Alkoholabhängigkeit und trotzdem "Ich" sein?

  • Ich bin alkoholabhängig. Das weiß ich. Ich habe aber zur Zeit wieder Schwierigkeiten dies anzunehmen, ohne mich als schlechter Mensch zu fühlen.
    Dies ist ein großes Problem für mich. Entweder sehe ich mich nur als die Alkoholikerin und nehme die vielen anderen Anteile in mir nicht war oder ich verdränge all die schrecklichen Erlebnisse und möchte einfach nur normal sein. Beide Extreme sind gefährlich. Ersteres macht mich depressiv und ohnmächtig, das 2. Extrem führt mich dazu, meiner Krankheit zu wenig Beachtung zu schenken, was sehr rückfallgefährdend ist.
    Ich finde die Mitte nicht. Ich möchte meine Alkoholabhängigkeit als Teil von mir akzeptieren können und mich trotzdem in meiner ganzen Persönlichkeit sehen. Ich schaffe es einfach nicht.
    Wisst ihr mir einen Rat? Wie habt ihr es geschafft, die Krankheit annehmen zu können?
    Freue mich auf eure Antworten.
    Lilo

  • moin lilo,

    ich kann Dir den Rat dahingehend geben, dass ich sage, mach Dir nicht so einen Kopf. Es klingt vielleicht blöd, aber es ist wahr. Ich selbst hing vor kurzem mal wieder ganz arg drin in diesem Zwiespalt und dachte meine Ängste vor dem Alk mit einem ziemlich gewagten Experiment zu zerstören, es ist aber der falsche Weg, glaube mir.

    Ich kann Dir nur raten die Dinge passiren zu lassen, das hat bei mir jedenfalls geholfen, und alles was Dir durch den Kopf geht aufzuschreiben, schreib alles auf, egal wie sinnlos es Dir in dem Moment auch vorkommt, dadurch bekommst Du es aus Deinem Kopf heraus und kannst ihn etwas freier machen. Hinterher kannst Du dann mit einer anderen Sichtweise noch einmal über die Gedanken grübeln und wirst wahrscheinlich (so war es bei mir :wink: ) erkennen, dass es allein durch das schreiben schon zu einer Lösung gekommen ist.

    Bei mir war es oft so, dass ich dadurch, dass ich meine Gedanken so wie sie kamen aufgeschrieben habe schon eine Erleichterung einsetzte und ich am Ende selber auf des Problems Lösung kam. Manchmal klang das was da dann stand ziemlich verwirrend und konfus, aber es waren nun einmal meine Gedanken und so habe ich sie herausgebracht..

    Kümmer Dich dann nicht um den Zwiespalt der dort steht, das gehört, habe ich mir sagen lassen, zum Krankheitsbild dazu und durch das aufschreiben kannst Du die Komplexen zusammenhänge dann besser ordnen. Mir hat es jedenfalls sehr geholfen und auch dazu geführt, dass ich mich selber besser verstand.

    Ich hoffe ich konnte Dir hiermit etwas helfen. Würde mich freune bald wieder von Dir zu lesen.

  • Hallo Lilo

    Wenn ich das richtig verstehe, dann hat dein Problem direkt mit Alkohol nichts zu tun, sondern es ist eher eine Persönlichkeitsstörung. Du hältst dich für gut oder schlecht, fühlst nur die Extreme, Graustufen zwischen schwarz und weiß gibt es nicht für dich. Du musst also lernen, dich als Person zu akzeptieren, die Schwächen und auch Fehler haben darf.

    Deinem Schreiben entnehme ich, dass du zurzeit nicht trinkst, aber du schreibst nicht, wie lange du schon trocken bist und dann weiß ich nicht so recht, was ich mir unter „all die schrecklichen Erlebnisse“ vorstellen soll. Vielleicht kannst du dazu noch etwas schreiben.

