Vater verändert sich.....

  • Habe gestern mit meinem Vater telefoniert...... ich kann nicht mit ihm reden. Will ihn nicht sehen und kann ihm noch nicht mal sagen warum.
    Er erzählt mir stolz er habe aufgehört sein bier zu trinken, statt dessen nun Wein.
    Merkt er denn nicht das es genau das selbe ist, nur eben ein anderes Getränk???
    Die ganzen Sachen meiner Mama hat er weggetan... fliegt ohne sie in den urlaub.
    Sie ist nun 7 Monate Tod.... und ich fange an meinen Vater zu hassen.
    Wenn man sieht das seine eigene Frau krank ist weiter abnimmt, nichts ist, keine Kraft mehr hat zum laufen, wieso weißt man sie dann nicht ins Krankenhaus ein.... wieso hat er nichts gemacht???
    Und nun fängt er an sein Leben zu genießen. Meine Mama hatte Angst vorm fliegen. Aber nun auf einmal ist geld da für Sachen die vorher nicht möglich waren???
    Es kommt mir so vor als ob er sich befreit fühle als wenn der Klotz am Bein nun endlich weg ist.
    Ich habe Angst vor meinen eigenen Gefühlen.....
    danke
    cora

    Selbst ein Weg von 1000 Meilen, beginnt mit dem ersten kleinen Schritt.

  • Hallo Sonnenblume,

    ich kann verstehen, dass Dir Deine Mutter fehlt und dass es Dir die Sache nicht einfacher macht, dass Dein Vater trinkt. Mir geht es nicht anders, mir fehlt meine Mutter und mein Vater trinkt.

    Doch genauso wenig wie wir bei unseren Müttern etwas machen konnten, können wir das bei unseren Vätern. Weil wir einen Menschen an den Alkohol verloren haben, wird der Rest der Welt nicht aufhören zu trinken. So sehr wir den Alkohol auch verdammen, er wird wohl noch für lange Zeit in dieser Welt bleiben, ich tippe mal auf so lange wie es Menschen gibt. Also besser etwas akzeptieren, dass wir ohnehin nicht ändern können. Wir müssen den Alkohol nicht in unser Leben lassen, aber wir können nicht verhindern, dass er in der Welt ist.

    Denkst Du nicht, Du bist Deinem Vater gegenüber ungerecht? Was hätte er denn machen sollen, Deine Mutter einsperren lassen damit sie nicht mehr an Alkohol kommt? Sie zwangseinweisen lassen ins Krankenhaus oder zwangsversorgen durch Schwestern und Ärzte? Mal unabhängig davon das so etwas in diesem Land nicht möglich ist, Deine Mutter war ein freier Mensch mit freiem Willen, wie hätte das gehen sollen. Glaubst Du wirklich, sie hätte das mit sich machen lassen? Deine Mutter war erwachsen, für sich selbst verantwortlich und durchaus in der Lage das Maß an Verantwortung für sich zu übernehmen, dass sie wollte. Wenn Deine Mutter gewollt hätte, hätte sie selbst das Taxi rufen können, das sie zum Arzt gebracht hätte oder das Klino, das sie ins Krankenhaus gebracht hätte.

    Meine Mutter war im letzten Jahr bald mehr im Krankenhaus und in der Entgiftung als zu Hause. Sie ist trotz allem immer noch beim Arzt gewesen, wegen all der Krankheiten die sie durch den Alkohol hatte. Mein Vater hat sie immer gefahren. Er hat getan, er hat geredet, immer gedrängelt, sonst wäre sie sicherlich zu keiner einzigen Entgiftung im letzten Jahr gewesen. Die Termine hat sie übrigens immer selbst gemacht. Gebracht hat das alles nichts, kaum zu Hause hat sie spätestens nach 3 Tagen wieder getrunken. Er ist zum Schluss sogar hergegangen und hat sich selbst zu ihrem Kerkermeister gemacht und ihr den Alkohol zugeteilt. Allein die Vorstellung lässt mich schaudern, ich habe es zum Glück nur einmal erlebt. Meine Mutter hat ihn angebettelt. Mein Vater hat etwas getan, ob richtig oder falsch darum geht es jetzt gerade nicht. Er hat etwas getan und meine Mutter ist trotzdem tot. Sie ist nicht tot, weil mein Vater oder ich oder sonst wer nichts getan hat, sondern weil sie nichts getan hat.

