Was quallifiziert einen Therapeuten oder Psychologen

  • Ich eröffne hier mal einen neuen Thread. Die Frage stammt von Karsten:

    Mich interessiert sehr, was die Motivation ist, eine Therapeutin oder einem Psychologen aufzusuchen?
    Was sagen die anderes oder warum werden sie "höher" oder "klüger" ( mir fällt kein anderes Wort ein ) eingeschätzt, als jemand, der hier schreibt und die Sucht selbst erlebt hat?

    Was quallifiziert einen Therapeuten oder Psychologen, der sein Wissen nur aus Bücher kennt? Die Praxis haben solche Leute doch nie erlebt.

  • Hi Karsten,
    ich schätze Therapeuten oder Psychologen persönlich nicht unbedingt "höher" ein als selbst Betroffene. Ich nehme einfach jede Möglichkeit wahr, mich mit der Krankheit meines Mannes auseinanderzusetzen und mich zu informieren. Und ich denke, man kann sich auch selbst die nötigen Informationen beschaffen, wenn man sich der Krankheit bewußt ist, sich damit beschäftigt...

    Ich denke, die Sache, die viele Therapeuten oder Psychologen qualifiziert, ist das besagte "Hintergrundwissen". Die Dinge, die die Betroffenen nicht wissen können (auf jeden Fall nicht direkt). Die Sachen, die in den Büchern stehen, wie Alkoholabhängikeit - Gene, Einstiegsdrogen, wie man in die Sucht "reinrutscht", was im Hirn passiert, wie die Familie die Sucht unterstütz etc. - halt dieses ganze Drumherum...

    Ärzte, Therapeuten und Psychologen sehen das Ganze aus einer "unabhängigen" Sicht. Und sie können unbewegt sprechen - Gefühle spielen von ihrer Seite aus keine Rolle, weil sie mit dem Abhängigen sowie mit dem Co sozusagen nichts zu tun haben...

  • Hallo,

    ein Therapeut wird immer eine unabhängige Institution darstellen, die ein Angehöriger niemals erreichen wird. Und ein Kranker ist durch Erlebnisse, Verletzung ganz anderer Art dazu gekommen, im Alkohol Trost zu suchen. Und häufig sind diese Verletzungen / Erlebnisse ( z.B. einer von drei Geschwistern hat sich immer ausgeschlossen gefühlt, Erlebnisse in der Kindheit) über Jahre von Verwandten unbeabsichtigter Weise gemacht worden. Und leider ist es so, daß labile Menschen nicht damit umgehen können und sich eher noch da rein steigern und so in eine Spirale hineingeraten, aus der sie häufig nicht mehr heraus finden.
    Aber für die Angehörigen ist es um so schwieriger mit Ihrer Hilflosigkeit umgehen zu müssen. Ich bin sicher, jeder würde seinem kranken Angehörigen einen Therapeuten gerne zur Seite stellen - leider kommt die Einsicht der Betroffenen häufig erst nach für alle Beteiligten quälenden Jahren.

    Ich bin froh, daß es dieses Forum gibt - man fühlt sich nicht so allein. Und ich bin froh, daß es Psychologen gibt, die doch dem einen oder anderen auf einen Weg aus der Misere behilflich sind.

    Vögelchen

  • ...ich glaube, der entscheidende Unterschied besteht darin, daß ein Psychotheratpeut und damit meine ich nicht einen Arzt.. es gelernt hat das eigene Verhalten des Klienten zu spiegeln. Dazu gibt es komplizierte Verhaltensmechanismen, die man nur in vielen Jahren erlernen kann - auch ohne selbst betroffen zu sein. Außerdem ist es eine persönliche Begegnung. Der Therapeut hat es erlernt, sich vollkommen obejktiv zu geben, Emotionenen seinerseits dürfen einfach keine Rolle spielen.

    Ich habe das über viele Jahre so erlebt und bin immer fast verzweifelt an der glatten Fläche des Therapeuten, doch geholfen hat es mir, mich auf mich zu besinnen und mich auf das Wesentliche zu konzentrien.

    Außerdem würde ich Psychologen und Betroffene nicht gegeneinander vergleichen, oftmals ergänzen sie sich. Jeder auf seiner Strecke.

    Sophia

  • Hi Karsten!

    Es kann ja sein, dass der Therapeut sein "Feierabendbier" trinkt. Jedoch muss er deshalb ja nicht auch direkt abhängig sein und das Gegenteil von dem Leben, was man selbst erlernen möchte...

    Der Therapeut hat einfach die theoretischen Tipps und Ratschläge, der Betroffene die praktischen, die erlebten... beides kann man glaube ich gut vereinbaren und für sich selbst nutzen!

  • Moin !

