Hallo zusammen,
ich bin ja jetzt nicht das Musterbeispiel für eine langzeittrockene Durchstarterin , möchte aber trotzdem meinen Senf dazu hierlassen.
In nassen Zeiten war ich tatsächlich mehr unter Leuten, meistens als Anhängsel meines Ex. Es wurde da immer kräftig gebechert und ich hab mitgetrunken, mich allerdings nie betrunken. Das war mir in Gesellschaft zu peinlich. Das hab ich dann daheim nachgeholt.
Als ich trocken geworden bin, habe ich dann mit meiner sozialen Inkompetenz herumgekämpft - es fällt mir bis heute schwer, mich anderen gegenüber durchzusetzen. Das wird wohl noch ein langer Weg für mich . Ich hab mich also weiterhin brav zwischen all die Trinkenden gesetzt, bloß nicht auffallen, bloß keinen Ärger anzetteln, keine Ecken und Kanten.
Schnell habe ich dann gemerkt, dass mich das regelrecht zerstört hat. Zu sehen, wie all die netten Menschen, mit denen ich angeregte Gespräche führen konnte, nach und nach zu sabbernden Idioten wurden. Wie mich der Alk antriggerte. Wie ich mich irgendwann nur noch fremdschämte, gegen Bedrängungen aller Art wehren musste und immerzu mit mir gekämpft hab, nicht doch nur ein kleines Gläschen zu trinken...
Irgendwann hab ich gemerkt, dass ich es in dieser Gesellschaft früher nur ausgehalten habe, weil ich selbst getrunken habe. Nüchtern haben mir viele von diesen Menschen nichts mehr gegeben, und ich fand ihre Gegenwart über mehrere Stunden nur noch anstrengend und ätzend. Und hin und wieder kam mir das Gefühl, dass es den anderen auch so geht.
Was soll ich also da? Wieso sollte ich mich freiwillig mit Menschen umgeben, die ich nur betrunken ertragen kann?
Irgendwann hab ich dann also den Mut gefasst, diesen Veranstaltungen fern zu bleiben. Zu fordern, dass in meiner Gegenwart kein Alkohol getrunken wird, traue ich mich bis heute nicht, also bleibe ich weg. Ich sage mittlerweile zwar dass ich wegbleibe weil ich nicht unter trinkenden Menschen sitzen will (großes Kino für mich ), aber mein Umfeld zieht daraus keine entsprechenden Schlüsse, also bleibe ich weg.
Mir geht es so ähnlich wie Iowa: Ich bin ohnehin eher eigenbrödlerisch veranlagt und fühle mich alleine recht wohl. Habe zwei gute Freundinnen, die in meiner Gegenwart völlig selbstverständlich nichts trinken. Ich weiß, wie ich Kontakte knüpfen könnte, hab das hin und wieder auch mal versucht, leider waren die neuen Bekanntschaften dann doch trinkfreudig, so dass ich da wieder fern geblieben bin. Vereinsamt fühle ich mich auf keinen Fall.
Ich denke, grad die Zuschreibung des Trauerkloß kommt von den Trinkenden. Sie wollen sich selbst damit erhöhen, denn von jemandem zu sagen, er sei ein Trauerkloß, impliziert ja zwischen den Zeilen, dass man selbst genau das nicht ist. Oft steckt dahinter Neid oder der Trinkende weiß mit dem Nüchternen einfach nichts anzufangen - und umgekehrt.
Ich bin auch ein sehr humorvoller Mensch und lache gerne, aber die lustige Welt von Betrunkenen erschließt sich mir nicht mehr. Wenn jemand versucht "Alle meine Entchen" zu furzen oder die Katze des Gastgebers mit Bier zu beglücken, dann finde ich das definitiv nicht lustig.
Es ist natürlich aus so, dass man sich vor dem Alkohol nicht verkriechen kann, weil er einem im Stadtbild häufig begegnet. Aber gerade darum (!) muss ich mich ihm ja in meiner Freizeit nicht auch noch zusätzlich aussetzen. Es ist nicht möglich, sich gegen Alkohol "abzuhärten". Das Suchtgedächtnis bleibt ein Leben lang bestehen, und es bleibt im 15. oder 20. oder 30. Trockenjahr genauso gefährlich wie am ersten Tag.
Ich persönlich bin jedenfalls nicht mehr bereit, mich gesellschaftlichen Verpflichtungen zuliebe dieser Gefahr auszusetzen.
LG
Pleja, die Romanschreiberin