Ihr Lieben,
da bin ich wieder - es waren turbulente und sehr anstrengende Wochen.
Ich glaube als ich mich hier angemeldet hatte, war mein Freund fast auf dem Höhepunkt seiner bisherigen Saufkarriere und ich entsprechend am Tiefpunkt und am Ende dessen was ich noch ertragen konnte.
Ihr erinnert euch? Er war auf dem Weg zu seinem Vater und der telefonische Kontakt ist abgebrochen?
Er hatte zu dem Zeitpunkt wieder eine psychotische Phase, weswegen ich auch überlegt hatte die Polizei anzurufen - einfach um andere zu schützen.
Auch wenn ich denke, dass er im normalen Zustand harmlos ist, kann ich absolut nicht einschätzen wie er reagiert, wenn er wieder im Wahn ist - er leidet dann unter Verfolgungswahn und ich selbst bin in diesen Phasen immer sehr auf Abstand und auf der Hut gewesen.
Ich habe geschrieben, dass er fast auf dem Höhepunkt war, denn es wurde dann natürlich alles noch viel schlimmer.
Bei der geplanten Entgiftung, kam er morgens um 9 Uhr mit 2 Promille im Krankenhaus an - die haben ihm aber trotzdem Tabletten, etc gegeben und ihn wieder nach Hause geschickt.
Das war dann die absolute Horror Woche für mich, denn ich wusste überhaupt nicht, was er alles genommen hatte -
so viele BlackOuts, Psychosen in der kurzen Zeit. Die Entgiftung wurde natürlich seitens der Klinik abgebrochen.
Ich selbst hatte einige Zusammenbrüche und hing oft am Nottelefon.
Und dann als ich heulende mit einer Seelsorge sprach, kam der Moment an dem ich merkte: "Du musst jetzt los lassen.
Wenn du das überstehen willst, dann muss du los lassen und all den Müll bei ihm belassen,"
Ich bin seitdem auch relativ distanziert, was den Suchtmenschen angeht und kann mich gut abgrenzen und meine Grenzen noch mehr definieren,
Daraufhin hat er es tatsächlich geschafft eine zweite Entgiftung durchzuziehen.
Es gibt natürlich immer wieder Auf und Abs, aber er macht dass alles ganz gut, auch wenn er nicht besonders gut vom System aufgefangen wurde und ohne Therapie da steht - aber er kümmert sich auch nicht und ich - ich mache das auch nicht mehr für ihn. Das ist jetzt seine Aufgabe.
Die Frage ist gerade, ob wir es als Paar schaffen - denn dieses Ruhe die für mich entstanden ist, hat mir das erste mal seit langem die Zeit gegeben zu realisieren was da eigentlich alles passiert ist. Was das alles mit mir gemacht hat. Wie tief die vielen hässlichen Worte sitzen. Wie viele offene Wunden es noch gibt. Leider kann ich das auch nicht mit ihm aufarbeiten, denn dann geht es ihm wieder schlecht - also halte ich meinem Mund, wieder um ihn zu schützen (ok - über dieses Aussage muss ich noch mal länger nachdenken).
Und gleichzeitig sitzt er da und leckt seine Wunden, schämt sich wahnsinnig, leidet darunter was er mir angetan hat und er begibt sich in einen neuen Strudel - diese mal ist es die Depression.
Letztendlich ist es nach der Entgiftung ruhiger geworden, aber nicht unbedingt besser - diese Grübelei ist immer noch da, diese ewig langen Monologe - ich frage mich ernsthaft ob er ein Leben im Leid bevorzugt.
Ich kann das auch alles nicht mehr hören und komme mir oft zu hart vor, wenn ich Gespräche abkürze, sage dass ich das nicht hören will oder einfach, ohne Rücksicht auf ihn, mein Ding mache.
In letzter Zeit frage ich mich, ob es den Menschen den ich kennen und lieben gelernt habe überhaupt noch gibt?
Denn obwohl er gerade trocken ist, blitzt da immer mal wieder das Wesen des nassen Alkoholikers durch.
Ist das jetzt sein neues Ich? Oder gibt sich dass wieder? Oder kommt das von den vom Alkohol ausgelösten Psychosen?
Vielleicht trinkt er auch wieder - kann natürlich auch sein.
Er ist tatsächlich ein absoluter Suchtmensch, dass ist mir jetzt klar geworden. Wenn es nicht der Alkohol ist, dann wird er sich was anderes um sich zu stimulieren. Weiß nicht, wie ich das finde.
Es war auf jeden Fall der richtige Zeitpunkt mich hier anzumelden - es hat mir viel gebracht hier zu lesen, ich bin jetzt klarer. Wahrscheinlich sehen es hier viele nicht als Fortschritt, dass ich noch mit ihm zusammen bin. aber ich habe meine Grenze gezogen und diese auch kommuniziert . Ich hoffe sehr, dass ich dann auch konsequent bleibe, aber ich finde ich bin schon auf einem guten Weg.
Mal schauen was die Zukunft bringt - ich hoffe es werden nur noch die schönen Sachen sein.
Danke fürs lesen! xx