Trockenarbeit

  • Hallo Zusammen,

    Was versteht ihr unter individueller Trockenarbeit bzw. kollektiver Trockenarbeit ? Und in wie weit verändert sich die Trockenarbeit im Laufe der Zeit?

    Liebe Grüsse
    Elocin

  • Hallo Elocin,

    das sind aber „harte“ und komplexe Brocken, die du da einwirfst.

    Aber ich mache mal den Anfang:

    Kollektive, also gemeinschaftliche Trockenarbeit sehe ich rein im Erfahrungsaustausch, Erfahrungen anderer (hauptsächlich von Langzeittrockenen) auf sich einwirken zu lassen und auf sein Leben anzuwenden.

    Natürlich gilt es auch dabei sich hier im Forum, und sei es für einen selbst unbedeutend und erscheint als nicht so wichtig, mit seinen Gedanken, Konfrontationen und Emotionen selbst mitzuteilen, um darauf fremde, erfahrene Resonanz zu erfahren.

    Allerdings weiß auch jeder, der mich etwas näher kennt, dass ich die Trockenheit und ihren Weg nicht als Mannschaftssport sehe.

    Meine Trockenarbeit habe ich selbst zu gehen und habe mich im privaten, selbst zu gestaltenden Weg nicht von Einflüssen von Weggefährten leiten lassen, ... heißt:

    ... ich habe keine privaten Gruppenkontakte gesucht, bin meinen Weg für mich gegangen.
    Und das war gut so !

    Zur letzten Frage deines posts komme ich später, ... denke nach.

    Gruß, Freund.

  • Hallo Elocin,

    ist ja mal ne interessante Frage!

    Ich war nach meiner Entgiftung 3 Monate in einer SHG, die aber nur zur Erstnachsorge diente, also, man konnte dort nur 15 Wochen bleiben.

    Danach war ich allein auf mich gestellt, sollte mir natürlich selbst eine suchen.
    War dann kurz in einer sehr kleinen Gruppe, die ich über das Internet herausgefieselt hatte, hat mir aber überhaupt nicht zugesagt. Die waren dort wie zugeknöpft!

    Danach hatte ich erstmal die Nase voll, musste auch alles für mich verdauen, habe aber viel gelesen, Biografien und Bücher usw. Über ein Buch eines Alkoholikers bin ich dann gestolpert, worin dieser seinen Rückfall beschrieb, nämlich dadurch, dass er in der Nachsorge nachgelassen hatte, ging in keine SHG mehr usw. Das war allerdings ziemlich am Anfang meines Alleinganges. Erst jetzt, fast zeitgleich mit dem Eintritt in diesem Forum, habe ich mir eine reale SHG gesucht und bin dort sehr zufrieden. Der SHG-Leiter ist auch Alkoholiker (seit 20 Jahren trocken), total locker und sehr erfahren im Umgang mit äußerst schwierigen Menschen. Und das Forum hier bietet die Möglichkeit, in einer unglaublichen Vielfalt die Krankheit aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und damit umzugehen.

    Das möchte ich nicht mehr missen!

    Und Trockenarbeit für die Zukunft? Alles so belassen, wie es jetzt ist, auf keinen Fall nachlassen, weder im Realen, als noch im Virtuellen.

    Lobanshee

  • Hallo liebe Leute,

    ich denke, dass bei mir immer beides gleichzeitig ablief/abläuft seit ich trocken werde.

    Anfänglich neu war für mich der kollektive Austausch. Einzeln für mich hatte ich mir schon sehr viel länger Gedanken gemacht, diese aber nicht in der Gruppe reflektiert. Das war ein ganz entscheidender Schritt für mich auf dem Weg zur Trockenheit. Alleine stieß ich immer an die selben Grenzen, die mich jeweils zur Beendigung meiner Trinkpausen führten.

    Mein Anschluss an unser Forum (an die Gruppe) entstand/steht ganz eindeutig unter dem Wunsch, etwas von euch dazuzulernen, was mir bis dahin zum Führen eines Lebens ohne Betäubung fehlte. Ich würde sagen, dass ich durch die Erfahrung von bereits Trockenen zunächst mal gelernt habe, dass mir ein Leben wie ich es mir erträumte nicht in den Schoß fallen würde, es aber möglich ist, es sich zu erarbeiten.

    Genauso wichtig war mir besonders in der ersten Zeit die Begleitung von Gleichbetroffenen, die gerade in der gleichen frühen Phase wie ich auch ähnliche Fragestellungen bearbeiteten wie ich.
    Ich konnte/kann da sehr viel aus der Gruppe "saugen" (und hoffentlich zurückgeben) und erhielt so das Handwerkszeug, mit dem ich mir dann selbst und letztlich individuell meinen eigenen trockenen Weg zurecht zimmerte.

    Verändert hat sich meine Trockenheit so, dass sie im Laufe von 2 Jahren zunehmend alltagstauglich geworden ist und meine Trockenheitsarbeit sich nicht mehr so ausschließlich in der Gruppe abspielt, sondern sich auf immer mehr alltägliche Lebenbereiche ausgeweitet hat und sich somit immer mehr verinnerlicht.

    Denkbar wäre beispielsweise eine Gespräch mit Leuten, die ich beim Spazierengehen mit meinen Hunden kennenlerne, in dem es um Abhängigkeiten im Allgemeinen oder Stoffsucht im Besonderen geht. Ich habe durch die Auseinandersetzung mit meiner eigenen Suchtbiografie ein anhaltendes Interesse an solchen Themen entwickelt und bleibe dadurch täglich daran erinnert wie wichtig es ist, dass ich mich weiter damit auseinandersetze.

    Besonders wichtig ist mir eine Anzahl naher gleichbetroffener Personen mit denen ich mich sehr persönlich austauschen kann und dies auch regelmäßig mache.

    Meine Ausflüge von der Gruppe weg werden also zwar häufiger, aber ich werde den Kontakt auf eine sich weiterentwickelnde Art und Weise immer pflegen. Denn meine Trockenheit hat zwei Elternteile: mich selbst UND die Gruppe. Und Trockenheit gedeiht am besten mit beiden Eltern.


    .Micha

    Das Schönste kommt noch

  • Hallo,

    unter kollektiver Trockenarbeit verstehe ich das Lesen/Schreiben der Erfahrungsberichte hier im Forum, oder das Zuhören/Reden in der SHG.
    Das Erfahrene dabei auch anzunehmen, ist jedermanns eigene Entscheidung. Also individuell.
    Ich kann hier jahrelang lesen und tausende von Beiträgen schreiben und mich damit sehrwohl in das Kollektiv einbringen, wenn ich aber nicht bereit bin, wirklich etwas gegen die Sucht zu unternehmen, wird der Erfolg ausbleiben.
    Deswegen ist die individuelle Trockenarbeit und die damit verbundenen Verhaltensveränderungen, der ausschlaggebende Punkt für ein zufriedenes Leben ohne Alkohol. Um diese Einsicht zu bekommen, brauchte ich wiederum das Kollektiv.
    Meiner Ansicht nach, braucht also das "eine" das "andere" um effektiv zu sein.

    VG
    Oliver

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