Zitat von dorothea
ich würde mich freuen etwas öfter von dir hier zu lesen, du bist ein prima beispiel dafür das man sein leben befreien kann.
Wie ich ja schon bei Nici geschrieben habe wundere ich mich (immer wieder ;-)), dass meine paar dürren Zeilen Mut machen. Dann steuere ich noch mal zwei Erlebnisse bei, die absolut wegweisend für mich waren, für mein Selbstbewusstsein und mein jetziges Leben.
1. Venedig
Ich wollte da schon ganz lange mal hin - seit ich den ersten Commissario Brunetti-Krimi gelesen hatte. Dann waren mein Ex und ich ganz in der Nähe in einem Ferienhaus und ich hab gebettelt und gebettelt, ob wir da nicht mal für einen Tag hinfahren könnten. Kategorische Antwort: Nein, zu laut, zu teuer, zu voll. Stattdessen haben wir mitten im Friaul fünf Tage bei Wein, Schnaps, Zigaretten, Brot und Schinken in einem einsamen Haus in den Bergen gesessen, von wo ich nicht alleine wegkam. Das war mein erstes Mal Italien.
Nachdem ich mich dann getrennt hatte hab ich mir x-mal überlegt, ob ich mich das traue. Eine fremde Stadt, ich kann kein Italienisch, mein Orientierungssinn ist gleich null (Zitat: "Du verläufst Dich ja noch im Supermarkt um die Ecke." - stimmt ), und überhaupt. Habe dann einen Flug gebucht, mir ein billiges Hotel gesucht und bin todesmutig losgeflogen. Alleine. Im Februar. Venedig war grau, kalt und nass. Ich bin nach drei Tagen todkrank wiedergekommen, aber verliebt in diese morbide Stadt und überglücklich, dass ich mich getraut habe. Seitdem fahre ich jedes Jahr im Februar oder März ein paar Tage dorthin, im letzten Jahr haben wir das zu zweit gemacht, und dieses Jahr ist es am 14. Februar wieder so weit - zu zweit. Was ich damit sagen will: es lohnt sich, Dinge auszuprobieren, die man sich "eigentlich" nicht zutraut, und es ist erstaunlich, was man dabei über sich selber lernt.
2. Andere Menschen
Seit gut zwei Jahren bin ich in einem anderen Forum unterwegs, wo es um mein Lieblingshobby geht. Da gab es dann mal ein Treffen in einer Stadt bei mir um die Ecke, ein Nachmittag und Abend. Ich hatte mich angemeldet (Ich kann mich nicht immer verkriechen!!!), und bin da dann auch aus Pflichtbewusstsein hingegangen, obwohl mir um diese Zeit eigentlich nach der Trennung vom Ex nur zum Heulen war. Ich wollte mir beweisen, dass ich nicht vollends zum Eremiten werde. Habe diesen Nachmittag auch mit zusammengebissenen Zähnen und viel gutem Willen hinter mich gebracht. Nicht aus Spaß, sondern aus Dickkopf. Hat keiner gemerkt, daraus haben sich dann tatsächlich Freundschaften ergeben.
Ein halbes Jahr später gab es ein Folgetreffen in Wien. Drei Tage. Ganz weit weg, Flug, teuer, eine Gruppe von gut 30 Leuten. Eigene Anreise, eigenes Hotel, aber irgendwie dann doch Gruppe, organisiert, mit Besichtigung, Museum, Essen, geselliger Abend. EIGENTLICH ein tolles Programm, wenn da nicht die vielen anderen Menschen wären... Bis zum letzten Tag hab ich mir überlegt, Hotel und Flug zu stornieren, hätte mir einen Verlust von 50 Euro beschert, mehr nicht. Aber auch da bin ich dann aus Dickkopf hingeflogen, Reiseführer im Gepäck ("wenn mir das zu doof wird, ziehe ich alleine los"), mit dem Gedanken "Du darfst Dich nicht immer verkriechen, Du wirst ja langsam wunderlich". Als ich nach den drei Tagen nach Hause geflogen bin, hab ich mich selbst nicht mehr erkannt: Das hatte ja tatsächlich SPASS gemacht, das war SCHÖN, hier und da zu schwätzen, zumal alle dieselbe Leidenschaft pflegen, wo es dann egal ist, ob der Gesprächspartner männlich oder weiblich, 16 oder 60 ist. Und das Beste an diesen zwei Überwindungen war, dass ich dort meinen jetzigen Lebensgefährten kennen gelernt habe ;-). Er war Gastgeber des ersten Treffens, beim zweiten auch dabei. Dort haben wir uns unterhalten, sind danach ein paar Mal ins Konzert und in die Oper gegangen, haben zusammen gekocht, irgendwann hats dann gefunkt und jetzt gibt’s das gemeinsame Projekt "Haus". Ohne dass ich jemanden gesucht hätte, ohne etwas zu forcieren, einfach nur, weil ich mich trotz Angst, Unlust, Sorge, uninteressant zu sein, mich nicht unterhalten zu können, mir inmitten einer Gruppe einsam vorzukommen, unter Menschen getraut habe.
Also, nur Mut! In kleinen Schritten, vielleicht erstmal alleine ins Kino oder ins Café, in ein Konzert. Vielleicht mal einen Tagesausflug in die nähere Umgebung. Und dann die Kreise immer weiter ziehen um irgendwann festzustellen "ich werd ja garnicht gefressen" 8).
lavendel