeichnen würde. Eher Entscheidung für ein nüchternes Leben und damit für mich überhaupt zu leben. Kampf klingt anstrengend, schwierig, nach Sieg/ Niederlage. So denke ich aber nicht, ich will nicht den Rest meines Lebens kämpfen müssen, ich möchte nüchtern leben. Meine Dämonen sind halt trotzdem da - Depression, Anspannung, Stress, manchmal Überfordererung, Langeweile usw. Die bekämpfe ich bzw. muss ich loswerden. Sie sind schon viele Jahre meine Begleiter und waren oft meine "Entschuldigung" für meinen Konsum. Ich werde das nicht alleine schaffen und in jedem Fall eine Therapie machen. Ist in meiner Gegend nur nicht so einfach, einen Suchttherapeuten zu finden - die Wartelisten sind über viele Monate lang.

    Mein Partner/ Mann war mir zum Glück nie egal und ich ihm auch nicht. Unsere Ehe war schon immer stabil und liebevoll. Meine Sucht, ist für uns beide eine harte Prüfung und ich bin ihm unendlich dankbar, dass er für mich da ist und alles tut um meine Entscheidung, nüchtern zu bleiben, mit zu tragen.

    Dass mein Schlaf durch den Alkohol beeinträchtigt war, wusste ich - das Ausmaß war mir nur nicht bewusst. Ich mag es zu träumen, auch Alpträume finde ich "unterhaltsam" 😂

    Ich verarbeite noch nicht wirklich was, bin immer noch sehr auf mich selbst konzentriert und versuche meine Selbstachtsamkeit zurück zu gewinnen. Der Alkohol hat da vieles kaputt gemacht bzw. einiges verdeckt. Mein Körper hat doch ganz schön gelitten. 😪

    Ich war die letzten Tage kaum aktiv hier, die Tage waren mit Aktivitäten gefüllt, so dass ich keine Ruhe fand, hier mal ein Lebenszeichen von mir zu geben.

    Aktuell bin ich bei Tag 31, für mich eine ungeheuer lange Zeit der Nüchternheit - so lange war ich schon ewig nicht mehr "gewollt" nüchtern. Ich muss zugeben, dass es zuweilen Tage/ Situationen gibt, da kämpfe gegen den unwiderstehlichen Drang, schnell zum Supermarkt oder Späti zu rennen, um mir ein Bier zu holen. Sehr verlockend ist da der eine Gedanke: "Nur ein Bier! Was macht das schon - merkt doch keiner?!" Aber wem mache ich da was vor? Am meisten mir selbst und diese Zeit will ich hinter mir lassen.

    Was mir seit einigen Tagen besonders auffällt, sind meine lebendigen Träume. Das spricht für einen guten Schlaf, welchen ich seit Jahren nicht mehr hatte, soweit so gut. Allerdings träume ich vom "Trinken" und während ich davon träume, denke ich im Traum, dass ich doch gar nicht mehr trinke. Letzte Nacht habe ich Cognac getrunken, es war eine gesellige und entspannte Runde und ich dachte so, komisch, eigentlich trinkst du doch gar nicht mehr und schon gar nicht sowas. Es fühlte sich sehr real an.

    Es ist für mich erschreckend, wieviel Raum der Alkohol immer noch immer in meinem Leben einnimmt, obwohl ich ihn meiden möchte. Das Nüchternsein bereitet mir Freude, ich bin jeden Tag stolz auf mich, dass ich nüchtern geblieben bin, aber ich kämpfe auch täglich mit meinen Dämonen.

    Ich bin erst in der 4. Woche (23. Tag), beschäftige mich aber gar nicht mit einem Rückfall, sondern eher mit der Abstinenz. z.B. Was brauche ich, um abstinent zu bleiben? Was motiviert mich? Was ist besonders schön am Nüchternsein? On top kommt noch der monetäre Anreiz: gemessen an meinem Durchschnittskonsum habe ich bereits ca. 200 € gespart.

