erst himmelhochjauchzend -- jezt zu tode betrübt

  • Hallo zusammen, habe diesen Beitrag zuerst unter Vorstellungen geschrieben, aber vielleicht habt Ihr ja auch noch ein paar Meinungen.
    Andi hatte mir schon geantwortet......


    Hallo zusammen!
    War ja jetzt über 1 Jahr nicht mehr hier. Es hat sich viel getan. Letztes Jahr ist ja mein Lebensgefährte ausgezogen und hat kurz danach seinen Führerschein verloren. Seit Juni letzten Jahres hat er dann keinen Tropfen mehr getrunken, weil er unbedingt durch seine Abstinenz seinen Führerschein wiedererlangen wollte. Dies hat auch im Januar diesen Jahres geklappt. Ich war so stolz auf ihn, er ist in der Zeit ein ganz anderer Mensch geworden. Habe ihn wieder neu liebengelernt. Wir wollten Ende des Monats, also jetzt April, sogar wieder zusammen ziehen. Ich wohne noch in unserem gemeinsamen Haus und er wollte wieder zurückkommen.
    Nachdem er also seinen Führerschein wieder hatte, ist er so nach und nach in seine alten Verhaltensweisen zurückgefallen. Erst fing es an, dass er wieder bei Fußballspielen getrunken hat. Dann Ende Februar im Urlaub auch und jetzt ist es wieder so, dass er wieder freitags und samstags weggeht. Meistens ohne mir vorher was zu sagen.
    Am Sonntag Abend kam er dann mal wieder mit schlechtem Gewissen bei mir vorbei (vorher konnte er wohl nicht fahren, da er 0,0 Promille haben muss) und meinte, ja er wäre Alkoholiker und er hätte es mir schon vorher sagen können, dass er nachdem er seinen Führerschein wieder hat, wieder trinken würde.
    Wieso hat er denn nie mit mir darüber gesprochen, dann hätte man doch bestimmt dagegen angehen können? Oder es zumindest versuchen können.
    Gestern war er dann mal wieder bei seiner Gruppe und nachdem er mich dann gestern Abend angerufen hat und mir davon erzählt hat, habe ich gemerkt, dass alles wieder so ist, wie es mal war. Immer nur Lügen, Lügen, Lügen. Er redet heute so und morgen wieder ganz anders.
    Also bei der Gruppe muss er gesagt haben, dass er am Freitag mal wieder was getrunken hat. Ich: Freitag?????? Hast Du denn da nicht erzählt, dass Du Monate vorher auch immer wieder beim Fußball, im Urlaub usw. getrunken hat.
    Er: nein...ich solle mal da sitzen und 20 Leuten das erzählen...Jetzt frage ich mich, wozu ist denn so eine Gruppe da. Die meisten haben doch bestimmt mal das Problem gehabt und dann spielt es doch keine Rolle wie oft, oder sehe ich das falsch.
    Also seit gestern habe ich gemerkt, er will es nich wahrhaben, am Sonntag hat er es nur schön geredet, damit ich nicht sage, er braucht hier nicht mehr einzuziehen....
    Habe ihm dann gestern gesagt,mein Entschluss steht fest, dass er seine Wohnung behalten soll und schon kamen wieder diese Gemeinheiten rüber.
    Habe gemerkt, dass ich sogar letzte Nacht 2x aufgewacht bin, weil ich geträumt habe, dass er wieder besoffen die Tür reinkommt. Ich kann da nicht mehr gegen an.....Schade ist es aber, dass ich mir solche Hoffnungen gemacht habe und er das Problem noch immer nicht sieht. Ihm würde der Druck fehlen.
    Noch nicht mal sein Rennradfahren und Fitnessstudio können ihn davon abhalten.
    Würdet Ihr genauso reagieren oder würdet Ihr ihm Glauben schenken, dass er meint es zu schaffen.....????

    Achja, habe noch seine Worte von sonntag im Ohr: Ich bin krank, wieso bin denn ausgerrechnet ich krank, habe gedacht, ich kann ab und zu was trinken, aber ich kann es nicht kontrollieren.

  • Servus Bille,

    dann will ich Dir mal als Alkoholiker antworten.

    Nach Deiner Beschreibung war Dein Freund/Partner nie trocken, er hat nur eine klar definierte Trinkpause (bis zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis) gemacht.

