Beiträge von Micha

    Hallo Asketin,

    Tag X war bereits im August.
    Nun also Tag Y, der wie sein Vorgänger nicht näher von dir beschrieben werden kann. Da kann man nicht viel zu schreiben, aber vielleicht kannst du etwas mit der Gegenüberstellung dieser beiden Zitate von dir anfangen.

    Im Juli hattest du bereits die Erkenntnis:

    Zitat

    Lediglich der Zeitpunkt und die Umsetzung einer Trennung macht mir noch Schwierigkeiten

    Jetzt schreibst du:

    Zitat

    Ich weiß noch nicht, ob ich überhaupt zu einem Neuanfang bereit bin

    Gehst du wirklich geradeaus?
    Ich wünsche dir weiterhin für dich Klarheit darüber, was du willst.

    .Micha
    Das Schönste kommt noch

    Hallo Asketin,

    nachdem du dich im Januar mit der Erkenntnis hier angemeldet hast, dich trennen zu wollen schreibst du heute, dass sein Trinken dich nicht mehr belastet. Wenn du diese Haltung auch zu Hause deinem Mann gegenüber verkörperst wird er doch als nasser Alkoholiker gemütlich weitersaufen.
    (Es sei denn ihm selbst kommt die Erkenntnis, dass er das Ruder 'rumreissen muss. Aber dies scheint ja nicht der Fall zu sein.)

    Ich bin trockener Alkoholiker und ich verstehe dich nicht. Ich geb' dir eine Grantie dardrauf, dass du dich auf DEIN GEFÜHL verlassen kannst, ob er ernsthaft sein Leben verändern möchte oder nicht. Wenn es der Fall wäre, würdest du das spüren. Ganz sicher. Die Veränderung eines wahrhaftig trocken werden wollenden Alkoholikers ist nicht zu übersehen. Ob die Abstinenz dann ein Leben lang hält, ist wieder eine ganz andere Geschichte, aber die eigene Bereitschaft dazu ist die Grundvoraussetzung und die merkst du ihm 100% an.

    Ist sie nicht vorhanden, geht es ab sofort für dich nicht mehr um ihn, sondern nur noch um dich. Du brauchst Hilfe für dich und keine Tipps wie sein Verhalten zu interpretieren ist. Das gibt es nichts zu interpretieren, sondern ist sehr überschaubar: entweder ein Alkoholiker trinkt oder er trinkt nicht.

    Micha

    Das ist schön von dir zu hören, Lavendula [Blockierte Grafik: https://beispiel.rocks/beispiel.rocks/www.cheesebuerger.de/images/smilie/froehlich/a010.gif] .
    Du versprühst viel Lebensfreude. Vor allem dein Ich-bin-auch-im-"fortgeschrittenen"-Alter nicht-zu-verkorkst-für-eine-ernsthafte-Beziehung macht Hoffnung :wink:

    Manchmal frage ich mich, was wohl aus deiner Pinguin-Bande geworden ist. Gehört sie der Vergangenheit an oder hat sie sich mit dir zusammen in die Gegenwart geändert?

    .Micha
    Das Schönste kommt noch (das gilt auch noch und gerade nach einem gemeinsamen Hauskauf :wink: )

    Zitat

    Was mich jedoch ein bisschen beängstigt ist die Tatsache, dass ich keinen Saufdruck verspüre.
    Es scheint alles so einfach und normal. Nicht das geringste Problem. Ich hab Angst, dass sich das ändern könnte

    Hallo Wurdelbrumpft,

    ich bin knapp 4 Jahre trocken und hatte in der Zeit nie Saufdruck.

    Folgendes gilt für mich, nicht allgemein:
    Wenn ich Saufdruck hätte, würde ich davon ausgehen, dass ich unterbewusst nicht restlos kapituliert hätte, so wie das vor diesen 4 Jahren stets der Fall war. Der innere Schrei nach alkoholischer Betäubung war damals immer noch durch einen Restglauben, dass Trinken eine Lösung wäre, bzw. von mir kontrolliert werden könnte, verstärkt.