    Also ich habe, wie schon berichtet, an einer therapeutischen Gruppe in einem KH teilgenommen, und das über 3 Jahre. Die Gruppe bestand aus Betroffenen von (fast) "frisch aus dem klinischen Entzug" bis zu "10-Jährigen", insgesamt waren ca. 7 Personen. Die Gruppe wurde geleitet von einem Therapeuten und einem Neurologen (Fachgebiet Sucht). Die Gespräche und Themen haben sich aber auch teils selbst frei entwickelt und entfaltet. Für mich waren die Eingebungen und das fachliche Know-how, auch Hintergründe erklärt zu bekommen und zu diskutieren, sehr wichtig. An dieser Stelle allen Beisitzenden von damals herzlichen Dank für mein heutiges Dasein in Freiheit.

    Gruß, Freund.

  • Hallo,

    das was ich jetzt schreibe hat mit dem Alkohol nichts zu tun aber mit den Psychologen, ich habe sehr schlechte Erfahrung sammeln müssen und zwar ging es dabei um meinen Sohn durch ein Gutachten der nicht mal 100% der Wahrheit entsprach und irgendwelche Statistiken wurde meines Sohnes und mein Leben für über ein Jahr zu Hölle, es ging sogar so weit das mir mit der Wegnahme des Kindes gedroht wurde. Die Behauptungen nicht nur eines Psychologen dass es das Beste für das Kind ist waren falsch mein Sohn musste sehr darunter leiden heute ist der Spuk vorbei und ich habe ein glückliches Kind zu Hause. Ich vertraue den Menschen die mir die Nüchternheit vorleben keinen Theorien.

    Viele Grüße
    Maria

  • Hallo,

    ich glaube, hier kann ich aus eigener Erfahrung auch berichten.

    In meinen verzweifeltsten Situationen, wenn ich glaubte, ich bin total am Ende mit mir und meinem Leben, ging ich in Therapien, immer zu Fachleuten, Psychiatern und Psychologen, wer sollte besser helfen können...

    Ich war anfangs immer sehr vertrauensbereit, ich suchte Hilfe, ich hoffte auf kompetente Hilfe. Ich war nach spätestens 5 Sitzungen enttäuscht, ich fühlte mich in eine "psychologisch kranke Gruppe" eingeordnet, ich merkte es an den Antworten, ich merkte, ich vertraute nicht mehr, weil man mich nach einem Muster behandeln wollte. Ich wollte nicht anerkennen, daß ich ein Muster war.

    Mein Vertrauen in Fachleute dieser Branche ist sehr zurückgegangen. Der Letzte wollte mich in Privattherapie behandeln, das viel viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Ich erkannte die kommerziellen Interessen, das war vor einem dreiviertel Jahr.

    Im Juni machte ich den Beginn der Alkoholtherapie, weil ich Hilfe suchte für meine psychischen Probleme, sofort Hilfe fand in einer Praxis mit 2 Allgemeinärzten und 8 Psychologen.

    Mein Abschlußgespräch führte ich mit einer Psychologin, die mir wortwörtlich sagte, sie hatte noch nie ein Suchtproblem... ich hatte jede aufgekommende Vertrautheit damit sofort verloren, weiß sie überhaupt, wovon ich spreche?

    Ich glaube heute, einen guten, an dem eigentlichen Individum interessierten Psychologen zu finden ist wie der Glückstreffer im Lotto. Hier, in dieser virtuellen SHG finde ich wirklich Betroffene, mit allen Eigenschaften, die ich auch habe. Mit völlig anderen Voraussetzungen und Erfahrungen. Die Auseinandersetzung ist direkter, also auch "derber" und bringt mich viel schneller zu meinen eigenen Befindlichkeiten, meine Grenzen zu erkennen, zu sehen, wo ich bin auf meinem Weg. Vorausgesetzt, ich will ehrlich etwas verändern, denn keiner erkennt mich so gut, wie einer, der den Weg schon selbst gegangen ist.

    Ich glaube, es gibt nichts besseres, als ehrlich mit seinesgleichen in der Problematik zu sein, gerade mit denen, die den Weg schon gegangen sind und die Hürden selbst erlebt haben, ich denke, wenn es auch manchmal nicht professionell wirkt wie sie antworten, sie antworten Dir alle als Mensch, die Wege suchen oder schon gefunden haben abstinent oder unabhängig zu leben, da sie sich mit den Problemen, die Du hast, bestens auskennen.

    Ich habe hier auch meine Schwierigkeiten, es ist sehr schmerzlich mich selbst zu erkennen, aber ich kann mich erkennen, besser als es mir ein nichtsüchtiger Psychologe vermitteln könnte.