    LG Henri

  • Zitat von henri

    ....sondern es ist eher eine Persönlichkeitsstörung.


    hallo henri,

    ich finde es etwas gewagt, so ohne weiteres die psychiatrische diagnose "persönlichkeitsstörung" einfach in den raum zu stellen.
    dabei handelt es sich nämlich nicht um die vorübergehende beeinflussung der persönlichkeit durch alkohol.


    und an "lilo":

    mit einer diagnostik durch einen psychiater bist du auf jeden fall auf der sicheren seite. danach kann über die weitere hilfe entschieden werden. deine jetztige "welt-sicht" hat möglicherweise überhaupt nichts mit deiner "grund-persönlichkeit" zu tun, sondern ist nur 1 anzeichen der besserungsfähigen alkoholischen vergiftung.

    professionelle psychotherapeutische hilfe kann dich dann sicher weiterbringen.

    alles gute dafür
    max

  • Vielen Dank für eure Antworten.
    Ich weiß nicht, wie ich einzelnen von euch antworten kann, deshalb schreibe ich eine allgemeine Rückmeldung.

    Hernri, ich habe keine Persönlichkeitsstörung. So, wie es mir im Moment geht, ist nicht der Normalfall. Vielleicht hättte ich noch mehr erklären sollen, aber meine Geschichte, wollte ich im Vorstellungsforum erzählen.
    Ich fühle mich im Allgemeinen nicht als entweder gut oder schlecht. Ich weiß, dass ich alle Anteile in mir trage, so wie jeder Mensch auch. Meine einzige psych. Diagnose, die ich dir noch anbieten kann, sind Depressionen. Die habe ich aber im Griff. Sie werden mittlerweile nur durch Alkohol ausgelöst und kommen nicht mehr, wie früher, aus heiterem Himmel.

    Ich habe das Problem mit der Alkoholabhängigkeit. Delfine hat mein Problem richtig erfasst. Ich kann immer noch nicht, genauer gesagt nicht mehr sagen, bzw denken: "Ich bin alkoholabhängig - na und. Ich schäme mich dafür, fühle mich mit dieser Krankheit sehr minderwertig.

    Ich habe vor einem Jahr eine viermonatige Therapie gemacht. Da lernte ich mich anzunehmen. Danach ging ich in mein altes Umfeld (Arbeit, Freunde, Bekannte) zurück und konnte mich selbstbewusst wieder hinstellen.

    Jetzt habe ich einige Rückfälle gebaut, wobei der letzte in Bayerns schlimmster Entgiftungsklinik endete. Dort wurde ich sehr abwertend behandelt. Von meiner Familie (Geschwister) hörte ich schwere Vorwürfe. Ich sei ein Mensch, der alles zerstört. Ich kann sie verstandesmäßig ja verstehen. Ich habe ihnen viel Leid zugüfügt.

    Dies alles nagt an mir. Ich sehe ständig die Klinik vor mir und fühle mich jetzt als schlechter Mensch. Ich bin sehr traurig und durcheinander. Ich habe Angst, wenn ich die Erlebnisse verdränge, dass ich wieder zum Alkohol greife. Aber es zieht mich total runter.

    Außerdem fühle ich mich als Versager. Ich dachte nach der Therapie, das Trinken wäre für mich nun vorbei. Ich habe auch danach eine Nachsorge gemacht. Es gibt schon Auslöser für die Rückfälle, aber das ist keine Entschuldigung.

    Habe gleich nach der Entgiftung meine Arbeit wieder aufgenommen und bin nun seit 3 Wochen trocken. Ich will nicht rumjammern, aber ich habe an nichts mehr Freude. Trotzdem führe ich stur meine Aktivitäten weiter durch. Im Moment fühle ich mich als ganz anderer Mensch.

    Bemühe mich gerade um eine ambulante Suchttherapie. Ich muss es aber doch mal alleine schaffen.

    Danke für die Anregung, die Gedanken aufzuschreiben.

