Stellvertreterängste

  • Hallo,

    kennst das jemand? - So eine frei umherhuschende Angst, ein undefinierbares, komplett absurdes Gefühl von Bedrohung, während man eigentlich gerade dabei ist etwas Angenehmes zu tun oder zumindest etwas Neutrales. Und dann suche und grübele ich so lange, bis mir meine Außenwelt ein akzeptables Problem zur Verfügung stellt, gerne ein körperliches - Krebsphantasien oder sowas, weil da plötzlich ein Pünktchen auf der Haut auftaucht oder ein Knötchen zu ertasten ist. Aha! - Gefunden, der Gegner ist lokalsiert und ich werde aktiv. Dann empfinde ich große Angst und nehme meine Umgebung gleichzeitig als besonders verheißungsvollen Ort wahr, mache Pläne, dass - wenn es unerwarteterweise doch nicht zum Todesfall kommen sollte - ich schwungvoll und schnell all jene Großartigkeiten in Angriff nehmen werde, für die mir bislang der Mut oder was auch immer fehlte.
    In aller Regel endet mein apokalyptischer Größenwahn nicht mit dem Tod (immerhin habe ich ihm schon 43 Jahre ein Schnäppchen geschlagen), unmittelbar nachdem sich meine Ängste als schrullig erweisen, empfinde ich überaus wunderbares Glück. Alles scheint nun möglich zu sein, von nun an, werde ich mich nicht mehr von meinem Leben ablenken lassen........bis ich dann wieder im Alltag versacke.
    Gerade empfinde ich diese Achterbahnfahrten von Angst und Erlösung wieder sehr stark. Ich wundere mich ein wenig darüber, weil ich eigentlich der Meinung war, sie auf ein erträgliches Maß reduziert zu haben.
    Und jetzt spiele ich wieder mein altes Spiel: Angst vorm Leben, versus Angst vorm Tod und zur Belohnung den kurzen Rausch, wenn sich die äußerliche Bedrohung als haltlos erweist.
    Kennt das jemand?
    Wie bekommt man die tiefer liegende, ursprüngliche Angst zu fassen, um die es ja vermutlich eigentlich geht?

    Viele Grüße
    Malika

  • Zitat

    Und jetzt spiele ich wieder mein altes Spiel: Angst vorm Leben, versus Angst vorm Tod und zur Belohnung den kurzen Rausch, wenn sich die äußerliche Bedrohung als haltlos erweist.
    Kennt das jemand?
    Wie bekommt man die tiefer liegende, ursprüngliche Angst zu fassen, um die es ja vermutlich eigentlich geht?

    Hallo Malika,

    du nennst es ja Stellvertreterängste, ich vermute auch mal, dass es die Ängste sind, die wir als EKA`s, schon früh in uns verinnerlicht haben.

    Ich hatte lange diese Krebsängste, waren auch teilweise berechtigt, da meine Mutter an Brustkrebs gestorben ist. Diese Ängste sind aber jetzt nicht mehr vorhanden. Die tauchten massiv auf nach der Geburt meiner Tochter. Und je mehr ich meine Kindheit aufarbeitete und meine Ängste verstehen konnte, und als meine Kinder älter und selbstständiger wurden, sind sie ganz verschwunden.

    Hätte ich Deinen Text vor Jahren gelesen, hätte ich vor Panik dieses Forum verlassen, heute kann ich Deine Zeilen lesen, finde es zwar traurig, dass wir EKA`s uns mit solchen Ängsten rumschlagen müssen, aber Du siehst an mir, dieser Zustand geht vorbei, wenn Du tiefenpsychologisch an Dir, mit einem guten Therapeuten, arbeitest.

    Bist Du in Therapie? Todesängste sind Lebensängste.

    Alles Liebe Weitsicht[/quote]

  • Hallo Malika,

    wie geht es Dir heute? Nehme Deine Ängste ernst, sie wollen uns etwas mitteilen, dass wir uns von Verhaltensmustern oder Erfahrungen befreien, die uns in der Kindheit eingeredet oder auch durch Schläge angetan wurden.

    Bei mir spielte auch die religiöse Erziehung durch unseren Pfarrer in der Religionsstunde eine grosse Rolle. Er brachte uns bei, dass wir schlechte Kinder seien und sowieso in der Hölle landen würden. Er schlug uns auch mit dem Rohrstock auf die Fingerspitzen, tat sehr weh. Das löst Todesängste aus, die wir als Kinder verdrängen mussten. Ja viele Erwachsene wissen garnicht was sie Kindern mit ihrer Erziehung antun.

    Da kommt bei mir heute sofort Wut hoch, da Kinder die Schwächsten in unserer Gesellschaft sind. Spreche heute Eltern an, wenn ich sehe, dass sie ihre Kinder schlagen oder anbrüllen, frage sie ob sie wissen, was sie da ihren Kindern gerade antun. Schliesslich vertrauen und glauben Kindern Erwachsenen bedingungslos. Und sie sind das schönste Geschenk, das uns anvertraut wurde.