    Mir ist allerdings auch täglich bewusst, dass ich nicht lebenslang davor bewahrt bin, eines Tages Saufdruck zu bekommen. Aber ich habe keine Angst davor, weil ich gelernt habe, mich täglich mit den inneren Abläufen sensibel auseinanderzusetzen, die ich für mich als die Vorläufer des Saufdrucks ausgemacht habe.

    Ich kann meine Stimmungen einfach besser erkennen und einschätzen und kann so die Gefahr minimieren, mich in Saufdrucksituationen zu bringen. Alarmstufe gelb gilt für mich, sowohl wenn ich in besondere Hochstimmung komme ("Ich bin der Nabel der Welt"), als auch bei Tendenzen zu fataler Miesepeterigkeit ("Hat doch eh alles keinen Sinn").

    Dann heißt es für mich: jetzt nicht noch einen draufsetzen und die jeweilige Stimmung verstärken und toppen wollen, so wie ich es früher gerne tat, sondern mal in Ruhe in mich gehen und schauen, wie die Gefühlslage wirklich ist.

    Ich erde mich also zwischendurch gerne immer wieder, kehre in mir zu einem sicheren Punkt zurück, um von dort die Lage zu beurteilen. Viele nennen das "die Mitte finden". Ich bin durchaus öfters von meiner Mitte entfernt, aber ich merke das recht schnell mittlerweile und weiß, wie ich mich dorthin oder zumindest in einen grünen Bereich rund um diese sichere Mitte bringen kann.

    Micha

    Hallo Susi,

    ich bin Alkoholiker und seit drei Jahren trocken.
    Du hattest geschrieben, dass du lieber mit Menschen zusammen bist die trinken, als ohne Menschen zu sein.

    Einerseits kann ich das nachvollziehen weil ich jahrelang auch so dachte und handelte. Bis ich merkte, dass meine Einsamkeit ganz unabhängig von dieser vermeintlichen Nähe zu Menschen in mir selbst existierte.

    Ich suchte und fand durch meine Abstinenz vom Alkohol den Kontakt zu mir selbst, der es mir wiederum ermöglicht neue Kontakte zu anderen Menschen aufzubauen. Das dauerte eine Zeit bis ich die Fähigkeit erlernte, wirklich gesunde Beziehungen zu Menschen aufzubauen. Die meisten früheren Beziehungen basierten alle auf einer krankhaften Grundlage.

    Diese Grundlage hieß ABHÄNGIGKEIT.
    Abhängig voneinander, abhängig vom Alkohol.

    Erst seit ich durch meine dauerhafte Klarheit im besseren Kontakt mit mir selbst stehe, kann ich auch unabhängige Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen, die ein gesundes Maß an Nähe und Distanz haben und gegenseitig auf freiwilliger selbstbestimmter Basis beruhen.


    Meine Mutter ist nasse Alkoholikerin und hat den Kontakt zu mir eingestellt, weil ich ihr "zu anstrengend" geworden bin. Das ist aber kein Grund für mich, wieder mit dem Trinken zu beginnen um besser ihrer Vorstellung von mir zu entsprechen. Sie möchte gerne belogen werden, mich nicht so haben wie ich bin.

    Ich müsste mich aber ja auch selbst belügen und genau das habe ich am Ende meiner nassen Zeit so gehasst und kommt für mich nicht mehr in Frage. Ich hatte es so satt immer die Diskrepanz in mir zu spüren zwischen dem was ich tat und was ich fühlte. Es passte immer seltener zusammen und richtete sich viel zu oft nach anderen Menschen oder Sachverhalten.