    Ich hoffe, ihr könnt meine Antwort ein bisschen verstehen.

    Lilo

  • hallo lilo,

    dass hauptproblem bei einem rückfall ist genau das, was du jetzt empfindest. du hast wieder aufgehört zu trinken, versuch dich daran wieder aufzurichten. mach es diesmal besser, nur wenige schaffen es beim ersten mal. ich denke du warst noch garnicht richtig trocken. sicherlich mußt du es alleine schaffen, aber das schliesst ja eine therapie nicht aus.
    mach die therapie und nimm an das du alleine nicht den alkohol wiederstehen kannst. deshalb brauchst du dich nicht minderwertig fühlen.
    depressionen in deiner situation sind das schlimmste im moment, versuch hier zu schreiben, geh in chat, rede dich frei. wir sind alle hier nicht besser, aber auch nicht schlechter.

    ich wünsche dir kraft, pass auf dich auf.

    schorni

  • Hallo lilo,

    warum setzt Du Dich denn so unter Druck und willst es unbedingt alleine schaffen? Natürlich mußt Du allein das erste Glas stehen lassen, aber um die Kraft und den Mut dafür aufzubringen, da hole Dir doch alle Hilfe, die Du kriegen kannst!

    Sehr schön, dass Du Dich um eine weitere Therapie bemühst. Die wird die jetzt bestimmt sehr gut tun und Dir helfen, den Zugang zu Dir selbst wieder zu finden.

    Kram doch noch mal das hervor, was Du in Deiner letzten Therapie alles über die Krankheit gelernt hast: Sie ist unheilbar, Rückfälle sollten nicht sein, können aber passieren, vor dem Alkohol kapitulieren aber nicht vor der Krankheit.

    Deine Erkrankung hat sich verschlimmert. Also tu was dagegen! Nimm jede Hilfe an, niemand verlangt von Dir, dass Du das alles alleine schaffen mußt. Du selbst baust Dir da einen Druck auf, der kaum bewältigt werden kann.

    Du hast einen Fehler gemacht, als Du nach Deiner Therapie gedacht hast, dass mit dem Trinken ist für Dich nun erledigt. Gefährlich, gefährlich. Aber Fehler machen alle Menschen. Bin sicher, anderen verzeihst Du ihre Fehler, doch Dir selbst nur sehr schwer oder sogar überhaupt nicht. Das führt dazu, dass Du Dich als Versagerin fühlst. Und dann kommen die blöden Gedanken: Andere schaffen das doch auch, warum ich denn nicht, das muß ich doch allein hinkriegen.

    Alles Quatsch mit Soße!

    Es sind nur sehr, sehr wenige die den Weg in ein abstinentes Leben im ersten Anlauf hinbekommen. Das ist die Realität. Einigen wenigen genügt eine Therapie und viele brauchen eben mehrere Therapien. Du bist keine Ausnahme, sondern gehörst zum größten Teil.

    Ist eben eine ziemlich heimtückische und gefährliche Krankheit, die wir da bis zu unserem Lebensende mitschleppen müssen.

    Steh auf und pack es an! Viel Erfolg, Kraft und Mut wünscht Dir

    Simone, Alkoholikerin

  • Hallo Lilo

    Entschuldige bitte, da bin ich von falschen Voraussetzungen ausgegangen und lag mit meiner Meinung völlig daneben. Sorry, wenn ich dir mit meinen Worten wehgetan habe.

    Wenn du dir nicht eingestehen kannst, dass du abhängig bist, dann akzeptiere doch einfach, dass du mit Alkohol nicht umgehen kannst. Hört sich wenigstens nicht so schlimm an. Rückfälle sollten nicht vorkommen, aber das Leben geht deshalb trotzdem weiter. Überlegen kannst du dir, weshalb es zu den Rückfällen gekommen ist, um dann in Zukunft zu vermeiden, in ebensolche Lagen zu kommen.