    Geistig hat er sich nicht weiter mit seiner Alkoholsucht auseinandergesetzt, er hat sie auch noch nicht angenommen. Und er scheint weit davon entfernt zu sein, aktiv und aus eigenem Antrieb für sich selbst etwas gegen seine Sucht unternehmen zu wollen (ihm fehlt der Druck? Den kriegt er schon noch... :? Unsere Krankheit ist da unerbittlich - bis zum Tod).

    Dir geht es nicht gut mit dieser Situation. Das kann ich nachvollziehen. Es kann einem gesunden Menschen nicht gut gehen, wenn der Partner krank ist und seine Krankheit nicht behandeln will.

    Die Frage ist doch nun, wie willst Du weiterleben? Willst Du die nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte mit einem Partner an Deiner Seite verbringen, wo Du jeden Tag auf's Neue Angst haben musst, was heute passiert? Ist er heute nüchtern, oder säuft er wieder? Die Liste lässt sich fortsetzen.

    Willst Du das? Ist das Dein Lebensziel, immer in Wartestellung auf "bessere Zeiten", mit der permanenten Ungewissheit, ob die wohl je kommen werden?

    Ich kann nur von mir sprechen: ich weiss mit meinem Leben etwas Besseres anzufangen. Ich lebe. Jetzt.

    LG
    Spedi

  • Hi Bille,

    erstmal ein ganz liebes Hallo an Dich.

    Ich kann mir gut vorstellen wie Du Dich fuehlst, ich bin eine ehemalige oder auch inaktive Co-Abhaengige.

    Du hattest gehofft, dass er nach all der Zeit gelernt hat, aber jetzt merkst Du das alles so wie immer ist, Luegen, Ausreden, halbe Sachen. Er geht zu einer SHG, aber beluegt sich selbst. Mein Ex hat das auch gemacht, er ist zu einer SHG gegangen hat dort Halbwahrheiten erzaehlt und ich hab geglaubt, dass er wirklich was tun wollte, dabei wollte er mir nur bestaetigen, dass er gar kein Problem hat.

    So wie Spedi das gesagt hat, er hat noch nicht innerlich begriffen was es bedeutet wenn man Alkoholiker ist. Die SHG ist ein Anfang, aber meistens reicht diese allein nicht aus um wirklich seine Sucht auch erfolgreich zu bekaempfen.

    Wichtig aber jetzt erstmal ist, dass Du Dich nicht auf das Problem Deines Freundes konzentrierst, sondern, dass Du Dich mit Deinen Gefuehlen und mit Deinen Beduerfnissen beschaeftigst und wie schon Spedi gesagt hast, Du musst Dich ernsthaft fragen, ob Du solch eine Partnerschaft haben moechtest und wie lange Du noch auf die Gesundung Deines Partners warten willst. Konsequent sein ist das wichtigste fuer uns Angehoerige.

    Gut ist, dass Du ihn nicht wieder einziehen lassen hast, somit hast Du mehr Abstand zu dieser Sache als viele anderen hier.

    Alles Liebe,

    Jenny

  • Hallo Spedi, Hallo Jenny,

    danke für Euren schnellen Antworten. Was ich da gerade von Euch beiden gelesen habe, läßt mir irgendwie noch mehr die Augen öffen.

    Spedi, Du hast es glaube ich genau auf den Punkt gebracht, er hat eine Trinkpause eingelegt und hat nur darauf hingearbeitet, seinen Führerschein wiederzuerlangen. Auseinander gesetzt hat er sich damit auch noch lange nicht, denn in dem halben Jahr wo er diese Pause eingelegt hat, da sagte er des öfteren, ich bin ja kein Alki, ich kann ruhig Bier trinken. Und wenn ich den Führerschein wieder habe, dann zeige ich allen, dass ich auch weiterhin Bier trinken darf.

    Nur das er in dem halben Jahr, wo er nichts getrunken hat, ein anderer Mensch war, das sieht er jetzt nicht mehr. Jetzt ist er wieder sehr schnell aufbrausend, wütend, rastlos......Ich war so stolz auf ihn, aber vielleicht habe ich mir von ihm auch so einiges einreden lassen. Wenn man immer wieder zu hören bekommt, ich darf Bier trinken, hatte ja keine Entzugserscheinungen etc., will aber nicht, weil ich meine Leberwerte bis zur MPU unten halten will, dann glaubt man es irgendwann. Habe mir dann selber eingeredet, dass er ja wahrscheinlich noch mal Glück gehabt hat und noch nicht so weit unten gelandet ist....