    Mein erster Schritt war auch der zum Arzt. Da habe ich alles besprochen, Werte checken lassen und mein Medikament bekommen, welches die Entzugerscheinungen abmildert. Da mussten wir auch "nachdosieren" da es nicht anflutete. Mein Arzt sprach mit mir ohne Wertung oder erhobenen Zeigefinger darüber, wollte wissen, was ich machen möchte und ob ich mich als Alkoholikerin sehe - also die Einsicht habe. Da die aber alleine nichts nutzt, haben wir einen Plan herausgearbeitet, an dem wir sukzessive arbeiten.

    Der erste Tag war bei mir eher unspektakulär, denn ich hatte viele erste Tage. Ich habe mich aber an dem Tag mit der Frage beschäftigt, was dieses Mal anders ist/ sein soll als an den anderen ersten Tagen. Das habe ich mir ebenso aufgeschrieben, wie die peinlichsten Momente im Vollrausch. Ich habe mir eine App heruntergeladen, die mir diese Momente den Tag über als Pop-up immer wieder anzeigt, denn es sind meist gerade diese Momente, die ich gerne relativiere und die dann wieder dazu führten, im Supermarkt oder Späti das Bier in den Korb zu legen. Diese von dir beschriebene Unruhe hatte ich auch, aber sie war gut aushaltbar, auch aufgrund des Medikamentes.

    LG Berlin

    Wer vergleicht, verliert - stimmt. Ein Vergleich (vor allem der "nach unten") ist ja auch immer eine Hintertür, die man sich offen hält und man wertet damit sein Selbstwert auf. Glück zu haben ist das eine, ich denke, es gehören noch Resilienz, ein stabiles Umfeld und die Fähigkeit der Antizipation dazu, um nicht komplett abzurutschen wie "Ottonormalsäufer" auf der Parkbank. Das macht meinen eigenen Konsum und mich als Menschen nicht besser, aber den Start in ein abstinentes Leben einfacher. Ich muss nicht wieder von vorne anfangen - Familie, Job, Wohnung, Freunde, Hobbies usw. sind mir geblieben. Dafür bin ich dankbar.

    Netflix & Co (ich glaube es gibt fast keinen Streamingdienst den ich nicht habe) ist schon lange im Repertoire aufgenommen. Ich lese sehr gerne (habe ca. 800 Bücher) und spazieren gehe ich jeden Abend mit meinem Hund. :lol: Handarbeiten und Radfahren ist nicht so meins. Die Bude ist frisch renoviert und neu eingerichtet - vor meiner akademischen Ausbildung habe ich Malerin/Lackiererin gelernt und da ist sowas auch im betrunkenen Zustand ein Klacks.

    Ich gehör(t)e zu den sogenannten sozial verträglichen oder auch angepassten Trinker*innen. Das Trinken war in meinen Alltag integriert, stellenweise stiftete der Alkohol auch Identitäten. Ich kümmerte mich um meine Kinder, Haushalt, Haustiere, kochte fast täglich, pflegte meine Mutter und ging arbeiten. Der Alkohol war dann da, wenn ich Zeit hatte - das erste Bier zum Feierabend, das Bier zum Essen, das Bier zum Film, das Bier im Park, wenn ich mit meinem Hund draußen war, das Bier zum Kochen, das Bier beim Putzen/ aufräumen usw. usf. Deshalb fiel es mir ja so schwer, damit aufzuhören - zwischen der letzten Abstinenz und heute liegen immerhin 12 Jahre in denen ich trank. Ich muss mir nun Stück für Stück mein Leben zurück holen und den Platz, den der Alkohol in meinem Alltag eingenommen hat, mit sinnstiftenden Aktivitäten füllen.

    Heute ist Tag 13 und mir geht es gut. Ich schaue in meine Zukunft und freue mich auf neue Projekte - ich wollte z.B. immer ein drittes Studium machen und einen Sprachkurs in Russisch (habe aus meiner Schulzeit nur noch rudimentäre Kenntnisse). Noch würden mich diese Projekte überfordern, aber die Vorbereitung darauf, kann ich ja schon mal in Angriff nehmen. Mal schauen, wie viele Gehirnzellen noch da sind. :lol: Und ich schleiche seit Tagen um Thomas Manns "Die Buddenbrooks" rum, habe das Buch vor ein paar Jahren schon mal gelesen, ich bin großer Fan von seinen Werken und würde es gerne ohne Nebel im Kopf noch einmal lesen.

