Ich bin so wütend & enttäuscht! Mutter ist Alkoholikerin

  • Nun, wie soll ich am besten beginnen... Ich bin hierher gekommen, weil mir niemand wirklich zuhören will in meiner Familie, und auch meine Freunde können mich nicht wirklich verstehen.

    Meine Mutter ist Alkoholikerin. Sie hat schon seit ihrer Jugend viel & gern getrunken, 1992 hatte sie sowas wie ihren persönlichen & absoluten Tiefpunkt; mit 2,5 Promille und Selbstmordgedanken in die Nervenheilanstalt. Entgiftung, therapeutische Hilfe, sie hatte auch ihren Lebensmut wieder gefunden.
    Eine "trockene Alkoholikerin". Anscheinend. Die ersten Jahre hinweg war sie sehr tapfer, wechselte den Arbeitsplatz (an ihrem alten hatten regelrechte Trinkorgien stattgefunden), gab ihren Liebhaber auf (wegen dem sie Liebeskummer hatte, was sie gleich noch mehr zum Trinken veranlasste), und wandte sich wieder mehr ihrer Familie (meinem Vater, meiner Schwester und mir) zu, auch ihr Verhältnis zu ihrer Mutter (Oma kann sehr autoritär und rechthaberisch sein) bessererte sich wieder.

    Das ist natürlich nur die Kurzfassung einer langen Geschichte... Wir waren wieder eine normale, glückliche Familie, die ohne beschämendes Geheimnis leben muss. Wir waren alle so stolz auf meine Mutter, die ihr Leben wieder im Griff hatte. Die endlich erwachsen geworden war. Die Erfolg auf ihrem neuen Arbeitsplatz hatte.

    Doch anscheinend kam sie nicht wirklich zurecht damit, nicht wirklich "normal" zu sein. Ein trockener Alkoholiker kann eben nicht normal leben. Muss zu jedem Gläschen Sekt, das einem angeboten wird "Nein, danke" sagen. Anders geht es nicht. Sie hielt das nicht lange durch. Schon ein paar Jahre nach ihrem Aufenthalt in der Entzugsklinik, fing sie wieder an bei feierlichen Anlässen ein Gläschen mitzutrinken. Wir (die Familie) haben sie dabei immer böse angeschaut, aber sie hat nur mit den Schultern gezuckt, und gemeint, dass sie das schon im Griff habe, und ein kleines Gläschen in Ordnung wäre. Wir wussten, dass es nicht in Ordnung ist. Aber wir sahen auch, dass sie nicht ihre Persönlichkeit veränderte, solange sie nicht zu große Mengen trank. Und sie tat es ja auch nur bei besonderen Anlässen. Wir hatten uns damit abgefunden.

    Doch nun... seit 2 Jahren oder so... finde ich wieder Weinflaschen im Wäschekorb... Mineralwasserflaschen mit Wodka... geöffnete Weinflaschen... Bierflaschen in ihrer Handtasche... Schnapsflaschen im Keller (dort raucht sie immer), etc.
    Ich habe lange überlegt, bevor ich es meiner Schwester erzählt habe, die inzwischen schon ausgezogen ist. Doch als ich mit ihr über meine Mutter und ihren Rückfall redete, meine sie nur, dass meine Mutter erwachsen ist, und selber wissen müsse, was sie tut.
    Ich verstehe meine Schwester und ihre Einstellung, meine Schwester hat damals (1992) sehr gelitten, ich war fast noch zu klein, um die ganze Situation um meine Mutter richtig zu verstehen.

    Mir blieb also nichts anderes übrig, als selbst mit meiner Mutter zu reden. Ich habe ihr gesagt, dass ich es nicht leiden kann, dass sie eine Lügnerin ist. Ich habe ihr erzählt, wo ich überall Alkohol gefunden habe, und dass sie sich verändert, wenn sie Alkohol trinkt. Ich habe sie gefragt, ob sie denn keinen Schluss aus ihren Erfahrungen gezogen hat.
    Sie hat sich meinen Vortrag stumm angehört. Dann hat sie versucht mir weis zu machen, dass sie sich an die Flaschen nicht erinnern kann. Dann hat sie gemeint "Wenn du mich mehr unterstützen würdest..." worauf ich gesagt habe "Ich bin nicht schuld an deiner Sucht". Sie hat sich einfach umgedreht und gegangen mit den Worten "Das verstehst du nicht!".

