Verdrängung der Alkoholprobleme

  • Hallo an Euch alle,

    ich bin mir nicht sicher, ob das hier hin gehört; wenn nicht, kann es ja verschoben werden. Ich muß etwas zu meiner Vorgeschicht loswerden:

    Anfang Juni letzen Jahres habe ich mit einem Freund einen sehr langen und körperlich anstrengenden Wald-Spaziergang unternommen. Nach ungefähr drei Stunden konnte ich wegen starker Schweißausbrüche und Herzrasen nicht mehr gehen und habe mich eine halbe Stunde auf einem Baumstamm ausgeruht. Den Rückweg zum S-Bahnhof habe ich nur in Gänseschrittchen geschafft, mit großer Angst, jeden Moment zusammenzuklappen.

    Sechs Wochen später, am Tag nach meinem Geburtstag (...) hatte ich wieder Herzrasen, Schweißausbrüche, habe hyperventiliert und konnte nicht mehr sprechen. Die Feuerwehr hat mich ins Krankenhaus gebracht und man hat einen Bluthochdruck von über 230 zu weit über 100 festgestellt und mich mit Nitro behandelt. Der Arzt sah, daß ich am Tag zuvor Geburtstag hatte und führte das auf "Feierlichkeiten" zurück. Mit Medikamenten wurde der Blutdruck einigermaßen unter Kontrolle gebracht.

    Auch bis vor wenigen Tagen habe ich Schweißausbrüche, vor allem aber Angstzustände und Atemschwierigkeiten gehabt (ich rauche seit zwei Jahren nicht mehr, die Atemprobleme waren aber akut). Besonders schlimm waren meine Angstzustände in engen Räumen, so auch im Auto. Beim Fahren habe ich manchmal angehalten, weil ich dachte, ich überlebe die nächsten Minuten nicht. Und das, obwohl der Blutdruck eingestellt war.
    Auch in Wohnungen bei Freunden und Verwandten bekam ich Beklemmungen und Angst, obwohl die Stimmungen entspannt gewesen sind.

    Ich habe im Traum nicht daran gedacht, daß das alles mit meinem exzessiven Saufen zu tun haben könnte! Andere saufen doch auch und haben so etwas nicht. Ich habe von diesen Problemen niemandem etwas erzählt und immer alles auf den "Kreislauf" geschoben. Wie blind war ich eigentlich?

    Meinen Blutdruck kontrolliere ich jeden Tag und habe bereits drei Tage nach meinem Sauf-Ende die Dosis des Blutdruckmittels halbiert, damit der Druck nicht zu niedrig wird. Das hätte ich nie gedacht.
    Meine Angstzustände sind ebenfalls weg und genau das Gegenteil ist eingetreten: ich treffe mich wieder gerne mit Menschen, auch in engen Räumen. Ich fahre Auto ohne Panikattacken.
    Mich interessiert, ob es unter euch auch jemanden gibt, der diese Angst - und Panikattacken erlebt hat. Sie waren für mich wirklich eine extreme Bedrohung.
    Der Mechanismus der Verdrängung funktioniert wahrscheinlich bis kurz vor Ultimo.

    Ich wünsche euch allen einen wunderschönen (wenn auch viel zu heißen) trockenen Tag!

    Peter

  • Hallo Petter,

    kann mich Karstens Worten nur anschließen.

    Ansonsten kann ich Dir sagen, das ich genau das von Dir geschilderte auch so erlebt habe in meiner nassen Zeit. Herzrasen, Schweißausbrüche, Angst in engen Räumen, Angst vor Angstanfällen beim Autofahren, bin kein Fahrstuhl mehr gefahren etc. Auch bei Feiern mit Freunden hatt ich schon vorher Angst, wurde dann ja "besser" mit dem Alkohol.

    Ich kam einmal sogar deswegen ins Krankenhaus, hab aber vom Saufen nichts gesagt, zu feige gewesen, war ja auch organisch alles ok.

    Es war bei mir am Ende soweit, das ich kaum noch das Haus verlassen konnte, vor der Arbeit was getrunken habe, um allein die Fahrt dahin durchzustehen. Ja, ich habe getrunken, wenn ich Auto gefahren bin, 1-2 Schluck Wodka davor, weiß nicht, ob es zur Führerscheinabnahme gereicht wäre...manchmal wünschte ich mir im nachhinein, das es so gekommen wäre, dann hätte ich handeln müssen. Wie traurig, aber es ist die Wahrheit, ich hätte es wohl auch weiter so gemacht, ich weiß, dafür bekomme ich hier heut noch Ärger, das ich das getan habe, ist aber leider die Wahrheit.

    Dafür und für viele andere Sachen schäme ich mich heute sehr, das geht auch nie weg, das schlechte Gewissen, damit muss ich für immer leben. Gott sei Dank ist nie was passiert, aber was hätte alles passieren können. Wenn ich da heute drüber nachdenke, wird mir ko...tzübel. Aber ich hab da damals nicht drüber nachdenken wollen.
    Ich wünschte, ich könnte das rückängig machen.

    Aber geht nicht, ich bin heute sehr erleichtert, das das alles vorbei ist. Ich bin erst jetzt wieder frei, und hatte diese Panikattacken NIE WIEDER in meiner Trockenheit. Darüber bin ich so froh, ich war dermaßen eingeschränkt in allem meinem Tun, erst jetzt bin ich seit über 4 Jahren davon frei.

    So, das war es dazu. Diese Freiheit, auch in anderen Dingen, will ich nie wieder hergeben.

    Lieben Gruß von der Lilly

  • Hallo,

    ich danke Euch für Eure Einschätzungen bzw. Euren Erfahrungsschatz!
    Dieses "Nichtwahrnehmen" und die damit einhergehende Verdrängung hat mich ungeheuer viel Nerven und Kraft gekostet. Wenn ich versuche, mich selbst rückblickend zu betrachten, könnte ich weinen und lachen. Weinen, weil ich im "Hinterköpfchen" immer gewußt habe, daß meine Sauferei mich zugrunde richten wird und ich nicht danach gehandelt habe. Lachen (aber nicht allzu viel), weil es eben so absurd war, immer neben sich zu stehen.

    Ich hatte meinem Tiefpunkt am 24. Januar 2006 und habe danach trotzdem noch fast ein halbes Jahr weiter getrunken - pardon: gesoffen. Solange habe ich gebraucht, mein überflüssiges Selbstmitleid in die Tonne zu werfen und an die Ursache des elenden Daseins zu gehen: den Alkohol.

    Es ist sehr, sehr schön, nun ohne Beklemmungen, Herzrasen, Atemnot und was uns der Alkohol noch alles beschert, aus dem Haus zu gehen. Und damit frei leben zu können.

    Ich wünsche Euch alles Gute!
    Peter

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