    Heute ist Tag 10 - körperliche Entzugserscheinungen sollten nun kein Problem mehr darstellen, aber da ich Medikamente dagegen hatte, litt ich lediglich etwas unter Schweißausbrüchen. Psychisch liegt noch eine Menge Arbeit vor mir und mein Notfall- und Motivationskoffer wird voller.

    Heute morgen freute ich mich, dass ich völlig klar und ausgeschlafen den Tag starten konnte - kein fahler Geschmack im Mund, kein dumpfes Pochen im Kopf, keine geröteten Augen und keine miese Laune. Auf Arbeit ist gerade die Hölle los, aber ich mag das gern so. Die größte Herausforderung ist derzeit, die Lücken am Abend sinnvoll zu füllen. An Hobbys würde es nicht mangeln, aber manchmal überfordert mich meine "freie" Zeit etwas.

    Hallo Berlin,

    herzlich willkommen bei uns und herzlichen Glückwunsch zu Deinem Entschluss, trocken zu bleiben.

    Ich bin auch erst seit ein paar Tagen hier, fühle mich aber sehr wohl.

    Ich bin die Frau eines Korsakov Patienten.

    Wie Du schreibst, zack, so schnell kannste nicht gucken...

    Hallo Barbara,

    vielen Dank. Ich habe Deine Geschichte im offenen Bereich gelesen - tatsächlich auch mehrfach. Ich kenne einige Menschen mit Korsakow und kann nur erahnen, wie schlimm es für nahe Angehörige sein muss, vor allem in der Ausprägung, die deinen Mann betrifft. Dass es mich treffen "könnte" wusste ich auch wenn ich strunzendvoll war, es war mir nur egal - wie so vieles andere auch. Einzig der Rausch zählte. Mein Mann kennt mich abstinent und in sämtlichen Facetten meiner Rauschzustände. Ich habe ihm einiges zugemutet, die "Aussprache" dazu fand noch nicht statt und wird auch noch warten müssen. Zunächst muss ich stabil werden, ich bin gerade erst an Tag 9, noch sehr auf mich selbst konzentriert und zu einer umfangreichen Selbstreflektion emotional (noch) nicht fähig.

    LG Berlin

    Vielen Dank Alex, Thalia und Bolle.

    Wegen des Austausches bin hier ;) Meine damalige SHG war toll. Dort war man ein paar Monate in der Anfängergruppe und wenn man stabil genug war, wechselte man in die Fortgeschrittenengruppe. Leider kam ich da nicht gut zurecht und ich ging nach 1,5 Jahren nicht mehr hin. Das ging 4,5 Jahre gut und dann kam der eine Moment, in dem ich alles Gelernte dem Gedanken am Alkoholkonsum opferte. Ich kann mich noch gut an die "Lautstärke" der Alarmglocken erinnern und wie schnell sie nach dem Glas Sekt verstummten. Mein Hypothalamus tanzte Tango. Damit besiegelte ich das Ende meiner Abstinenz und ich hatte seither einige unangenehme Situationen, Filmrisse, Gespräche und Tage - oh man, was ich im Suff nicht alles bestellt habe :roll: oder wie oft ich tagelang nichts aß - kann sich keiner ausdenken. Tatsächlich sind auch nur meine Nieren-, Blutfett- und Zuckerwerte gut. Meine Leberwerte (Gamma GT, GPT) sind erhöht, diese Werte checkte meine Ärztin nach meinem Geständnis. Ein Jahr vorher waren die Werte noch okay - Alkoholismus (aktiver Konsum) ist immer ein Spiel mit dem Leben und man weiß nie, welche Nerven das Gift erwischt - es kann so schnell gehen und zack Wernicke-Enzephalopathie oder sogar Korsakow-Syndrom. Das möchte ich nicht, ich möchte leben.