    Ich kann Deinen Kummer nur zu gut verstehen, doch indem Du versuchst einen Schuldigen für den Tod Deiner Mutter zu finden tust Du Dir selbst keinen Gefallen. Es hat nur einen Menschen gegeben der dafür hätte sorgen können, dass Deine Mutter weiter gelebt hätte. Deine Mutter selbst! Sie und nur sie allein hätte rechtzeitig die Reißleine ziehen müssen und können. Doch sie wollte oder konnte nicht, das konnte ihr jedoch keiner abnehmen.

    Jeder Mensch trauert anders, der eine sichtbar, der andere unsichtbar für andere. Der eine braucht die Anwesenheit des Verstorbenen durch die persönlichen Dinge, der andere kann sie nicht ertragen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Dein Vater nicht trauert, er tut es nur anders als Du. Selbst wenn er nicht trauern sollte, wird er seine Gründe dafür haben. Es steht ihm genauso wie Dir zu, auf seine Art mit dem Tod Deiner Mutter umzugehen.

    Was ist falsch daran, wenn er sein Leben genießt? Es ist weder Dir noch ihm geholfen, wenn er sein Leben jetzt aufgibt. Ich denke mal, das wird auch letzte gewesen was Deine Mutter gewollt hätte, dass einer von Euch beiden sein Leben aufgibt. Ich weiß, dass meine Mutter es so nicht gewollt hätte, sie hat offen darüber gesprochen, auch wenn ich es nicht hören wollte. Sie wollte, dass wir beide glücklich sind, wenn sie mal nicht mehr ist. Ich bemühe mich für mich nach besten Kräften und es gelingt mir auch immer besser. Doch auch wenn ich Spaß am Leben habe, heißt das nicht, dass ich meine Mutter nicht vermisse. Sie wird mir immer fehlen. Doch sie kommt nicht dadurch wieder, dass ich mich aufgebe. Damit würde ich mir einen schlechten Dienst erweisen.

    Ich würde mir wünschen, mein Vater hätte etwas mehr von Deinem. Denn er gräbt sich ein, lebt genauso weiter wie vorher und es sieht bei ihm auch immer noch genauso aus wie vorher. Ich würde mich freuen, wenn er wieder mehr am Leben teilhaben würde, wieder aus seinem Loch herauskäme. Doch ich kann meinen Vater genauso wenig ändern, wie Du Deinen. Ich muss ihn machen lassen, es ist sein Leben. Ich würde mir wünschen, wir könnten uns gegenseitig helfen und stützen, aber das funktioniert irgendwie nicht. Wir haben einfach nicht den passenden Draht zueinander, was Gefühle angeht, nie gehabt. Dafür hatten wir immer einen Dolmetscher, meine Mutter. Den Dolmetscher gibt es jetzt nicht mehr. Doch wir versuchen im Rahmen unserer Möglichkeiten für einander da zu sein.

    Vielleicht solltest Du doch mal versuchen mit ihm zu reden, vielleicht könnt ihr euch gegenseitig helfen. Wenn es nicht klappt, dann leb Du Dein Leben und lass Deinen Vater seines Leben leben. Konzentriere Dich auf Dich, auf Deine Trauer und Dein Leben. Ich glaube damit hast Du genug zu tun.

    Eine gute Nacht wünscht…

    Skye

  • Hallo Skye... deine nachricht hat mich nachdenklich gemacht....
    Ich will ja nicht das mein vater nur trauert..... er soll ja weiter leben. Aber dennochH verstehe ich ihn nicht. Als meine Mutti noch gelebt hat, hatten sie noch nicht mal das geld um zur geburt ihres Enkelkindes zu kommen. Sie haben sie nur gesehen, als meine Schwester runter gefahren ist nachdem meine Nichte schon fast 1 1/2 geworden war. Und auch so sind sie nie groß weg gefahren. Ich bin auch nicht sauer das er ihre sachen wegtut aber das er sie verkaufen möchte....
    Er plant das Geld für Sachen ein, aber es steht noch nicht mal ein Grabstein.
    Ja ich bin wütend das er sie nicht eingeliefert hat. Aber er war auch oft beim Arzt für sie um Medikamente zu holen. Warum bestand er nciht darauf das der Arzt mal einen Hausbesuch macht???? Warum hat er solange gewartet mit der zwangeinweisung, obwohl sie immer wieder zu hause vor Schwäche zusammen gebrochen ist???? Sie war so schwach- er hätte etwas tun müßen.
    Und vorallem Dingen hätte er nicht in ihrem beisein trinken dürfen.... das ist ja wie verlockung. Genauso mit dem Rauchen. er hat immer 2 Zigaretten angemacht.... gleich eine für sie mit.
    lg cora

    Selbst ein Weg von 1000 Meilen, beginnt mit dem ersten kleinen Schritt.

