Guten Abend,
seit einigen Tagen lese ich hier mit und allmählich wird es Zeit, aus meinem Versteck zu kommen.
Ich bin weiblich, 44 Jahre und befinde an Tag 8 meines Entzuges.
Meine Suchtkarriere fing mit 24 Jahren an. Damals bin ich innerhalb von zwei Jahren von gelegentlich (1-2x im Jahr) auf beachtliche 8-12 ( also 4-6 Liter) Bier pro Tag gekommen - an manchen Tagen auch mehr. Entlarvt von meiner damaligen Hausärztin und voller Scham begab ich mich zu einem Psychiater und Suchtmediziner. Es folgten Entgiftung, Entwöhnung (beides ambulant), eine reale SHG und ca. 6 Jahre Abstinenz. Dann probierte ich ein Glas Sekt - was sollte schon passieren, ich hatte mich ja schon so lange im Griff gehabt?! Anfangs lief es gut. Ich hatte in meiner trockenen Zeit mein Abitur nachgeholt und war nun mitten im Studium. Der Konsum war eine Zeitlang moderat und meine Noten super. Ich schloss letztlich mit "Exzellent" ab und schloss gleich mal ein Masterstudium an. Der Konsum stieg peu a peu und integrierte sich immer mehr in meinen Alltag, aber auch meinen Master schloss ich mit 1. Ich hatte einen guten Job, Kinder, Mann, Freunde und führte ein gutbürgerliches Leben - habe es immer noch. Also war alles in Butter - dachte ich.
Vor einem dreiviertel Jahr war ich zu meinem Quartals-Check bei meiner Hausärztin (eine andere als damals) und diese lobte meine Blutwerte (Niere, Cholesterin, Zucker) und da platzte es aus mir raus: Das kann bei meinem Alkoholkonsum gar nicht sein! Im anschließenden Gespräch erzählte ich ihr, dass ich wie schon einmal bei 8-12 Bier tgl. bin und es faktisch keine Trinkpausen mehr gibt. Sie fragte mich, ob ich aufhören möchte und das erste mal nach vielen Jahren benutzte ich keinen Konjunktiv bzgl. des Trockenwerdens. Als sie eine Klinik vorschlug, lehnte ich das rigoros ab - das hat seine Gründe, die ich an dieser Stelle nicht erläutern möchte - und wir sprachen über ambulante Möglichkeiten. Sie verschrieb mir ein Medikament (sehr niedrig dosiert), welches ich wegen der Entzugserscheinungen nehmen sollte. Dieses flutete kaum an und wir erhöhten die Dosis. Trotzdem dauerte es noch einmal 4 Monate bis der erste Tag kam, an dem ich mein erstes Glas stehen ließ.
Derzeit packe ich meinen "Notfallkoffer" und enttarne meine Trigger. Meine häusliche Umgebung ist soweit alkoholfrei - eine halbe Flasche Rum steht noch im Schrank. Die nimmt mein Mann morgen mit auf Arbeit - dass wir das nicht wegkippen bei dem Flaschenpreis kann ich verstehen, aber im Haus möchte ich das auch nicht haben. Mein Mann trinkt selten Alkohol und hat kein Problem zu Hause nichts zu trinken. Mein restliches privates Umfeld trinkt bis auf einige wenige Ausnahmen keinen/ selten Alkohol und auf diese "Ausnahmen" kann ich verzichten, denn letztlich sind es Saufbekanntschaften oder Menschen die nur mit Alkohol Spaß haben können.
Meine "Mantras" - sofern man das so sagen kann sind:
Heute lasse ich das erste Glas/ die erste Flasche stehen.
Es gibt keine Gründe Alkohol zu trinken - nur Anlässe, derlei habe ich als Alkoholikerin selbst geschaffen.
Einsicht nützt gar nichts - wenn man keine Taten folgen lässt.
Ich freue mich hier zu sein und hoffe auf einen guten Austausch.
VG Berlin