Hallo liebe Leute. Dieser Beitrag sollte eigentlich ne Antwort in Yorkies Thread werden. Aber dann ist mir die Sache etwas entglitten und ich habe auch gesehen, dass in Yorkies Thread unterdessen weitergeschrieben wurde, sodass der Anfang vielleicht nicht mehr ganz aktuell sein könnte.
Ich pack' meinen Beitrag jetzt in einen extra Faden
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Hallo Yorkie und Bärchen,
ich grüß' mal euch beide, weil ich auch ein 12-Wöchner bin.
Sag' mal Yorkie, ich hoffe du hast nicht aus Versehen manchmal sogar den Rückwärtsgang drin?
Du bist in deinem Thread "Mir geht es schlecht" schon einmal so ruhig geworden, um dann mit der Nachricht zu überraschen, du hättest dich von deiner Freundin getrennt.
Wie geht es dir denn mit der Tennung ? War das so einfach ? Oder hat das überhaupt noch Bestand ?
Was brütest du diesmal aus ... ?
Ich, wie gesagt bin auch 12 Wochen nüchtern und ich finde das total spannend. Ich mein' das durchaus nicht nur locker, sondern mitunter sogar auch sehr ver-spannend.
Mich hält der Alkohol in meinem Kopf ganz schön auf Trab muss ich sagen. Er ist mein fast ständiger Begleiter.
Beschäftigt er mich ? Oder beschäftige ich mit mit ihm ? Schonmal eine brennende Frage für mich. Beschäftige ich mich freiwillig oder drängt er mir das auf?
Na sowohl als auch würde ich sagen. Nicht freiwillig in dem Sinne, dass ich mich darum reißen würde, aber indem Sinne, dass ich seinem Drängeln gerne nachkomme, weil ich weiß, dass ich es sonst nie loswerden kann. Wenn ich das wegschiebe und abtue und verdränge, wird es nicht gehen. Nicht von allein. Es wird bleiben und mich dann mein Leben lang begleiten. Das wird es wohl so oder so, aber wie genau kann ich doll beeinflussen. Das hab' ich kapiert und das nimmt mir die Angst.
Es wird mich begleiten, aber nicht lebenlang quälen. Nicht mehr. Die Quälerei hat ein Ende. Ich lasse mich nie wieder von diesem Gift in die Zange nehmen.
Bei Zange fällt mir ein Bild ein: Das Krokodil ist der Alkohol. Es ist lebensgefährlich für mich. Ich habe Angst, weil ich das große Maul sehe und die Zähne, die mich zerreißen können. Ich habe Angst, weil es einen ungleichen Kampf gäbe, wenn ich ihm die Wahl der Waffen überließe.
Aber das mache ich nicht mehr. Jetzt wird mit meinen Mitteln gekämpft - dh. nein ... es wird überhaupt nicht mehr gekämpft. Ich sitze ganz gemütlich auf seinem zusammengeklappten Kiefern und es bekommt die Zähne nicht mehr auseinander. Manchmal ruckelt es mit dem Kopf, um mich abzuschütteln, aber ich bin dabei zu lernen auf ihm sicher zu bleiben wie ein Cowboy auf einem wildgewordenen Stier. Ab und zu hält es still und schaut mich traurig an, um mein Mitleid zu erwerben ... aber nicht mit mir. Dann wieder schaut es aggressiv und droht mir.
Ich aber sitze komfortabel auf seinem Maul und stricke weiter an seinem Maulkorb.
Das Strickenlernen tu' ich hauptsächlich hier im Forum und möchte mich ganz herzlich bei euch allen dafür bedanken, die ihr hier seid und mir zeigt wie man die Nadeln hält und wo man sich Wolle besorgen kann und mich darauf hinweist, wenn ich mal eine Masche fallengelassen habe. Alle die ihren Teil dazu tun das wir alle gemeinsam auf des Krokodils Nase sitzen können, ohne Angst.
Ich sehe mich in einer Phase, wo ich das Innere und das Äußere meines Trocknungsprozesses übereinader bekommen möchte.
Innen ist das für mich klar wie Kloßbrühe. Ich habe die richtige Entscheidung für mich getroffen, indem ich mich entschied, nie wieder Alkohol in meine Organismus eindringen zu lassen. Ich hatte nie einen Zweifel daran, seit ich mein letztes Bier trank. Ich bin ganz sicher, dass diese für immer richtig ist. So ist es einfach, denn ich brauche diese Frage nie wieder zu überprüfen und spare so wertvolle Zeit und Kraft. Zeit und Kraft, die ich in mein Trockenwerden investiere. Hier ist sie gut angelegt, wie ich finde.
Ich habe mich die drei Monate von innen beleuchtet und bin darauf gekommen, mit mir - soweit es mein bisheriges Leben zuließ - im Reinen zu sein, was mich und meine Entscheidung betrifft. Ich habe mir für mich eine brauchbare Basis angelesen, angeschrieben, angesprochen und angedacht.
