meine mutter

  • Hallo Squirell,
    ich habe eine Tochter, die kurz vor ihrem 18.Geburtstag ausgezogen ist weil sie es mit mir als Alkoholikerin nicht mehr aushalten konnte.

    Ausschlaggebend waren verrückte Telefonate- gerichtet an ihren ersten Freund- Ich war eifersüchtig- mein Kind gehört mir(wir lebten seit ihrem 2.Lebensjahr allein zusammen)- habe halt nur Mist gebaut im Suff !

    Sie hat mir gesagt: Mama, hättest Du nicht getrunken, dann wäre es nie zu derartigen Telefonaten gekommen. Ihr Freund hat sich dann tatsächlich von ihr abgewandt(fand die familiäre Situation wohl zu anstrengend) und meine Tochter hatte dadurch ihre 1.große Liebe verloren.

    Heute, nachmdem ich nicht mehr trinke- kann ich gut nachvollziehen, dass es der einzig richtige Schritt war : mich zu verlassen.

    Danach hat es allerdings noch einige Monate gedauert bis ich zu Verstand gekommen bin.

    Heute bin ich dankbar, dass sie sich von mir abgewandt hat. Sie hat nie gesagt, dass sich mich nun hasst- sie hat seitdem ,bis zum heutigen Tag ,aber auch nicht mehr gesagt: Mama, ich hab Dich lieb.

    Damit muss und will ich leben. Das ist der Preis für meine Trockenheit.

    Mittlerweile haben wir beide uns durch die räumliche Trennung und Distanz körperlich und seelisch erholt. Wir sehen jetzt alles aus einer gewissen Entfernung und klarer.

    Sie hat gemerkt, dass ich es ernst meine und anfange mein Leben wieder in den Griff zu bekommen- alleine- ohne ihre Hilfe.

    Als 12-jährige hat sie mir mal gesagt: Mama, ich musste viel zu früh erwachsen werden und fühlte mich für Dich verantwortlich. Wenn andere Kinder auf der Strasse unbekümmert spielten- konnte ich es nicht genießen weill ich Dich durch das offene Küchenfenster weinen hörte oder du mal wieder stumpfsinnig aus dem Fenster geschaut hast.
    Sie hat mich häufig aus nackter Hilflosigkeit körperlich angegriffen. Ich habe nie zurückgehauen weil ich ein schlechtes Gewissen hatte. Manchmal hat sie mich sogar aufgefordert, dass ich sie zurückschlagen soll.

    Das und wenn ich weinte, hat sie sehr belastet. Erst als sie 18 war hat sie den Entschluss gefaßt ,keine Verantwortung mehr für mich zu übernehmen und das war ihre Rettung und auch meine!
    Ich habe angefangen Nachzudenken und gehandelt.

    Inzwischen kommt sie in denSchulpausen mal vorbei- oder so wie gestern spontan zum Mittagessen- Oder in mein Büro, erzählt mir wieder von ihren Unternehmungen, etc.

    darüber freue ich mich sehr- sie macht es aus aus freiwilligen Stücken und nicht weil ich es einfordere.

    Ich habe soviel Gutzumachen- wenn das überhaupt möglich ist.
    Geschehenes kann ich nicht mehr rückgängig machen- ich kann aber sehr wohl Vieles wieder besser machen.

    LG Claudi

  • hi squirrel,

    ich finde mich in deiner geschichte wieder. bin jetzt 39, und meine mutter trinkt, seit ich denken kann. in nüchternen zeiten war sie meine beste freundin, wir hatten viel spaß, immer was zu erzählen, haben gelacht, es war einfach schön. meine freundinnen haben mich um meine mutter beneidet. aber wehe, sie hat getrunken. wie du schreibst: sie hat hat gebrüllt, gepöbelt, gott und die welt beschimpft (mich als schlampe, zum beispiel), hat wild in der gegend herumtelefoniert und mich schlecht gemacht, mir ein schlechtes gewissen gemacht, dass ich schuld an ihrem trinken bin, dass ich sie alleine lasse etcetc. ich hab mir das lange gefallen lassen, auch noch im studium, als ich schon lange zuhause weg war. erst mitte zwanzig hab ich mich emanzipiert und ihr gesagt "nur noch, wenn du nüchtern bist". da war dann in ihren trinkphasen auch mal zwei jahre funkstille. es ging nicht anders. ich wäre sonst daran kaputtgegangen (habe eh schon genug macken abbekommen). mein bruder hat irgendwann kapituliert und sich umgebracht.

    warum ich das so drastisch schreibe? du musst auf DICH aufpassen. du kannst ihr nicht helfen. sie muss das für sich wollen, und wenn sie das nicht will, wirst du sie nicht dazu bringen können. deine bulimie zeigt dir ja ganz deutlich, dass all das über deine kräfte geht. ich denke, man kann da einfach nur noch einen knallharten egoismus entwickeln und sagen "erst ich, dann der rest". sonst geht man unter, gerade weil alkoholiker ihre kinder so wunderbar manipulieren können. und lass dich nicht beirren von anderen, die dir ein schlechtes gewissen machen wollen "das ist doch schließlich deine mutter, das kannst du doch nicht machen...." und was da alles so kommen mag. du kannst. du musst. damit du nicht untergehst.

    wie meriamum sagt: du kannst ihr sagen, dass du für sie da bist, wenn sie nüchtern ist und trocken werden will, und ansonsten eben nicht. und das auch durchhalten, auch wenns schwer fällt.

    ich hab meine mutter auch gehasst früher, hab geheult, gek***, gezittert, wenn ich das mal wieder mitbekommen habe. heute hasse ich sie nicht mehr. aber sie ist mir fremd. wir sehen uns einmal im jahr. ich sehe sie mir an und denke "meine mutter", aber das gefühl ist weg. ich würd ihr auch nie mehr sagen "ich hab dich lieb". dazu ist zuviel passiert, und das misstrauen wird ewig bleiben. das ist eben so. traurig, aber nicht zu ändern.

    du musst dich um dich kümmern. das ist das allerwichtigste, damit DU halbwegs gesund überlebst. ich drücke dir die daumen.

    lavendel

  • Hallo squirrel,

    Wollte Dich hier im Forum ganz herzlich begrüßen.
    Schön, das Du hier hergefunden hast.

    Ich hoffe, das Du hier Hilfe findest und Dir alles von der Seele schreiben kannst.

    Lieben Gruß
    Lilly

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