Hallo ihr Lieben, ich habe mich jetzt einige Zeit nicht gemeldet. Meine Gefühlslage schwankt tage- manchmal stundenweise zwischen "es ist eigentlich entspannter ohne ihn" und "ich vermisse ihn so furchtbar, ich halte es nicht aus".
Mitte August war er noch mitten in seiner Trinkphase ( die dieses Mal mit gut vier Wochen fast doppelt so lange war, wie "normalerweise" ).
Am 17.08. habe ich das letzte Mal hier erzählt, dass ich Kontakt per sms mit ihm hatte. Eigentlich hatte ich zu der Zeit gedacht, ich würde es jetzt schaffen, nicht mehr auf seine Nachrichten zu antworten. Ich weiß, ich hätte ihn auch für den sms-Kontakt blockieren können, aber ich schaffe das immer noch nicht. Er ist nur auf WhatsApp blockiert. Das war immer unser Haupt-Kommunikationskanal.
Um es kurz zu machen: Ich habe es noch eine weitere Woche nicht geschafft, auf seine Nachrichten nicht einzugehen, obwohl ich an der Art seiner Nachrichten sehr gut erkennen konnte, dass er immer noch betrunken ist. Immerhin habe ich es soweit geschafft, ihm an den meisten Tagen nur ein- oder zweimal täglich zu antworten und immer den gleichen Standardtext in Wiederholung zu schicken: "Ich kann mit Dir nur in Kontakt sein, wenn Du in intensive Therapie gehst und an Deinem Verhalten arbeitest." Ich weiß, dass das nichts bringt. Ich hab das in der Vergangenheit schon gemacht, und es kommt nicht an. Er dreht den Spieß dann eher noch um, und lässt mich wissen, dass ICH diejenige von uns beiden bin, die sich einen gescheiten Therapeuten suchen muss, oder es kommen wirre Nachrichten, in denen er beschreibt, welche Umstände und welche Menschen schuld sind, dass er einfach auf keinen grünen Zweig kommt. Er - das Opfer der schlimmen Umstände.
Vor etwa einer Woche ich dann plötzlich statt Textnachrichten Selfies geschickt bekommen. Da wusste ich, dass er dabei ist, sich selbst gerade mal wieder einen Entzug zu verpassen. Dieses Muster kenne ich aus der Vergangenheit. Nach diesem Entzug den er sich verpasst ( er macht das sehr geschickt, in dem er täglich weniger trinkt und nach und nach das Hochprozentige gegen Milderes austauscht ) kommt immer eine Phase, in der es ihm körperlich sehr schlecht geht und er zugänglich ist für Therapievorschläge. Aber dann schlägt das plötzlich um in eine Art Manie/Euphorie und er hat plötzlich tausend hochfliegende Ideen, für welche Jobs er sich jetzt bewirbt und was er alles in seinem Leben ändern wird ( natürlich wird er nicht mehr trinken, sein Leben voll im Griff haben etc ), um jetzt doch endlich die gewünschte Karriere zu erleben... bis dann in sechs Wochen der nächste Absturz kommt. Diesen Kreislauf habe ich endlose Male in der Form erlebt, seit ich ihn kenne.
Warum erzähle ich euch das gerade eigentlich? Ich kann mich gerade nicht erinnern. Vielleicht auf einfach nur, um mir die Erinnerungen von der Seele zu schreiben und es irgendwie aufzuarbeiten.
Auf diese Selfies, die er mir geschickt hat, habe ich nicht mehr reagiert. Da war dann doch auch bei mir ein Punkt erreicht, an dem ich gemerkt habe, dass das alles gerade so überhaupt keinen Sinn hat. Sollte er jetzt im nüchternen Zustand nochmal in unseren letzten sms-Austausch schauen, wird er dort meine letzte Ansage sehen in zig-facher Wiederholung. Ich glaube nicht, dass es ihn zu Änderungen bewegt. Auch nicht, wenn er mich dadurch verliert, dass er nicht an sich arbeitet. Er ist jetzt völlig allein ( bis auf Mutti 2 evtl - ich weiß nicht, wie die beiden inzwischen zueinander stehen ). Er kennt hier in D niemanden und selbst in seinem Herkunftsland ist nur noch seine Ursprungsfamilie, mit der er sich nicht gut versteht und nur immer den lieben Sohn spielt. Er ist Langzeitarbeitslos und völlig am Ende.
Wie gehts mir mit all dem? Ich schwanke wie zu anfang erwähnt. Manchmal geht es mir wirklich ganz gut. Ich gehe jetzt täglich ins Tierheim ( das habe ich früher schon gemacht ) und helfe dort für eine Stunde ehrenamtlich. Das tut mir sehr gut und ich habe das Gefühl, etwas sinnvolles zu tun. Wenn es mir schlecht geht, fühle ich mich melancholisch und betrauere, was sein könnte, wenn er doch... ihr wißt schon. Ich versuche dann, die Trauer zuzulassen und nach einer Weile auch wieder zu sagen: "Stop. Trauer, ich fühle Dich, aber ich muss jetzt mal wieder zurück ins Leben." und mir dann etwas Gutes zu tun und mich zu beschäftigen.
Ich gehe davon aus, dass er mich im nüchternen Zustand nicht kontaktieren wird. Da ist ihm sein Stolz im Weg. An den meisten Tagen bin ich klar genug in mir, um zu wissen, dass ich ihn nicht kontaktieren sollte. Dass es nichts bringt. In wenigen Momenten bin ich sehr stark in Versuchung ihm schreiben und meiner Sucht nach ihm nachzugeben. Seit einer Woche halte ich durch und tue es nicht.
Danke, dass ihr da seid. Es hilft mir immer wieder sehr hier zu lesen und zu schreiben. Danke.