    Guten Abend,

    seit einigen Tagen lese ich hier mit und allmählich wird es Zeit, aus meinem Versteck zu kommen.

    Ich bin weiblich, 44 Jahre und befinde an Tag 8 meines Entzuges.

    Meine Suchtkarriere fing mit 24 Jahren an. Damals bin ich innerhalb von zwei Jahren von gelegentlich (1-2x im Jahr) auf beachtliche 8-12 ( also 4-6 Liter) Bier pro Tag gekommen - an manchen Tagen auch mehr. Entlarvt von meiner damaligen Hausärztin und voller Scham begab ich mich zu einem Psychiater und Suchtmediziner. Es folgten Entgiftung, Entwöhnung (beides ambulant), eine reale SHG und ca. 6 Jahre Abstinenz. Dann probierte ich ein Glas Sekt - was sollte schon passieren, ich hatte mich ja schon so lange im Griff gehabt?! Anfangs lief es gut. Ich hatte in meiner trockenen Zeit mein Abitur nachgeholt und war nun mitten im Studium. Der Konsum war eine Zeitlang moderat und meine Noten super. Ich schloss letztlich mit "Exzellent" ab und schloss gleich mal ein Masterstudium an. Der Konsum stieg peu a peu und integrierte sich immer mehr in meinen Alltag, aber auch meinen Master schloss ich mit 1. Ich hatte einen guten Job, Kinder, Mann, Freunde und führte ein gutbürgerliches Leben - habe es immer noch. Also war alles in Butter - dachte ich.

    Vor einem dreiviertel Jahr war ich zu meinem Quartals-Check bei meiner Hausärztin (eine andere als damals) und diese lobte meine Blutwerte (Niere, Cholesterin, Zucker) und da platzte es aus mir raus: Das kann bei meinem Alkoholkonsum gar nicht sein! Im anschließenden Gespräch erzählte ich ihr, dass ich wie schon einmal bei 8-12 Bier tgl. bin und es faktisch keine Trinkpausen mehr gibt. Sie fragte mich, ob ich aufhören möchte und das erste mal nach vielen Jahren benutzte ich keinen Konjunktiv bzgl. des Trockenwerdens. Als sie eine Klinik vorschlug, lehnte ich das rigoros ab - das hat seine Gründe, die ich an dieser Stelle nicht erläutern möchte - und wir sprachen über ambulante Möglichkeiten. Sie verschrieb mir ein Medikament (sehr niedrig dosiert), welches ich wegen der Entzugserscheinungen nehmen sollte. Dieses flutete kaum an und wir erhöhten die Dosis. Trotzdem dauerte es noch einmal 4 Monate bis der erste Tag kam, an dem ich mein erstes Glas stehen ließ.

    Derzeit packe ich meinen "Notfallkoffer" und enttarne meine Trigger. Meine häusliche Umgebung ist soweit alkoholfrei - eine halbe Flasche Rum steht noch im Schrank. Die nimmt mein Mann morgen mit auf Arbeit - dass wir das nicht wegkippen bei dem Flaschenpreis kann ich verstehen, aber im Haus möchte ich das auch nicht haben. Mein Mann trinkt selten Alkohol und hat kein Problem zu Hause nichts zu trinken. Mein restliches privates Umfeld trinkt bis auf einige wenige Ausnahmen keinen/ selten Alkohol und auf diese "Ausnahmen" kann ich verzichten, denn letztlich sind es Saufbekanntschaften oder Menschen die nur mit Alkohol Spaß haben können.

    Meine "Mantras" - sofern man das so sagen kann sind:

    Heute lasse ich das erste Glas/ die erste Flasche stehen.

    Es gibt keine Gründe Alkohol zu trinken - nur Anlässe, derlei habe ich als Alkoholikerin selbst geschaffen.

    Einsicht nützt gar nichts - wenn man keine Taten folgen lässt.

    Ich freue mich hier zu sein und hoffe auf einen guten Austausch.

    VG Berlin