Mit dem selbstverständlicheren Transport nach außen klemmt es noch ein bisschen für meinen Geschmack. Aber ich habe auch damit begonnen und ahne bereits, dass meine (vielleicht zu große) Schüchternheit damit gar nicht angebracht ist. Denn ich kenne mich so, dass ich wenn ich für mich etwas klar habe - was vielleicht nicht so häufig vorkam bisher - dann auch keine Problme habe, dies nach außen zu transportieren und zu vertreten. Vielleicht sollte ich gar nicht sagen, dass es klemmt, sondern dass ich einfach noch nur zögerlich praktizierte. Die Erfahrungen, die ich gemacht habe, gingen von sehr gut bis neutral.
Heute habe ich am Telefon meiner Schwägerin eine Einladung für ein Konzert abgesagt. Ich sagte ich wäre Alkoholiker, hätte mich entschieden, nie wieder Alkohol zu trinken und diese Konzertsituation wäre mir momentan zu unübersichtlich. Ich hab' mich kaum wiedererkannt. Kein Lawieren oder Ausredensuchen - ich hab' kurz nach alter Manier überlegt, wie ich aus der Nummer jetzt 'rauskomme und dann ist mir rasch die Wahrheit eingefallen. Das war schön einfach.
Sie hat es hingenommen, als wenn ich ihr mitgeteilt hätte, in China wäre der berühmte Sack geplatzt. Das war die neutrale Reaktion. Ich kann sie mir auch erklären, denn ich weiß um ihr eigenes Problem mit dem gleichen Wirkstoff.
Aber ich merkte auch, dass mir die Reaktion nur zweitrangig war. Wichtiger war, dass ich mich die Wahrheit habe sagen hören. Die Wahrheit, die ich mir in den letzten drei Monaten erarbeitet habe. Ich war gelassener dabei als ich gedacht hätte. Es war fast wie ein Tagesordnungspunkt abgehakt, ganz komisch aber ok.
Das Outing in diese Richtung der Familie ist nicht ganz unwichtig, weil da bei uns der Alkohol im Allgemeinen eine große Rolle spielt, aber wir sind durchweg bürgerlich gut getarnt.
Na und gestern sprach ich mit einer guten Freundin auf einem Spaziergang, mit der sofort Tacheles gesprochen werden konnte, weil sie Mitglied in einer SHG für Cos ist und neuerdings auch in eine für Essgestörte geht und auch mit Therapien verschiedenster Art vertraut ist. (Mit leider mäßigen Erfolg, aber das ist eine andere Geschichte). Ich habe bei ihr offene Tore eingerannt auch von sich noch mehr zu erzählen. Wir waren uns vielleicht näher denn je.
Und dann wäre da noch mein trockener Sandkastenkumpel, den ich vor etwa 15 Jahren bei seiner Langzeittherapie immer besucht habe und seitdem über meinen eigenen Konsum nachdenke. Er ist so ein bisschen mein Wegbereiter zu meiner Einsicht. Das würde ich jetzt heute so sagen, es war mir nie bewusst. Ich glaube ich werde ihm das am Freitag sagen, wenn wir zusammen unseren freien Tag in der Sauna genießen.
Wenn ich mich so schreiben höre, läuft mein Outing eigentlich ganz gut, weil es nämlich gar nicht soviel mehr Leute gibt, bei denen ich mir überhaupt denke, dass sie es wissen müssen. Dürfen schon, aber das muss sich dann ergeben.
Ich bin froh, dass ich soweit gediehen bin, dass ich eine ungefähre Vorstellung bekomme, wie er auch nach draußen aussehen könnte, der nüchterne Micha.
Ich mach' auf jeden Fall so weiter, denn ich spüre ganz klar, dass ich mich ohne permanente Vergiftung viel besser entwickle und mich beginne zu finden.
Ich fange sogar an froh darüber zusein, dass ich Alkoholiker bin, wenn sich das auch komisch anhört. Aber ich habe schon sooo lange gemerkt, dass etwas mit mir nicht in Ordnung war und das es immer schlimmer wurde und ich nicht wusste was es war und es mir Angst gemacht hat, dass es immer schlimmer wird und ich ihm hilflos ausgeliefert bin.
Jetzt kenne ich endlich den Feind und kann ihm erhobenen Hauptes und offenen Auges entgegentreten.
Ja, ich bin Micha und ich bin Alkoholiker.
Also Mensch, jetzt biste aber ins Quatschen gekommen (kleiner Monolog).
Ich hoffe, ich habe euch nicht zulange aufgehalten und bedanke mich für's Lesen.
Mir fällt es leicht mit euch die Zeit zu verbringen und bin froh, dies tun zu können, weil ich überhaupt nichts verpassen würde außer gerade das achte Bier zu öffnen um dabei die 10te Tatortwiederholung zu glotzen.
Also liebe Leute, haltet alle die Ohren steif, lasst das erste Glas stehen, bleibt am Ball und einen schönen Abend für euch wünscht
Micha