    Alles Liebe Weitsicht

  • Hallo Weitsicht und Manfred,

    mir geht`s ganz gut, Danke für die Nachfrage, habe einen netten Abend hinter und einen vermutlich ebenso netten vor mir.

    Eine direkte Therapie mache ich gerade nicht, besuche aber in unregelmäßigen Abständen eine Kinesiologin. Das war zu Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, weil die Grenze zur Esoterik mir da an manchen Stellen sehr dünn erscheint, aber ich muß mich ja auch nicht auf alles einlaßen. Gut bei dieser Methode ist einfach, dass das Abwiegeln und Kleinreden wegfällt, weil der Körper direkt befragt wird. Spannende Sache und sehr häufig ins Schwarze treffend.

    Weitsicht, ich finde auch, dass Religion als Erpressung großen Schaden anrichten kann. Eine unantastbare Macht, die weder zu greifen noch zu kritisieren ist, damit kann man schon Ohnmachtsgefühle wachrufen.

    Ja Manfred, ich versuche auch immer die Realität als Vergleichsgröße heranzuziehen und dann überlegt und sachlich das Problem anzugehen, die Dinge unter Kontrolle zu bekommen. Das macht uns Alkoholikerkinder ja schließlich aus. Ich würde aber so gerne die ursprüngliche Angst irgendwie zu fassen zu bekommen, weiß aber nicht wie. Merkwürdig ist, dass ich bis zum Sommer etwa zwei Jahre in einer hochkomplizierten Beziehung steckte und während diesser Zeit keinerlei übertriebene Bedrohungsängste hatte. Wahrscheinlich brachten die Spiele, die wir da so miteinander veranstalteten - Mißtrauen, Verlassensängste, sich benutzt fühlen usw. - meinen inneren Zustand deutlich genug zum Ausdruck, so dass ich auf den zusätzlichen `Kick`verzichten konnte.

    Naja, die Mechanismen zu durchschauen hilft an manchen Stellen auch nur bedingt weiter.

    Wünsche euch noch einen schönen Samstag!
    Gruß Malika

  • Zitat


    Weitsicht, ich finde auch, dass Religion als Erpressung großen Schaden anrichten kann. Eine unantastbare Macht, die weder zu greifen noch zu kritisieren ist, damit kann man schon Ohnmachtsgefühle wachrufen.

    Hallo Malika,

    die gleiche unantastbare Macht haben auch Eltern über ihre Kinder. Denn Eltern sind für Kinder, Gott ähnlich.

    Für Kinder ist es als wenn ein Dinosaurier mit im Hause lebt, diesen Vergleich habe ich in einem Buch, das sich über die Auswirkungen von Alkoholismus in der Familie beschäftigte, gelesen.

    Die Angst der Kinder vor den Eltern, ist damit vergleichbar, als wenn Erwachsene heute in eine Grube mit lebendigen Schlangen geworfen würden. Somit kann ich meinen Ängsten, als Kind, näherkommen und verstehen wieso sie teilweise noch heute Ohnmachtsgefühle in mir wachrufen können.

    Heisst es also für uns heute zu erkennen, dass Eltern, Mit-Auslöser unserer Ängste sind, wir deshalb die Bindung an verinnerlichte Eltern, für erwachsenes Verhalten lösen müssen, ansonsten bleiben wir in abhängigem Verhalten stecken. Ob Eltern tot sind oder leben, ist dann nicht entscheidend, sondern wie wir Verantwortung für unser eigenes Denken und Fühlen heute übernehmen.

    Alles Liebe Weitsicht

  • Guten Abend Manfred und Weitsicht!

    So, meine Angst habe ich gerade wieder im Griff, der Alltag läßt mir einfach keine Zeit für solcherlei Spirenzchen.

    Was mir dazu noch eingefallen ist: Wenn ich partou nichts finde, dass ich als sichtbaren Angstgegner verwursten kann (besagte körperliche Merkwürdigkeiten), springen mir plötzlich Situationen in den Kopf, von denen ich glaube, sie damals komplett falsch eingeschätzt zu haben und aufgrund dieser Fehleinschätzung Dinge getan oder gelassen zu haben, die früher oder später katastrophale Konsequenzen nach sich ziehen werden. Dann gehe ich die Szene immer wieder im Kopf durch, frage mich, ob ich sie richtig erinnere, oder ob noch irgendeine Chance besteht nachträglich korrigierend einzugreifen.......oh man, ich bin wirklich sehr erfindungsreich im Lebenschwermachen.

    Im Leichtmachen aber auch.

    Gute Nacht
    Malika

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