  • Hallo K-chan... auch dir danke ich für deine Antwort....
    Vor dem Tod meiner Mutter war mein Vater zur mir mehr wie Aufpasser.. er wollte immer bestimmen. Und auch meine Mama vermittelte oft zwischen der ganzen Familie.
    Ich habe oben ja schon einges mehr dazu geschrieben...
    lg cora

    Selbst ein Weg von 1000 Meilen, beginnt mit dem ersten kleinen Schritt.

  • Hallo Sonnenblume,

    Zitat

    Aber dennoch verstehe ich ihn nicht.

    Zitat

    Er plant das Geld für Sachen ein, aber es steht noch nicht mal ein Grabstein.

    Warum fragst Du ihn dann nicht? Warum fragst Du ihn nicht, wenn Du etwas was er tut nicht verstehst? Warum fragst Du ihn nicht, warum noch kein Grabstein steht?

    Ich weiß nicht, wie Euer Verhältnis ausgesehen hat, als Deine Mutter noch lebte. Doch nun ist sie nicht mehr da, da heißt es eventuell umdenken und raus aus den eingefahrenen alten Mustern.

    Wie bereits gesagt, meine Mutter war früher immer der Dolmetscher zwischen mir und meinem Vater. Ich hatte mir einfach angewöhnt, sie anzusprechen wenn ich etwas wollte, egal was. Sie war auch mein Ansprechpartner wenn ich Probleme hatte. Ich wusste, dass sie dann auch mit meinem Vater spricht. Es ist mir immer schwer gefallen, ihn wegen etwas anzusprechen, u. a. auch weil ich ihn und seine Reaktionen so schlecht einschätzen konnte. Wenn ich im letzten Jahr diesbezüglich nicht schon umgedacht hätte, weil sie einfach nicht mehr ansprechbar war, weil sie nicht mehr für mich da sein konnte entweder mit ihren Entzugsproblemen oder mit ihrem Suff, dann hätte ich es spätestens jetzt getan, tun müssen. Es fällt mir immer noch nicht so leicht meinen Vater was gewisse Dinge angeht direkt anzusprechen. Doch wenn ich da nicht umgedacht hätte, hätte ich nicht nur meine Mutter verloren, sondern auch meinen Vater.
    Das hat mir keiner abgenommen, da musste ich schon selbst durch. Das konnte ich nicht auf ihn abwälzen, denn ich habe ja ihn nicht gefragt, nicht umgekehrt. Das ist etwas was allein in meiner Verantwortung liegt, in meiner Verantwortung für mich und mein Wohlergehen.

    Zitat

    Als meine Mutti noch gelebt hat, hatten sie noch nicht mal das geld um zur geburt ihres Enkelkindes zu kommen.

    Meine Eltern hatten auch für viele Dinge kein Geld. Zumindest war es das, was mir gesagt wurde. Doch mit der Zeit habe ich auch gemerkt, dass dieses Argument sehr häufig dafür verwendet wurde, wenn sie etwas nicht wollten. Sicherlich hat es Zeiten gegeben, da war gerade mal Geld für das absolut Lebensnotwendige da, aber die waren schon eine Weile vorbei. Das eine oder andere wäre jetzt schon drin gewesen, wenn der Wille da gewesen wäre. Meine Mutter war der Motor für Unternehmungen jeder Art. Meinen Vater hat das meiste nicht so sehr interessiert, dass er sich die Mühe gemacht hätte etwas selbst in Angriff zu nehmen. Außerdem hat er sich im Laufe der Jahre darauf verlassen, dass sie sich schon kümmert.