    Micha

    Willkommen Hessenmann,

    viele wirkliche Freunde hatte ich nicht (mehr). Aber denen die ich noch hatte, habe ich alles gesagt was ich über mich und den Alkohol wusste. Ich habe gesagt dass ich es erst nicht wahrhaben wollte aber nun begriffen habe, dass ich Alkoholiker bin. Und das Alkoholismus eine Krankheit ist und ich mich mit meinem zukünftigen Verhaltensweisen an diese Tatsache anpassen würde.

    Das heißt für mich beispielsweise, dass ich keine Feste auf denen der Alkohol so im Vordergrund steht besuche.


    Micha

    Morgen Ralf,

    aus deinem verzweifelten Blickwinkel erscheint es dir vielleicht zynisch, aber ich möchte dich mal ganz nüchtern darauf hinweisen, dass ein 44-jähriger seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht dadurch verbessert, indem er sich betäubt. An deinem Alter und deiner BISHERIGEN Biographie kannst du nichts mehr ändern. Aber deine ZUKÜNFTIGE hast du mehr in der Hand, als du heute vielleicht meinst.

    Vor der Zukunft jedoch steht immer ein HEUTE. Und daher heißt es auch unter trockenen Alkoholikern: "Ich bleib' HEUTE trocken".

    Nimm' dir nicht zuviel vor. Du kannst nicht nach ein paar Tagen erwarten, dass das Leben plötzlich wie geschmiert läuft. Du hast bei der ersten Gelegenheit wieder auf deine alten Verhaltensweisen zurückgegriffen. Frust ---> Betäubung.

    Wichtiger als jetzt nach Plan sofort das Rauchen aufzuhören oder sofort einen Job fürs Leben zu bekommen ist, zu lernen wie man ein Leben führt, was Betäubung überflüssig macht. Das gehört zur Chefsache gemacht.

    Du wirst andere Problembewältigungsstrategien entwickeln müssen. Wir hören ja nicht mit dem Saufen auf und können meinen, dass das Leben deswegen keine Hindernisse mehr bereithält. Aber wir können sie nüchtern besser bewältigen.

    "Weinen anstatt zu saufen" finde ich einen guten Ansatz. Bleib' jetzt am Ball, du kannst es packen.

    Ich wünsch' dir Geduld.


    Micha

    Herzlich willkommen Nordseefan,

    zunächst gratuliere ich dir zu deiner Entscheidung, dich von nun an getrennt vom Alkohol weiterentwickeln zu wollen. Ich selbst habe das vor 40 Monaten auch getan und kann sagen, dies war die beste Entscheidung meines Lebens.

    Ich hatte nicht mal mehr in den Spiegel sehen müssen, um mir Übelkeit über mich zu verursachen. Ich hasste mich jedes Mal dafür, wenn ich morgens aufwachte und realisierte, dass ich "ES" gestern wieder getan hatte. "ES" wider besseren Wissens wieder getan hatte. Weil ich es nicht kontrollieren konnte.

    Ich wusste da noch nicht was ich heute weiß: Alkoholismus ist eine Krankheit. Und die habe ich. Das erklärte mir endlich was ich nie verstand. Warum ich mich immer wieder besoff, obwohl ich es doch EIGENTLICH gar nicht wollte. Ich versuchte immer mit meinem Willen dagegen anzukommen und hielt mich für einen Versager, weil ich das nicht schaffte. Und was macht der Versager um sich nicht als solcher wahrnehmen zu müssen? Er betäubt sich. Säuft. Und damit ist der unheilvolle Kreislauf geschlossen.

    Ich habe hier im Forum viel gelernt über unsere Krankheit. Sehr viel. Und das brauchte ich auch um mich selbst zu begreifen. Zuallererst lernte ich, wie wichtig ein Austausch unter Selbstbetroffenen ist. In diesem Sinne wünsch' ich dir hier einen deine Selle erhellenden Austausch.

    Hab' Geduld mit dir. Es lohnt sich. Du wirst sehen ...