    Solange du etwas gegen dein trinken tust, und dich nicht selbst aufgibst, brauchst du dich doch nicht als schlechter Mensch zu fühlen und als Versager erst recht nicht. Nur, wenn wir uns und unsere Krankheit selbst nicht akzeptieren und uns dafür schämen, wie können wir dann verlangen, dass andere Menschen anders denken. Aber selbst das tun die wenigsten, die meisten Leute haben Hochachtung vor denjenigen, die es schaffen vom trinken wegzukommen.

    Eine Therapie ist keine Garantie für ein trockenes Leben, wie du schmerzlich feststellen musstest. In der Therapie erhalten wir das theoretische Wissen, das wir dann in der Praxis umsetzen müssen.

    Du hast es nun wieder drei Wochen geschafft. Das ist wesentlich mehr als ein Anfang und es sollte dir doch soviel Selbstvertrauen geben. dass du dich nicht als Versager fühlst. Außerdem müsstest du dich doch jetzt schon viel besser fühlen. Warum die Erlebnisse verdrängen? Sie gehören nun einmal zu dir und deinem Leben, haben dich mit geprägt und du kannst sie doch nicht ungeschehen machen. Vielleicht irre ich mich schon wieder, aber ich denke, du siehst das alles zu verkrampft und es ist noch zu sehr ein „ich darf nicht trinken“. Ich glaube, dein Entschluss, es mit einer ambulanten Therapie zu versuchen, kann dir viel helfen.

    wünsche dir viel Erfolg

    LG Henri

  • Lieber Schorni, Henri und liebe Simone,
    ich danke euch sehr für eure aufmunternden Worte. Es hat mir wirklich sehr gut getan, sie zu lesen.

    Ich weiß verstandesmäßig natürlich, dass ich mich weder als Versager fühlen, noch mich schämen muss. Ja, dass dies wieder zum Alkohol führt und ich will nicht trinken.

    Aber gegen meine traurigen Gefühle kann ich im Moment nichts ausrichten. Die Gedanken umzuformen, kostet immens viel Kraft. Ich halte das Alleinsein gerade sehr schlecht aus, habe starke Ängste und fühle mich minderwertig. Das einzige was ich im Moment tun kann, ist das zu akzeptieren, auszuhalten und mich nicht hängen zu lassen. Die Dinge zu tun, ob sie mir nun Spaß machen oder nicht.

    Es wird sicherlich wieder besser. Jeden Tag ein kleines Stückchen.
    Lilo

  • Liebe Delphine,
    ich weiß nicht, ob wir Ähnlichkeiten haben. Dafür weiß ich zu wenig von dir. Aber ich fühle mich von dir auf alle Fälle verstanden.

    Es ist nicht so, dass ich mich zu Hause verkrieche. Dafür kenne ich mich mit Depr. zu gut aus und weiß, dass dies das Schlimmste wäre, das ich tun könnte.
    Ich bin zur Zeit fast jeden Abend weg, ob es mir Spaß macht oder nicht. Sport, Yoga, Selbsthilfegruppe, Freunde und jetzt beginnt auch bald meine amb. Suchttherapie, wenn es genehmigt wird.

    Es geht mir auch wieder ein Stückchen besser. Seit meinem Rückfall ist jetzt genau ein Monat vergangen und ich bin seither auch abstinent. Ich gebe nicht auf.

    Liebe Grüße
    Lilo

  • hallo lilo,

    hört sich doch alles schon viel besser an, ich hoffe du bekommst die thera.
    und ein monat ist auch nicht schlecht, nach einem sturz aufstehen, dass ist wichtig.

    ich wünsche dir kraft

    schorni

  • Hallo lilo,

    finde auch, klingt schon viel besser. Nicht aufgeben! Du machst das schon sehr gut. Gehst ráus, auch wenn es soviel Kraft kostet.

    Es ist eben nicht immer leicht.

    Alles Gute,

    Simone

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