Huhu Erik,
ich bin eher selten im Offenen Bereich und ich kenne Deine Geschichte daher nur sehr vage.
Deine letzten Beiträge haben mich aber sehr angesprochen, da ich selber auch oft in so einem Gefühl der Unzufriedenheit und Aussichtslosigkeit stecke.
Ich bin nun ein paar Jahre rückfallfrei; trotz allem kenne ich so ein Gefühl der Leere und Unbefriedigtheit in meinem Leben noch immer sehr gut. Manchmal denke ich, es wäre einfacher, dorthin zurückzugehen wo ich herkomme (schwerst alkohol- und drogensüchtig auf der Strasse lebend), als weiterhin an mir zu arbeiten und mich dem Leben immer und immer wieder nüchtern zu stellen. Das trockene/cleane Leben sollte doch bitte massenweise Zufriedenheit, Gelassenheit, Zuversicht, Glück, Partnerschaft, Unternehmungslust, tiefe Freundschaften, ... bescheren; schliesslich hätte ich es doch wirklich verdient (und ich meine das relativ ernst! ). Da strenge ich mich an, trocken und clean zu bleiben; stelle mein halbes Leben auf den Kopf, achte so gut es geht auf mich, gehe arbeiten, versuche meine Kinder zu erziehen, .... .
Und als Gegenleistung bekomme ich im Glücksfall das Gefühl "weder-gut-noch-schlecht". So ein bisschen mehr Glücklichsein sollte doch schon drin liegen ... .
Immer im Frühling kommt bei mir so ein Gefühl des Ausbrechen-wollens hoch. Der Wunsch, wie früher die Tage (kiffend und trinkend) am See zu verbringen; nach Freiheit, Unbekümmertheit und Freundschaft. Doch mir wird meistens relativ schnell klar, dass es nie wieder so sein wird (wäre) wie früher. Ich habe mich verändert und auch meine Bedürfnisse sind nicht mehr die gleichen. Ich bin ungerne mit alkoholisierten Menschen zusammen und erst recht mit Menschen, die sich gerade harte Drogen reingepfiffen haben. Es ist einfach nicht mehr meine Welt. Oft denke ich, früher sei alles einfacher gewesen. Aber es gibt für mich kein Zurück mehr .... zu sehr habe ich mich mit meiner Krankheit auseinander gesetzt und zu gut kenne ich jetzt die Mechanismen der Sucht. Ich könnte nicht mehr sorglos ein paar Bier trinken. Die Zeit, als ich voll aufgeputscht an einer after-after-party rumgezappelt bin ist sowieso vorbei.
Wir entwickeln uns (iin der Regel ) immer weiter und nie wird wieder was genau wie früher sein. Wir haben mehr (Lebens-) Erfahrung und mehr (Hintergrund-) Wissen.
Mein Impuls ist, Dir zu raten (was ich sonst nicht oft tue), Dich ganz bewusst vom Buch "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" zu trennen. Dieses war bei mir auch Anfang allen Übels. Mich hat das Kaputte und Selbstzerstörerische auch schon immer angezogen. Das Buch sollte wohl mal abschreckend wirken, hat bei mir aber das Gegenteil ausgelöst. Ich fände es ein wichtiges Zeichen von Dir an Dich selber, dieses Buch als Symbol des Hanges an Kaputtsein und Selbstzerstörung hochoffiziell zu verbrennen oder im Mülleimer zu versenken. Was ist es, das Dich dieses Buch so hüten lässt? Darin steht viel Junkie-Romantik. Die tatsächliche Härte, Kälte, der Dreck ist in der Realität ja eh anders.
Ob Dich das jetzt irgendwie weiterbringt, bezweifle ich, ich wollte Dir nur sagen, dass ich alles, was Du schreibst (sogar die Unmengen an RedBull) sehr gut nachvollziehen kann; dass ich versuche meine Entwicklung und Veränderung zu akzeptieren und damit haushalte, was ich habe. Ich lerne jetzt nach all den Jahren erst, zu mir und meiner Meinung zu stehen. Das erscheint von aussen wohl als längst überfällig und selbstverständlich. Aber für mich ist`s ein weiterer kleiner Schritt in die richtige, gesunde Richtung und das macht mich stolz. Ich versuche mich mehr auf die kleinen Fortschritte und hübschen Dinge zu konzentrieren, als auf all meine Defizite. Es gibt immer Menschen, denen es noch schlechter geht ... aber das festzustellen hilft mir ja nicht weiter - ich stecke in MEINEM Leben drin und es ist MEIN Empfinden und somit ist mein Leiden auch berechtigt und niemals falsch. Ich sollte mich nur nicht allzulange darin suhlen, um`s nicht noch zu verstärken.
Du bist ganz richtig Erik, genau so wie Du bist! Du bist mit uns auf dem Weg und ich würde mir sehr wünschen, dass Du das auch weiterhin (vielleicht sogar etwas öfters) bleibst.
Es ist auch so, dass einige trockene Alkoholiker nie Suchtdruck hatten und haben - ich hatte lange deftigen Suchtdruck und auch heute kommt noch immer mal wieder ein Gefühl des Verzichts auf. Trotzdem ist meine Trockenheit, meine Arbeit an mir nicht minderwertiger ... einfach anders.
Und je mehr ich mich mit meinen veränderten Bedürfnissen anfreunde, und diese ernst nehme, desto öfter habe ich jetzt auch ein Gefühl des "bisschen-besser-als-weder-gut-noch-schlecht" .
Jetzt habe ich Dich aber wacker vollgelabert .
tschüss, liv