    Micha

    Hallo Ute,

    ich kenne das Angebot der Schattenspringerin an dich nicht, aber das Schreiben im geschlossenen Bereich hat doch nichts mit verstecken zu tun. Ich halte den geschützten Bereich gerade für gut geeignet um offen mit sich selbst umzugehen. Natürlich ist es dir überlassen wo du dich öffnest, aber DASS du es tust ist schon sehr wichtig.

    Mit der Frage warum du in bestimmten Situationen Probleme mit deiner Abstinenz bekommst, hast du ja schon einen guten Ansatzpunkt.

    Wie war das denn am Tag deines Rückfalls genau? Wo und wann hast du dir Alkohol besorgt?


    Micha

    Ich finde es in unserer Konsumgesellschaft sehr wichtig, sich über die große Macht der Werbeindustrie im Klaren zu sein. Ich beäuge das im Allgemeinen, aber als trockener Alkoholiker bei Alkoholwerbung natürlich mit besonderem Interesse.

    Mehr als diesen von dir, Zerfreila, beschriebenen Schluckreflex oder ähnliches, kann Werbung natürlich nie auslösen. Aber ein "erlittener" Schluckreflex ist ja auch schon imens viel und kann - unreflektiert geblieben - bereits zum Konsum Anlass bieten.

    Das einzige Gegenmittel ist die bewusste Reflektion, zu der du uns hier in diesem Thread die Gelegenheit bietest. Niemand in unserer Gesellschaft kann die Werbung restlos aus seinem Leben verbannen. Es kann schon der flüchtige Blick auf den Prospekt, den man nur vom Briefkasten zur Papiertonne trägt einen Konsumwunsch verursachen.

    In meinem Fernstudium in Grafikdesign spielt Werbung im Sinne von Verpackung von Informationen (plus Emotionen) in Bilder und Worte natürlich eine Rolle. Ich halte diejenigen Menschen die meinen, sie könnten nicht von der Werbung erreicht werden und stünden da psychologisch drüber, für die Personengruppe die am gefährdetsten überhaupt ist. Wie du auch schon angedacht hast, werden die Botschaften die transportiert werden sollen sehr unterschwellig an den Mann/Frau gebracht. Nicht selten, dass jemand sagt, diese oder jene Werbung wäre ihm vordergründig zu plump oder blöd, ohne aber zu bemerken, dass sie sich während dieses oberflächlichen Erkennungsprozesses bereits ganz subtil in seinem Kopf eingeschlichen hat. Blöd oder nicht. Schlecht ist nur die Werbung, an die sich niemand erinnert.

    Es gibt da so eine Eselsbrücke für Leute die Werbung machen:

    AIDA

    Attention (auf den ersten Blick Aufmerksamkeit erregen. Durch grelle Farben, Größe, nackte Haut, niedliche Tiere ...)

    Interest (auf den zweiten Blick Interesse verursachen. Durch einen Witz, eine Geschichte, einen Spruch, eine Pointe ...)

    Desire (der Wunsch, das Verlangen nach dem Produkt soll geweckt werden. Hier ist ein Suchtkranker bezüglich seines Suchtstoffes besonders leicht zu erreichen. Bei mir reicht eine Abbildung eines Glases mit frisch eingeschenktem Bier, um an kranke Sehnsüchte zu erinnern)
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    Action (Handlung. Die Handlung bestünde im Erwerb, bzw. im direkten Konsum des bereits erwobenen Produkts. Damit wäre die Werbestrategie erfolgreich aufgegangen. Was dieser letzte Schritt für einen Alkoholiker bedeutet wissen wir alle.


    Ich habe die rote Linie dort eingefügt wo ein Alkoholiker meiner Ansicht nach SPÄTESTENS bewusst reagieren muss, aber leider auch erst FRÜHESTENS reagieren kann, weil die ersten drei Schritte in Bruchteilen von Sekunden ablaufen können.