    WAS verstehe ich nicht?! Ich bin so wütend, dass sie unsere Familie wieder mal auf die Probe stellt. Ich bin wütend, dass sie so eine Egoistin ist. Was hat sie denn für Probleme, die sie uns nicht erzählen kann, die sie meint nur mit Alkohol bewältigen zu können?! Alkohol ist keine Lösung, das müsste sie doch besser wissen als alle anderen?! Warum tut sie sich das an? Warum tut sie uns das an?
    Sie ist erfolgreich, sie hat eine liebe Familie, sie hat keine Geldsorgen, was ist mit der Frau nur los?! Wir haben etliche Bücher über Alkoholismus und Alkoholsucht daheim, Bücher von Alkoholikern, etc. WARUM?

    Schlussendlich habe ich heute mit meinem Vater gesprochen. Er wollte mir anfänglich nicht glauben, bis ich ihm die Flaschen im Keller gezeigt habe. Er hat gemeint, dass es schon einen Grund geben wird, für ihr Verhalten. Und dass er heute nicht mehr mit ihr redet, weil sie schon schläft. Mehr hat er nicht gemeint. Er tut mir am meisten leid. Er hat schon so viel durchmachen müssen mit dieser Frau, zeigt mir einen Mann, der zu seiner Ehefrau steht, und sich nicht scheiden lässt, wenn die Frau ihn betrügt und alkoholkrank ist! Er hat ganz traurig ausgesehen.

    Aber ich glaube im Moment ist niemand unglücklicher als ich. Ich möchte nicht wissen, was in der Zukunft geschieht.

  • Hallo Vanillacoke

    Herzlich willkommen im Forum.

    Was du beschreibst, ist der Versuch deiner Mutter, kontrolliert zu trinken, das ich für fast unmöglich halte. Sie hat es früher nicht gekonnt, wieso sollte sie das heute können? Bis jetzt wird sie durch ihr trinken keine Nachteile erkennen können. Im Gegenteil, bei Festlichkeiten fühlt sie sich mit Alkohol dazugehörig, und ohne Alkohol als Außenseiterin. Warum, aus ihrer Sicht gesehen, sollte sie also damit aufhören?

    Leider könnt ihr im Moment nicht viel tun. Was ihr tun könnt, bzw. nicht tun solltet.

    - Ihr könnt versuchen, mit ihr über ihr Problem zu sprechen, versuchen sie zu überzeugen, dass sie so nicht weitermachen kann. Notfalls muss sie noch mal eine Therapie mitmachen. Wenn sie darauf aber nicht eingeht dann:

    - keine Belastungen abnehmen, sie muss nach wie vor ihre Aufgaben selbst erledigen.

    - Alkohol aus dem Haus schaffen nützt nichts, sie besorgt sich sofort wieder neuen, aber euer Verhältnis wird dadurch nur belastet.

    Wenn deine Mutter deinen Vater noch gern hat, hat er die einzige Chance etwas zu tun. Er hat die Möglichkeit ihr Grenzen zu setzen, Konsequenzen anzukündigen und notfalls auch durchführen. Inwieweit deine Mutter darauf reagiert lässt sich von hier aus allerdings nicht voraussagen, da ich weder deine Mutter noch deinen Vater kenne. Auf jeden Fall rate ich dazu, euch bei einer Suchtberatung zu erkundigen. Dort sind Profis, die jeden Tag mit solchen Problemfällen zu tun haben. In vielen Städten hat die Caritas diese Aufgabe übernommen. Auch in einer Selbsthilfegruppe könnt ihr Hilfe finden. Während eines solchen Gespräches tauchen immer wieder neue Fragen auf, die hier im Forum unbeantwortet bleiben.

    Für euren weiteren Weg wünsche ich euch viel Kraft

    Gruß Henri

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