    Meine Mutter hat das die letzten Jahre immer weniger getan und zwar nicht wegen mangelndem Geld, sondern aus mangelndem Interesse. Zum einen macht Alkohol gleichgültig und desinteressiert, zum anderen wäre sie dann von der regelmäßigen Versorgung mit Alkohol abgeschnitten gewesen. Weiter war da dann immer noch die Gefahr der Entdeckung. Wie Du sicherlich auch erlebt hast, leben Alkoholiker in ihrer Scheinwelt, dass niemand merkt, dass sie trinken und ihnen jeder ihre Lügen glaubt. Außerhalb des gewohnten Umfeldes hat meine Mutter sich zum Schluss bedroht gefühlt, aus Angst vor Entdeckung und Bloßstellung. Irrational, es wusste ohnehin jeder, aber das konnte und wollte sie sich nicht eingestehen. Hast Du Dir zudem mal überlegt was das für ein logistischer und planerischer Kraftakt für einen Alkoholiker ist, sich seinen Stoff in der gewünschten Menge außerhalb seines Umfeldes zu besorgen und die Versorgung einigermaßen aufrecht zu halten? Er ist enorm! Der Alkohol ist das Wichtigste, irgendwann wird der Stress zuviel noch anderes daneben im Leben zu haben und dann wird das andere auf’s Abstellgleis geschoben, sogar die eigenen Kinder und Enkel. Traurig, aber leider auch wahr.

    Da stellt sich mir die Frage, ob bei Deinen Eltern es wirklich ein nicht können, sondern eher wie bei meinen ein nicht wollen war. Aus welchen Gründen auch immer.

    Zitat

    Ja ich bin wütend das er sie nicht eingeliefert hat. Aber er war auch oft beim Arzt für sie um Medikamente zu holen. Warum bestand er nciht darauf das der Arzt mal einen Hausbesuch macht???? Warum hat er solange gewartet mit der zwangeinweisung, obwohl sie immer wieder zu hause vor Schwäche zusammen gebrochen ist???? Sie war so schwach- er hätte etwas tun müßen.

    Da stellt sich mir immer noch die Frage, was er denn hätte tun sollen. Kannst Du sie mir mal genau beantworten?

    Weitere Fragen die sich mir stellen: Warum hat Deine Mutter es erst soweit kommen lassen? Warum hat sie nicht vorher etwas unternommen? Warum hat sie sich selbst aufgegeben?

    Das sind Fragen die nur Deine Mutter beantworten könnte. Das bedeutet auch, sie war für sich und ihr Wohl selbst verantwortlich, nicht Dein Vater. Weist Du was in ihr vorgegangen ist? Weist Du was bei Ihnen vorgegangen ist? Ich denke es gibt Bereiche in einer Ehe, die uns Kindern verborgen bleiben. Vielleicht ist das auch etwas das Du Deinen Vater mal fragen solltest, warum er nichts getan hat. Vielleicht bekommst Du eine Antwort und vielleicht eine die Du nicht hören willst.

    Meine Mutter ist in den letzten Jahren auch mehr als einmal gestürzt oder zusammen gebrochen, von den ganzen anderen Dingen die stionärer Versorgung bedurft hätten ganz zu schweigen. Doch wenn man nur das Wort Krankenhaus erwähnt hat wurde sie schon verquer und bockig. Krankenhaus?? Da gehe ich nicht hin, die behalten mich ohnehin da. Sie war immer erst ins Krankenhaus zu bekommen, wenn sie sich nicht mehr wehren konnte, weil sie bewusstlos war, sich einfach nicht mehr rühren konnte oder es so schlimm war, dass sie es selbst mit der Angst zu tun bekam. Sowie sie aber wieder einigermaßen auf den Beinen war, hat sie sich auf eigene Gefahr entlassen lassen. Da konnten sowohl mein Vater als auch ich reden wie wir wollten. Bis zum nächsten mal…. Der Alkohol zog sie immer wieder nach Hause.
    Zum Arzt ist sie nur deshalb regelmäßig gegangen, weil sie wusste, es geht anschließend wieder nach Hause. Auch wenn ich es mir manches mal gewünscht hätte, zwangseinweisen ging nicht, solange sie noch nein sagen konnte und das konnte sie immer sehr laut und deutlich sagen. Da konnte noch so gut sichtbar sein, dass sie besser im Krankenhaus aufgehoben war, solange sie nicht wollte, war nichts zu machen.

    Ich weiß, dass meine Mutter sich aufgegeben hatte. Was ich oder auch mein Vater getan hätten, sie wollte ihr Leben nicht mehr und wir konnten sie nicht daran ketten. Das lag außerhalb seiner und auch meiner Möglichkeiten. Diese Machtlosigkeit musste ich akzeptieren. Das war unendlich schwer, aber ich habe es geschafft, sonst hätte ich sie auch nicht in Frieden gehen lassen können.

