Hallo Leutz,
ich hab' euch heute beim Surfen entdeckt und mich gleich mal angemeldet. Ich bin Micha, 44 Jahre und denke ich bin hier wohl richtig, weil ich nach langjährigem chronischen Alkoholmissbrauch nun gemäß eurer Laufüberschrift ein Leben ohne Alkohol leben möchte und werde. D.h. natürlich nicht gemäß der Überschrift, sondern weil ich schon lange davon geträumt habe und mir diesen Wunsch nun erfülle.
Ich war ""nur"" Biertrinker. Der Nachfeierabend-Typ. Wenn alles getan ist. Der Einäugige unter den Blinden. Der der immer noch ganz gut funktioniert hat (von außen gesehen). Ohne sichtbaren sozialen Abstieg oder äußerlichen körperlichen Verfall. Nicht mal eine Bierwampe hat sich dauerhaft eingestellt, da ich als Gärtner immer genug Bewegung hab'.
Ich scheine in meinem Umfeld der einzige gewesen zu sein, der bemerkte wie sehr ich schon nicht mehr bestimmt habe, wie ich mit dem Trinken umgehe, sondern "Es".
Vielleicht hat es auch nur keiner gesagt, die meißten meiner Bekannten und auch aus der Familie sicher mit gutem Grund ... weil sie selber auf dem unheilvollen Weg der fortschreitenden Alkoholsucht sind und dieses Thema "natürlich vorsichtshalber" aus eigenem Interesse nicht berührt haben.
Ich schaue schon seit Jahren kritisch auf meine Weg und mein Umfeld und habe schon seit einiger Zeit nach und nach Verhaltensweisen und meine Umgang mit Leuten verändert - Richtung weg vom Alk - ohne zunächst völlig vom Alkohol zu lassen. Ich hatte immer so Phasen. Mal trank ich ne Woche, dann eine nicht ... aber ohne feste Zeiten oder Regeln. Nur eins war schon lange da und verfestigte sich immer mehr: ich hasste dieses,mein abhängiges Verhalten. Ich wusste schon lange, dass ich nicht aus Genuss trank und - einmal angefangen - immer schlechter aufhören konnte.
Über meinen eigenen Konsum mache ich mir seit mindestens 15 Jahren Gedanken, seit ich damals einen Kumpel mit dem ich mit 15 oder 16 Jahren auf Partys anfing zu trinken bei einer Langzeitthrapie besuchte und in der Gruppe nicht so recht wusste, ob ich jetzt ein Besucher oder ein Insasse war.
Mein letztlicher Auslöser zu sagen "Ich werde den Rest meines Lebens klar gestalten" war ich selbst. Ich hörte mich zu eben diesem Kumpel (der nach einigen Rückfällen nun 2,5 Jahre trocken und in der Form seines Lebens ist) sagen: "Manchmal beneide ich dich richtig. Du hast es wenigstens schon hinter dir."
Gemeint war die Entscheidung, den Alkohol total aus dem Leben zu entfernen.
Ich laborierte ja immer mal so hin und her und machte mir wohl immer noch einigermaßen erfolgreich vor, dass ich was besseres oder noch nicht so schlimm war, weil ich ja schließlich kein Schnaps wie er trank und nichts tagsüber. Aber dennoch bestimmte der Stoff auf seine Art meinen ganzen Tag.
Ich hatte, als ich mich diesen Spruch sagen hörte gerade völlig sinnlos-kontraproduktiv mit ein paar deftigen Bierexzessen versucht eine missglückte Herzensangelegenheit zu "bewältigen". Das war Anfang Juni diesen Jahres.
Seit dem 8. Juni habe ich mich endlich zum ersten und einzigen Male aufgemacht, nicht mehr herumzueiern um eine mögliche Rückschraubung meiner Alkoholkrankheit oder einen dosierten Umgang mit dem Gift, sondern habe begriffen, dass sowohl körperlich wie geistig nichts mehr anderes für mich in Frage kommt, als mich nicht mehr mit dieser süchtigmachenden Substanz zu infizieren. Nur so hat mein Eiertanz und die Quälerei ein Ende. Nur so und sonst nicht.
Und ich bin froh, an diesem Punkt angelangt zu sein, denn ich wusste schon lange, dass es keine andere Lösung geben würde.Und ich habe beileibe genug Zeit bereits damit verspielt, Seifenblasen zu pusten, die mir schillernd bunt vormachten, ich hätte das irgendwie im Griff.
Ich weiß, dass ich vom Zeitraum her ein Küken bin, nicht aber von meiner Einsicht.
Auf die Idee solch' eine virtuelle Selbsthilfegruppe zu besuchen bin ich gekommen, weil ich damit vor über 2,5 Jahren gute Erfahrungen gesammelt habe, als ich erfolgreich meine schwere Nikotinsucht abstreifen konnte.Ich bin real nicht gerade das was man einen "Gruppenmenschen" nennen würde. Ich fühle mich unter 4 Augen wohler. Den Effekt, den ich aus diesem Nichtraucherforum kenne, weiß ich jedoch sehr zu schätzen und habe die Teilnahme daran im Nachhinein für sehr wichtig gehalten und bin bis heute auf eine Art dabeigeblieben.
Also ich finds prima und imens wichtig, dass es solche wie eure Anlaufstellen gibt und denke, dass das Internet in dieser Hinsicht eine absolute Bereicherung darstellt.
Ich bin davon überzeugt, dass der schlimmste psychische Effekt jeder fortschreitenden Suchtkrankheit die innere Vereinsamung ist und das Reden darüber -real oder virtuell - der erste Schritt ist zur Wiedererlangung der natürlichen Freiheit ....
In diesem Sinne wünsche ich allen einen schönen Abend
Micha