    Micha

    Hallo Peter,

    wir sind ja sozusagen die gleiche "Generation" und ich freu' mich zu hören, dass du dein Leben weiterhin nüchtern gestaltest und dem soviel Positives abgewinnst. Mir geht es ganz ähnlich, erst trocken kann ich so kontinuierlich an mir arbeiten, dass es mit der Zeit nun auch Früchte in Form von Lebensfreude, Zuversicht und beginnendem inneren Frieden zu ernten gibt.

    Ich wünsch' dir weiterhin alles Gute auf deinem Weg und ewig tägliche Trockenheit.

    .Micha
    Das Schönste kommt noch

    Herzlich willkommen Lennaaa,

    gut, dass du etwas unternehmen möchtest.

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich besser NEIN sagen kann, wenn ich auch NEIN meine.
    Deswegen überprüfe ich täglich meine innere Einstellung zum Alkohol, bzw. mein Bedürfnis nüchtern sein zu wollen. Der Prozess in dem sich wieder der Wunsch nach einem Rausch aufbaut ist ja ein schleichender.

    Ich wünsch' dir einen trockenen Tag
    Micha

    Hallo Ari,

    ich denke du wirst schon den für dich richtigen Weg dich mitzuteilen herausfinden.
    Wichtig finde ich, dass du jetzt in DEINEM Tempo am Ball bleibst, auch wenn - wie du sagst - bei dir alles ein wenig länger dauert.

    Da frage ich dich: "Länger als bei wem oder was?" Nur du bestimmst die Geschwindigkeit und Intensität deiner Entwicklung. Ich bin selbst ein Spätzünder und habe dann von Beginn meiner Trockenheit lieber Kontinuität und Nachhaltigkeit vor Geschwindigkeit gestellt.

    Du musst nur bedenken, dass dich jemand nur immer in dem Maße verstehen kann, wie du etwas preiszugeben bereit bist.

    Was machst du jetzt eigentlich in der Zeit, in der du sonst deinen Wein getrunken hast?

    Micha

    Keine Problem Ari, da fühl' ich mich mal einfach nicht angesprochen :wink:

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass meine Probleme in dem Maße von anderen wahr- und ernstgenommen werden, wie ich sie selbst ernstnehme. Ich hatte ja lange auch selbst alles bagatellisiert und wollte ja gar keine Hilfe und entsprechend wird dann natürlich auch reagiert.

    Seit ich mich mit meinen Problemen selbst mehr ernst nehme, kann ich das auch besser an den Mann oder die Frau bringen. Natürlich gibt es auch Menschen, die trotzdem nicht interessiert was mich bewegt, aber mit denen halte ich mich dann auch nicht länger auf.

    Zu berücksichtigen ist auch, dass sich Menschen die vielleicht noch nie in irgendeiner Form mit Alkoholismus in Berührung gekommen sind, vieles gar nicht verstehen können. Wie sollten sie. Ich habe ja selbst lange Zeit damit intensiv verbracht die Zusammenhänge zwischen der Krankheit und mir zu verstehen. Auch hier ist also Geduld ein guter Ratgeber.

    Mit dem Schreiben von mir habe ich es damals so gemacht, dass ich mich hier im Forum im geschützten Bereich der Selbsthilfegruppe angemeldet hab'. Dort schreibe ich etwas persönlichere Dinge und weiß dabei, dass dort nicht das gesamte Internet mitliest. Einige Mitglieder die damals schon da waren kennen mich also sozusagen von Anfang an, was den Vorteil hat, dass sie mir sagen können wenn ich mich in ihren Augen verändere. Egal ob positiv oder negativ. Das ist der Vorteil einer Gruppe.