    Zitat

    Und vorallem Dingen hätte er nicht in ihrem beisein trinken dürfen.... das ist ja wie verlockung. Genauso mit dem Rauchen. er hat immer 2 Zigaretten angemacht.... gleich eine für sie mit.

    Warum hat Deine Mutter den Raum nicht verlassen? Warum hat sie ihn nicht gebeten, es in ihrer Gegenwart zu unterlassen zu trinken? Wenn sie es getan hat, warum hat sie dann nicht die Konsequenzen gezogen und sich darum gekümmert, dass sie dem nicht mehr ausgesetzt war? Warum hat Deine Mutter die Zigarette genommen? Warum hat sie sie nicht verqualmen lassen? Warum hat sie nicht aufgehört zu Rauchen?

    Sie hätte all das tun können, wenn sie gewollt hätte. Das lag nicht im Verantwortungsbereich Deines Vaters, sondern im ihrem, denn es war ihr Leben.

    Wir alle sind für unser Leben selbst verantwortlich ohne wenn und aber und ohne Ausnahme. Jeder für sich trifft Entscheidungen, auch nichts zu tun ist eine Entscheidung. Jeder muss auch mit den Konsequenzen seiner Entscheidung klar kommen. Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob wir die Konsequenzen oder ihre Tragweite vorher absehen konnten. Wir haben eine Entscheidung getroffen und müssen mit dem Ergebnis klarkommen. Egal ob gut oder schlecht!

    Es hat lange gedauert bis ich mir das auch selbst eingestanden habe und es war zum Teil sehr schmerzhaft. Denn im Nachhinein habe ich gesehen, wie ich mein Leben durch Abwarten und Stillhalten aus der Hand gegeben habe. Ich habe Jahre verschenkt und musste letztendlich einsehen, auch das war meine Entscheidung. Eine Entscheidung die ich nicht bewusst getroffen habe, sondern dadurch, dass ich einfach nichts für mich getan habe. Dabei ist es auch unerheblich, dass ich zum Teil nicht das Handwerkszeug hatte, dass ich gebraucht hätte, denn ich hätte mir Hilfe holen können. Das war eine sehr bittere Erkenntnis.

    Unsere Mütter haben ihre Entscheidung getroffen, auch dafür waren sie selbst verantwortlich.

    Gruß
    Skye

  • Hallo Skye...deine Email hat mich sehr berührt. Und ich kann dir nun einige Fragen beantworten...
    Ich weiß nicht warum ich meinen Vater nicht frage, weil ich nicht mit ihm reden kann, und viellicht auch nicht will.
    Er war schon immer sehr dominant und herschsüchtig. ich hatte keinen respekt, sondern Angst.
    Und so wird es bei meiner Mama auch gewesen sein. Du hast recht, es gibt Seiten die weiß ich nicht, denn meine Mama hatte mir auch oft gesagt... Du weißt noch längst nicht alles.
    Ja warum hat sie nicht nein gesagt???? Das kann ich mir auch nicht beantworten... vielleicht weil es schon seit Jahren so war??? Ich kenne es nicht anders.Er hat ja immer alles für sie mit gemacht- Bier und Schnabs eingegossen... ohne sie zu fragen willst du, aber sie hat mit getrunken.
    Auch zu mir hat sie gesagt als ich sie bat ins Krankenhaus zu gehen... wenn ich da rein gehe komme ich nicht mehr raus.
    Ich habe mir auch noch nicht soviele Gedanken gemacht, wie mühsam es sein muss sich außerhalb seinen Umfeldes mit dem Alk zu versorgen, aber die sehe ich jetzt anders.
    Vielleicht gehören diese Gefühle nun dazu.... und die Wut auf meinem Vater kam jetzt erst zum Vorschein, jetzt wo der Vermittler nicht mehr da ist.
    Ich bin auch in Therapie und wir redeten über meinen Vater... und dsie sagte auch, das liegt viel Tiefer, aber die Illusion die ich hatte gibt es nun nicht mehr.
    Ich denke ich muss ihn noch viel mehr los lassen, mich abgrenzen, damit ich endlich kapiere... er will so leben... es ist sein Leben und ich bin die letzte die ihm da helfen kann.
    Aber wie schwer wird es denn noch????
    Ich danke dir für deine ehrlichen Worte...
    lg cora

    Selbst ein Weg von 1000 Meilen, beginnt mit dem ersten kleinen Schritt.