    Angela

  • ich bin ja noch relativ "grün hinter den Ohren", was die Trockenheit angeht, aber ich glaube jede gelebte Trockenheit (sei es in Form von SHGs, etc. oder im Erfahrungsaustausch wie z.B. in diesem Forum) ist hilfreicher als ein Therapeut

  • Hallo Zusammen,

    ich kann nur für mich als Co-Abhängige sprechen. Allerdings denke ich inzwischen, dass die Krankheitsursachen und Bewältigungstrategien Abhängiger und Coabhängiger gar nicht so unterschiedlich sind. Das Suchtmittel ist nur ein anderes, beim einen ist es der Alkohol, beim anderen der Betroffene.

    Meine Motivation für eine Psychotherapie war und ist mich aus meiner Co-Abhängigkeit zu befreien. Ich habe, wenn ich das hier so lese, sehr viel Glück gehabt eine gute zu finden, mit der auch noch die Chemie stimmt. Allein die Therapie hätte mich aber nicht so weit gebracht, wie ich heute schon bin. Ich brauche und nutze beides die therapeutische Betreuung sowie die SHG.

    In der SHG finde ich Menschen denen es genauso geht wie mir. Ob nun hier virtuell oder in der realen Welt. Ich fühle mich aufgehoben und nicht mehr allein mit meinem Problem. Was an sich schon eine sehr große Hilfe ist. Wobei ich auch den persönlichen Kontakt brauche, ein Gegenüber. Wenn es mir nicht gut geht, ist immer jemand da, der mich auch mal in den Arm nimmt. Jemand von dem ich weiß, dass er weiß wie es mir geht, der meine Probleme versteht. Allein mit dem Forum, der Anonymität der virtuellen Welt käme ich nicht zu recht.

    Ich betrachte die Geschichten der anderen als Spiegel, versuche mich selbst wieder zu finden und dadurch zu lernen. Indem ich versuche mich in den anderen hinein zu versetzen und ihm zu helfen, beschäftige ich mich auch automatisch wieder mit mir und meiner Krankheit und komme meist auch für mich wieder ein Stück weiter.

    Damit beschäftige ich mich für mein Empfinden aber nur mit den Symptomen, meiner Krankheit Co-Abhängigkeit, nicht aber mit der Ursache für diese Krankheit.

    Mit der Psychologin arbeite ich an den Ursachen, an der Betrachtung meiner Person, was mich ausmacht. Was ich getan bzw. nicht getan habe, damit es soweit kommen konnte, ein für mich absolut schädliches Verhalten zu entwickeln.

    Es geht dabei nur sekundär um meine Coabhängigkeit. Primär geht es um mich, darum wo ich etwas an mir ändern etwas muß, um mit meinem Leben grundsätzlich wieder klar zu kommen. Was nutzt es mir loslassen zu wollen, wenn ich nicht weiß warum ich klammere. Es geht darum die Ursachen für mein für mich ungesundes Verhaltensmuster zu finden. Ich bin der Meinung, erst wenn ich weiß warum ich etwas tue, kann ich es dauerhaft ändern.

    Dabei betrachte ich es von Vorteil, dass sie „nur“ eine Theoretikerin ist, die ihr Wissen aus Büchern und Erfahrungen mit Gleichgesinnten von mir hat. So kann sie ihren neutralen Standpunkt beibehalten, ohne von Emotionen geleitet zu werden. Ich habe diese Neutralität zumindest sehr schätzen gelernt und es hat mir geholfen, mehr über mich als Person heraus zu finden. Ich habe inzwischen eine sehr viel höhere Meinung von mir selbst. Etwas was ich in dieser Form allein oder nur mit Hilfe Betroffener nicht geschafft hätte.

    Einen schönen Abend wünscht….

    Skye

  • Tja, was qualifiziert einen Therapeuten oder Psychologen, was eine SHG ?

    Also erst einmal möchte ich feststellen, dass hier der Erfolg nicht nur vom Gegenüber, von der Institution, an der ich teilnehme, abhängig ist.
    Wir sprechen hier ja nicht von Friseuren, die eine einseitige Dienstleistung abgeben.

    Therapeuten und Psychologen sowie auf der anderen Seite SHG`s (Mitbetroffene) vermitteln grundlegend andere Informationen.

    Wichtig ist es, denke ich, dass man initiativ mehr gibt (d.h. sich mehr in den Dialog einbringt und sich gedanklich damit beschäftigt) als dass man von dem Gegenüber mehr erwartet , sei es denn, weil das ja nun ein "Fachmann" ist, nach dem Motto: Wenn der mir nicht helfen kann, taugt der nichts.

    Ferner kommt es noch auf die Beziehungsebene drauf an, dass man sich verstanden, geborgen und wohl fühlt.