    Ich habe seither schon viele Mitglieder erlebt, denen es nach anfänglichen Schwierigkeiten etwas von sich zu schreiben sehr gut getan hat, mal mit einigen Dingen herauszukommen, die sie bisher mit sich alleine abgemacht haben. Da du uns auch lesen wirst und siehst, dass wir alle nur mit Wasser kochen, wird die Hemmschwelle dadurch schon niedriger. Und ich denke, dass es nichts gibt, was nicht irgendeiner von uns auch kennt oder schon so ähnlich erlebt hat. Das ist der große Schatz des Erfahrungsaustausches.

    Einen trockenen Tag wünscht dir
    Micha

    Du erweckst kein Mitleid, Ari.

    Das ist ja das wertvolle an einer Selbsthilfegruppe von Gleichbetroffenen, dass wir das kennen. In Selbstmitleid schwammen haben wir ja alle zu nassen Zeiten. Aber du hast ja nun den Mut gefasst, daraus auszusteigen und dich dir selbst zu stellen. Und ich kann nichts selbstmitleidiges bei dir entdecken. Alle Gefühle die du hast sind richtig, grundsätzlich, sie sind in der klaren Form wahrgenommen nur gewöhnungsbedürftig für einen Menschen, der sich seiner Gefühlswelt mittels Betäubung entzogen und beraubt hatte.

    Ich war wohl auch schon immer ein Mensch, der seine Gefühle gerne deckelte. Schon als Kind machte ich meine Schrammen lieber mit mir selbst aus, als damit zu meiner Mutter zu laufen. Für mich ist es wirklich neu, mich so frei zu äußern oder mich gar jemandem anzuvertrauen.

    Ja, es ist viel nützliche und wertvolle Arbeit an sich selbst, sich mit sich so auseinanderzusetzen, dass man tatsächlich diese Chance bekommt, doch noch einmal richtig lebendig zu werden. Es ist gut wenn du von Anfang an weißt, dass es einer Reihe von Veränderungen in vielen deiner Lebensbereiche bedarf um fähig zu werden mit klarem Kopf Situationen zu meistern, die man für gewöhnlich wegsoff.

    Mir fehlten fast völlig zwischenmenschliche Problemlösungsstrategien und so steckte ich den Kopf nach und nach immer mehr in den Sand, bzw. die Nase ins Glas. Fast drei Jahre bin ich nun sauber und ich habe hier genauso angefangen wie du. Ich hatte keine Ahnung wie ein Leben ohne Alkohol dauerhaft aussehen sollte. Woher auch.

    So hielt ich mich hier an Hinweise von Menschen, die dies bereits erfolgreich praktizierten und lernte so nach und nach mit meinem Leben vernünftig umzugehen. Hier im Forum verstand ich wie wichtig der Erfahrungsaustausch mit Gleichbetroffenen ist und sehe unser Forum seitdem als meine virtuelle Selbsthilfegruppe.

    "Jeder kann es schaffen!" las ich oft bei Karsten. Das kann ich nun bestätigen. Mein wichtigster Wegbegleiter wurde dabei die Geduld. Bei mir ist alles sehr langsam vor sich gegangen und dafür bin ich heute recht dankbar, weil ich mir früher durch schnelle euphorische Gefühle in Trinkpausen oft selbst ein Bein stellte indem ich dachte ich hätte das jetzt im Griff und könnte mal wieder ein Gläschen probieren. Aber seit drei Jahren ist meine oberste Maxime: ich will nicht vergessen, dass ich den Konsum von Alkohol definitv nie wieder in den Griff kriegen werde, wenn ich damit wieder beginne.

    Und als ich das realisiert hatte war ich erleichtert, denn innendrin wusste ich ja schon lange, dass ich das nicht kontrollieren konnte. Nun brauchte ich mich damit nicht mehr herumzuschlagen und mich dafür hassen, dass ich ES doch wieder getan hatte und konnte meine Kraft lieber darin investieren zu lernen wie ich leben kann ohne mir die Realität aus dem Bewusstsein zu pusten.


    Micha