    Irgendwie ist es schon wieder so wie ein Dejavue. Er fragt schon wieder nach, wem ich alles davon erzählt habe. Seine Mutter rief am Sonntag an, wo er hier wieder gejammert hat und wollte ihn sprechen. Ich sagte ihr, dass er sein Handy verloren hätte, deshalb ist er nicht zu erreichen. Er hat also mit ihr gesprochen und meinte dann hinterher: Sie meint doch bestimmt auch, ich hätte gesoffen, wie kann man denn sonst sein Handy verlieren........In dem Moment habe ich gedacht: und wieso erzählst Du es ihr dann nicht. Muss sie es wie beim letzten Mal wieder als letzte erfahren???

    Ihr habt recht, ich muss jetzt erst mal an mich denken......Stimmt schon, was ist es denn für ein Leben, wenn er dann hier wieder wohnen würde und ich immer wieder denken müßte, hat er getrunken oder nicht....und es ist mein Leben.
    Am Sonntag kam ich mir mal wieder vor wie ein Pausenclown. Das ganze Woche hat es ihn mal wieder nicht interessiert was ich mache und dann kommt er wieder reuemütig an, weil er denkt, er könnte mich weiter mit Füßen treten. Die Blöde hängt noch an mir......
    Jetzt kommen natürlich die Gemeinheit, er könnte seine Wohnung und nen Teil für das Haus nicht mehr bezahlen und ich würde dann auch noch mit nem großen Teil Schulden da rausgehen. Aber im Moment denke ich, lieber Schulden als immer diese innere Anspannung.

    Gruß
    Bille

  • Muss jetzt noch mal was hinzufügen.
    Obwohl ich jetzt weiß, dass es nur eine Trinkpause war, es tut doch weh.
    Wahrscheinlich deswegen, weil ich mir Hoffnungen gemacht habe und ich mich wieder neu in ihn verliebt habe. Was wir alles vorhatten. Haben 2 Räume im Haus neu renoviert, ein Bett bestellt, was jetzt noch unaufgebaut da steht. Also praktisch wie für einen Neuanfang.
    Ich bin hin und hergerissen, tief im Innersten weiß ich, dass es nichts mehr bringt, weil er heute einsichtig und morgen wieder uneinsichtig ist. Merke, dass ich jetzt gerade im Moment mal wieder da bin, wo ich vor einem Jahr begonnen habe...Nur vielleicht, dass ich härter bin, aber auch heute auf der Arbeit konnte ich mich schlecht konzentrieren.

    LG
    Bille

    Bin froh, dass ich hier wieder schreiben kann, wenn man ein Problem niederschreibt, auch wenn es die anderen vielleicht ein bißchen nervt, man sich danach die Sache anders, manchmal auch deutlicher...So stark wie ich im Moment tue bin ich nicht....

  • Servus @all,

    Mistmaus bringt's schön auf den Punkt:

    Zitat

    Aber ich weiß, daß ich mich um mich selbst kümmern muss. Niemandem ist geholfen, wenn ich jetzt auch noch in den Seilen hänge.


    Wer das für sich dann auch umsetzen kann, hat ein gutes Stück Arbeit hinter sich gebracht.

    Aber, genau wie beim Alkoholiker, das ist das Problem der Meisten: der Theorie nun auch die Praxis folgen zu lassen und zu handeln.

    Das Wissen alleine ist nichts ohne die dazu gehörige Umsetzung!

    Ich wünsch Dir/Euch viel Kraft auf Euren Wegen.

    LG
    Spedi

  • Hi Heike,

    das ist eine gute Entscheidung und ein Schritt in eine gesunde Zukunft. Es ist gut, dass Du Dir etwas Gutes tun willst und Deine Schwester machen laesst.

    Weisst Du manchmal behandeln wir Co's den Alkoholiker wie ein Kleinkind, es wird ihm all die Verantwortung fuer sein Leben aberkannt, wir uebernehmen dann das Sagen und die Entscheidung von Richtig und Falsch und sehr haeufig packen wir uns in eine Opferrolle um dem Alkoholiker zu zeigen was er mit uns angerichtet hat. Dabei richten wir uns aber selbst so zu, denn was suchen wir denn in dem Verantwortungsbereich eines anderen, selbst wenn er suchtkrank ist, bedeutet es doch noch lange nicht, dass wir einfach ueber sein Leben entscheiden duerfen.

    Ich freu mich jetzt fuer Dich, dass Du Dich erstmal selbst verwoehnst und Dich auf Dein Leben konzentrierst.

    Alles Liebe,

    Jenny

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