  • Liebe Cora,

    ich kann Dich zum Teil gut verstehen. Es ist ziemlich schwierig damit aufzuwachsen und noch schwieriger jemanden an den Alkohol zu verlieren.

    Irgendwie verlernen haben wir verlernt uns wirklich abzugrenzen und fuehlen uns zum Teil manchmal hilflos und weggestossen.

    Wichtig ist, all die Fragen, die in Deinem Kopf sind auch Deinem Vater zu stellen, einfach weil er Dir dann die Antworten drauf gibt und Du Dir nicht die Antworten darauf gibst. Alkoholismus ist eine sehr teuflische und sehr unterschaetzte Erkrankung in unserer Gesellschaft.

    Ich selbst kann Dir nur raten, sprich mit Deinem Vater und grenze Dich ab, Deine Mutter wird sicherlich auch gewusst haben, dass es ihre Entscheidung mit dem Alkohol war.

    Alles Liebe,

    Jenny

  • Hallo Sonnenblume,

    es ist noch gar nicht so lange her, da war mein vorherrschendes Gefühl Angst. Angst meine Mutter zu verlieren, Angst allein zu sein, Angst etwas falsch zu machen, falsche Entscheidungen zu treffen, Angst nicht gut genug zu sein, Angst nicht geliebt zu werden, Angst etwas nicht zu schaffen, Angst meinen Job zu verlieren, Angst vor der Angst. Einfach Angst, Angst vor allem und jedem, mein Leben, mein Denken, mein Handeln war von Angst bestimmt. Ich hatte auch nicht wirklich eine Idee, wie ich da raus kommen sollte. Lebensfreude war für mich ein Fremdwort. Ich habe Menschen, die scheinbar, problemlos durchs Leben gingen, denen alles gelang, die jeden Stein den sie in den Weg gelegt bekommen haben, scheinbar mühelos beiseite geräumt haben, die alles bekamen was sie wollten, immer beneidet. Ich war der festen Überzeugung nicht mal annähernd so was haben zu können.

    Ich kann nicht sagen, dass ich jetzt keine Ängste mehr habe, wäre schön wenn das so schnell ginge, doch es sind wesentlich weniger geworden. Mit den bis jetzt noch verbliebenen kann ich allerdings schon wesentlich besser umgehen, die meisten davon werden auch irgendwann eliminiert. Ich habe jetzt wieder etwas, dass sich Lebensqualität nennen darf. Ich kann auch nicht sagen, dass ich jetzt alles habe, um das ich andere beneidet habe, aber ich bin auf dem Weg und weiß wie ich es bekommen kann, zumindest das was ich jetzt noch will.

    Außerdem sehe ich inzwischen auch, dass die Menschen die ich früher so beneidet habe, auch Probleme haben. Zum Teil sind es Dinge die ich früher gar nicht als Problem angesehen habe, weil mein Leben ohnehin ein „Jammertal“ war. Mir ging’s ja ohnehin schon schlecht, da habe ich vieles als gegeben hingenommen oder besser gesagt meinem, wie ich meinte, ohnehin unabänderlichem Schicksal entsprechend angenommen. Zum anderen sehe ich jetzt aber auch, dass diese Menschen aktiv etwas getan haben und nicht wie ich die Hände in Schoss gelegt haben. Das habe ich nämlich getan, aus lauter Angst etwas falsch und damit noch schlimmer zu machen. Das Schlimmste was ich jedoch getan habe, war nichts zu tun. Ich war nur noch ein jämmerlicher Haufen Selbstmitleid.

    Zwei Dinge haben mir geholfen etwas zu ändern, die Einsicht, das es Dinge gibt auf die ich keinen Einfluss habe und die Erkenntnis, dass ich alles, egal was in meinem Leben bisher gemeistert habe.