    Das nur als Gedankenanstoss.

    Gruß, Freund.

  • Korrektur :

    statt: Wir sprechen hier ja nicht von Friseuren, die eine einseitige Dienstleistung abgeben.

    korrekt: ... deren einseitige Dienstleistung den Erfolg bestimmt.

  • Und ein letztes Mal ! Ich hoffe, dass ich von Karstens Grundfrage nicht zu sehr abweiche.

    Als ich meinen Tiefpunkt erreicht hatte, wusste ich, es muss sich etwas ändern, nein, ich muss etwas ändern.

    Ich wollte mein Leben ändern.

    Zu dieser Maßnahme habe ich Hilfsangebote in Augenschein genommen, die ich für mich gewertet habe und letztendlich eine Wahl getroffen.

    Ich wusste aber, dass ich an mir arbeiten muss.

    Letztendlich war das für mich auserwählte Hilfsangebot eine enorme Stütze, den Erfolg aber habe ich mir erarbeitet (so mein Denken und das meiner Gruppe und Therapeuten).

    Bei Misserfolg hätte ich die Schuld nicht bei Dritten gesucht.

    Gruß, Freund.

  • Hallo,

    Ich persönlich sehe es so:

    Die Sucht ist doch nun mal, wie ich denke unumstritten eine seelische Krankheit, bei der die eigene Persönlichkeit auf eine gewisse Weise „ zerstört“ wird.
    Ich habe den Alkohol auch eingesetzt um die seelischen Probleme und um Konflikte zu lösen. Und diese erst einmal für mich zu erkennen, um sie heute gut und suchtmittelfrei bewältigen zu können war für mich persönlich sehr wichtig. Niemand wird mal eben aus Jux und Dollerei Alkoholiker.

    Ich habe es hier immer wieder betont: Für mich persönlich war die Therapie auch im Nachhinein, nach fast 2 Jahren betrachtet sehr wichtig. Die Therapeuten haben mir, nachdem ich das wollte und somit initiativ wurde, mein Rüstzeug mitgegeben, um ein zufriedenes Leben zu haben ohne das Suchtmittel Alkohol. Sie waren ein für mich wichtiger Teil des Ganzen, ohne sie „höher“ oder als „Allheilmittel“ einzuschätzen. Ich schätze aber (auch abseits dieses Themas) grundsätzlich niemanden höher ein.

    Die Praxis lerne ich heute nicht mehr von Therapeuten, sondern im Erfahrungsaustausch mit trockenen Alkoholikern. Das ist gut und richtig, und für mich eine Art „Lebensversicherung“.

    Ich persönlich sage nochmal, auch wenn es Spekulation sein mag, dass ich ohne Therapie wohl nicht an dem Punkt angelangt wäre, wo ich heute bin, nämlich zufrieden trocken zu leben, und das verdanke ich auch den Therapeuten.
    Mal auch ein wenig provokativ, aber keinesfalls böse gefragt, was das angesprochene Thema Vertrauen angeht. Würde ich zu einem Arzt sagen, ich lasse mir von Ihnen nicht meine Krebs behandeln, weil Sie selber keinen Krebs haben ???

    Es gibt meiner Meinung nach nicht das Allheilmittel. Jeder muss es nun mal für sich selber eigenverantwortlich und initiativ und somit aktiv herausfinden, wie er sich aus der Sucht befreien kann, denn letztlich zählt ja nur das, um ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit führen zu können.

    Ich bin nach wie vor jeden Tag immer wieder neu dankbar dafür, dass ich einen Weg gefunden habe. Ich werde auch nicht müde, dass immer wieder zu betonen.
    Ich wünsche jedem von Herzen, dass er für sich einen Weg findet, der zum Ziel führt, egal, wie er auch aussehen mag.

    Und in dem Sinne grüßt herzlich

    Joachim

  • Hallo,

    ich würde nie sagen dass jemand nicht zu einem Therapeuten gehen soll, ich möchte sagen dass ein Psychologe mit Ausbildung und ziemlich langen Beruflichen Erfahrung wie ich es erlebt habe, kann falsche Schlüsse ziehen, Fehler machen, falsche Entscheidungen treffen, so dass das Leben des Betroffenen ernormt sich negativ verändern kann (muss nicht), das ist mein Erlebnis. Da würde man vielleicht jetzt sagen, dass ein Psychologe auch nur ein Mensch ist der ja auch Fehler machen darf, aber da möchte ich dann sagen es geht um mein Leben und ich muss mit diesen gemachten Fehler von dem Psychologen jetzt leben, nicht der Psychologe er hat mich schon längst vergessen. Aber wir sind alle nur Menschen. Das ist mein Gedanke!!!!

    Viele Grüsse
    Maria

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