Ablösung

Liebe Tini

Willkommen hier im Forum.
Mir tut es auch gut zu wissen, dass man sich hier mit Gleichgesinnten austauschen kann.

Ich kann in deinen Zeilen viele Parallelen entdecken zu mir und habe deshalb das Bedürfnis dir zu schreiben.

Auch bei mir ist der Vater der trinkende Elternteil. Und ich konnte mir in meiner Kindheit auch nie sicher sein, wie seine Stimmung gerade war. Natürlich war das damals für mich normal. Als ältestes Kind habe ich auch sehr viel Verantwortung übernommen. Ich war genau wie du die liebe, gute und brave Tochter. Die Fleissige. Ich selbst war mir dabei nicht so wichtig.

Irgendwann habe ich den Absprung geschafft und bin ausgezogen. Und das viel mir sehr schwer. Es ist ja nicht so, dass man denkt, puh, jetzt kann ich endlich gehen und vergessen und alles ist super. Die Gefühle sind da immer zwiegespalten. Es fühlte sich tatsächlich so an, dass ich meine Familie im Stich liess und ich hatte Schuldgefühle. Aber mit der Zeit besserte sich das.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es für mich sehr wichtig war, Abstand zu haben. Nicht mehr jede Kleinigkeit mitzubekommen. So konnte ich nach und nach die Verantwortung abgeben, die zu tragen ja sowieso nie meine Aufgabe war.

Dich von deinen Eltern loszulösen ist ein Prozess. Das braucht seine Zeit. Da du im gleichen Haus wohnst, bist du sicherlich immer sehr nah am Geschehen und das macht das Loslösen nicht einfacher. Aber trotzdem finde ich, kannst du lernen dich abzugrenzen. Lernen dich mehr um Dein Leben zu kümmern. Setze dich an erster Stelle. Zuerst kommst du, dann erst alle anderen.

Es dauerte bei mir lange, bis ich begriff, dass es nicht meine Aufgabe war, meinen Eltern zu helfen. Wie gesagt ein Prozess. Aber Erkenntnis ist schon der halbe Weg wie ich finde.

Alles Liebe Dir
Mia