    Ich bin meiner Angst mit Kontrolle begegnet. Ich habe versucht alles, jeden und jedes zu kontrollieren. Das ich nicht überprüft habe, ob ich meinen Hintern mitgenommen habe, wenn ich das Haus verließ, war alles. Ich war der Meinung, wenn ich die Kontrolle habe, kann ich der Angst entgehen, die Dinge und Situationen vor denen ich Angst hatte vermeiden. Ich kontrollierte und kontrollierte und musste doch immer wieder feststellen, dass ich nicht gut genug kontrolliert hatte, es war wieder etwas eingetreten vor dem ich Angst hatte. Also kontrollierte ich noch genauer. Wo das hingeführt hat kannst Du Dir sicherlich denken, nirgendwo hin oder genauer gesagt meinem eigenen Ende entgegen. Ich war am Ende soweit, dass ich gedacht habe am besten abends einschlafen und morgens nicht mehr aufwachen. Ich habe die Befürchtung, dass es von dieser passiven Haltung nicht mehr lange bis zum aktiven Handeln gedauert hätte.

    Es gibt Dinge die liegen außerhalb meiner Macht, da bin ich machtlos und das musste ich akzeptieren. Seitdem kann ich die Dinge besser auf mich zukommen lassen und auch mit ihnen umgehen wenn sie da sind. Denn ich brauche mich nur noch mit dem Problem beschäftigen und nicht mehr damit wie ich es hätte verhindern können, was von vorn herein nicht konnte.

    So geht es mir auch mit dem Tod meiner Mutter. Ich weiß nicht nur, sondern ich sehe und bin überzeugt davon, dass ich ihn nicht verhindern konnte. So habe ich jetzt Platz für meine Trauer, ich kann um meine Mutter trauern, ohne mir Vorwürfe zu machen, wie ich es in der Vergangenheit getan hätte.

    Ich war immer der Meinung ich hätte nichts geleistet, ich könnte nichts. Ich stehe auf eigenen Beinen, habe einen Job, ein Auto, ein Dach über dem Kopf, kann für mich selbst sorgen. Das habe ich immer als selbstverständlich angesehen, das hat man, das ist normal, das ist ebenso. Bestimmt habe ich das nicht als meine eigene Leistung angesehen. Ist es aber, es ist nicht selbstverständlich, es ist etwas auf das ich stolz sein kann. Das ich heute einen Job mache, der weit über meiner eigentlich beruflichen Qualifikation liegt, habe ich immer als Glück angesehen, nicht als Können. Ich war eben zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Mit Leistung hatte das in meinen Augen nichts zu tun. Heute sehe ich das anders, heute sehe ich das als Erfolg, den ich mir selbst erarbeitet habe. Ich habe gelernt zu sehen, was ich leiste und geleistet habe.
    Ich habe gelernt zu sehen, dass ich bisher für jedes Problem eine Lösung gefunden habe, dass ich alles, was ich so schrecklich und beängstigend fand, immer und irgendwie gemeistert habe, ich habe nie aufgegeben. Wenn die Lösung im Nachhinein betrachtet auch eine andere, bessere hätte sein können, egal ich habe es gelöst, ich habe nie aufgegeben. Ich habe es trotz all meiner Ängste immer geschafft eine Lösung zu finden, wie gut wird das erst ohne funktionieren. Das habe ich nie gesehen, heute sehe ich es. Ich kann etwas und ich habe etwas geschafft.
    Ein ganz einfaches Beispiel, ich backe sehr gerne. Meine Weihnachtsplätzchen finden immer guten Anklang. Auch das habe ich als normal angesehen, backen kann doch jeder, Weihnachtskekse sind doch keine Kunst. Doch sind sie, die meisten anderen können das lange nicht so gut, wie auch meine eigene Zunge leidvoll festgestellt hat. Früher hätte ich mich für eingebildet gehalten so was zu sagen oder meine Leistung eben abgewertet. Heute bin ich einfach stolz auf mich.

    Beides, die Einsicht in meine Machtlosigkeit was gewisse Dinge angeht und das Erkennen und Anerkennen meines eigenen Wertes, habe ich mir zum großen Teil in meiner Therapie erarbeitet. Was sich jetzt so einfach anhört hat mich sehr viel Schweiß und vorallem Tränen gekostet.


    Warum ich Dir das alles schreibe? Du schreibst:

    Zitat

    Aber wie schwer wird es denn noch????

    So schwer, wie Du es Dir selbst machst.

    Gruß
    Skye

  • Hallo Skye... dein Text hat soviel Wahrheit, und auch einiges worin ich mich selber sehe.
    Deswegen brauche ich auch nicht viele Worte sondern nur eines

    DANKE

    lg cora

    Selbst ein Weg von 1000 Meilen, beginnt mit dem ersten kleinen Schritt.

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