Hallo alle,
- muss meinen Kopf mal etwas erleichtern, sonst kippt er noch zur Seite –
bei „wer ist wer“ habe ich mich ja gestern schon kurz vorgestellt und auch mal nachgesehen mit wem ich es zu tun habe. Viele liebe Leute.
Ich habe das Gefühl als säßen wir tatsächlich alle in einem Boot das auf einem Meer von Alkohol mal ruhig schaukelt, mal stürmisch schwankt und wir sind alle Nichtschwimmer die ertrinken wenn sie aussteigen.
Die Geschichten und Schicksale die hinter den Namen stehen ähneln sich doch oft sehr und sind für mich trotzdem oder gerade deshalb beeindruckend in ihrer Ehrlichkeit.
Einen Nickname wollte ich nicht nehmen, weil es mir leichter fällt, wenn ich mit meinem Namen angeschrieben werde. Das ist für mich ein Vorschuss meines Vertrauens an euch.
Auch ich habe mein Gedächtnis jahrelang missbraucht um zu überlegen welche Läden ich zuletzt zum Nachtanken aufgesucht habe und ein paar Pseudo- Lebensmittel mit aufs Band gelegt. Die vielen bescheuerten Dummheiten die ich unter Zwangsverhalten einordne, die fast alle von uns kennen und selbst durchlitten haben, muss ich nicht noch mal aus meiner Karriere wiederholen, es ist bitter genug das mitgemacht zu haben und zu realisieren das andere genauso gestört waren wie ich.
Seit Januar dieses Jahres bin ich Single. Nach 20 Jahren Ehe und drei wunderbaren Kids (20,16 und acht). Mein großer ist gerade seit dem ersten Tag meines Entzugs bei mir zu Besuch, was mir doch eine gewisse Sicherheit gibt.
An Zufälle habe ich nie geglaubt, höchstens daran das etwas erst passiert wenn die Zeit reif dazu ist und es einem dann wie ein Zufall vorkommt. Da meine größeren Kids was Alk und Drogen angeht so gar nichts mit mir gemeinsam haben und ich niemals aggressiv wurde als wir noch zusammen lebten und ich getrunken hatte, was leider ständig der Fall war, kann mein Sohn nicht wirklich nachvollziehen wie es mir momentan geht und ich möchte ihm meinen inneren Aufruhr nicht im Detail auflasten, obwohl ich ihm natürlich erzählt habe was mit mir los ist. Das er gerade da ist, finde ich schön genug.
Auch wenn die Trennung nicht wegen des Alkohols war, sondern weil die Liebe starb, habe ich als Vater und Ehemann besonders in den letzten drei Jahren keine besonders tolle Figur gemacht. Als abschreckendes Beispiel für meine zwei älteren Jungs höchstens.
Es ist nicht das erste Mal das ich entziehe, aber es soll das letzte Mal sein.
Die ersten Versuche machte ich ohne Medikamente und sie gingen was das körperliche Befinden anbelangt zum Glück gut. Keine Ahnung ob die Medikamente von meinem Doc, welche ich jetzt nehme wirklich helfen, denn m.E spielt sich alles im Kopf ab.
Wenn die innere Bereitschaft nicht ganz auf das eine Ziel fokussiert ist, können auch keine Tabletten und Ersatzstoffe helfen. Der letzte Tritt in den Hintern kommt von Innen.
Selbstreflexion und Analyse sind, so gehe ich mal von aus, den meisten sich hier im Forum als Gast oder Aktiv aufhaltenden schon alleine wegen des Alkoholikerseins quasi angeboren. Jeder von uns stellt sich jeden Morgen die Matrix Frage – nehme ich die rote, oder die blaue Pille? Für mich kommt nur noch die süße trockene in Frage, die andere hängt mir schon seit Jahren so weit zum Hals raus, das ich würgen könnte wenn ich nur daran denke.
Irgendwie ist es diesmal jedoch so anders. Ich weis nicht ob das jemand nachvollziehen kann, aber den Tag als ich zum ersten Mal in diesem Forum las werde ich wohl nicht so schnell vergessen. Es war der letzte an dem ich Alkohol getrunken hatte.
Davor kann ich an drei Fingern abzählen wie oft ich seit Ewigkeiten auch nur einen Tag nicht betrunken gewesen wäre. Zuletzt mindestens ein Flasche hochprozentiges Etwas, wählerisch war ich schon lange nicht mehr.
Ein Schalter machte am letzten Montag einfach Klick, als wäre er schon überspannt und kurz vorm bersten gewesen und auch wenn ich seitdem körperliche Entzugserscheinungen von morgens bis in die Nacht habe, ist das geistige Bedürfnis nach Alkohol nicht vorhanden. Keine Gier. Ehrlich gesagt verstehe ich es nicht ganz. Der Heißhunger auf alles ist wie üblich beim Entziehen ist da, genauso der übermäßige Durst nach normaler Flüssigkeit. Ok, ich schlafe nur schwer ein, aber meine Gedanke wirbeln nicht so umher wie vorher.
Ich darf seit der ersten Nacht wieder träumen, kann mich daran erinnern und stehe morgens auf, fitt wie ein Karnickel. Im Spiegel ist fast wieder der Mensch den ich mal kannte, aus einem Leben vor dem Alkohol. Unruhe – ja, Druckgefühl im Brustkorb – auch ja, hält sich in Grenzen usw…..
Aber irgendwie kommt mir alles fast zu leicht und virtuell vor. Es kommt mir einfach nicht in den Sinn auch nur einen Schluck zu trinken damit es mir besser geht. Ein besser als jetzt gibt es nur wenn ich das gröbste hinter mir habe.
Kann kaum glauben das es erst 10 Tage her ist das sich bei mir fast alles nur um das eine drehte, weil es der Mittelpunkt einer idiotischen Welt war.
Es wird wohl das viele Lesen im Forum in den letzten Tagen und die Endgültigkeit mit der ich am ersten Tag ins Bett gegangen bin sein. Anders kann ich es mir nicht erklären.
Hey – sorry, ist länger geworden als ich dachte, aber Schreiben ist Therapie für mich.
Möchte keinen langweilen, aber viele Gesprächspartner zu diesem Thema, das mein Leben so viele Jahre bestimmte hatte ich nicht. In der Semi Anonymität fällt es mir leichter stelle ich fest, als wäre eine Barriere gebrochen.
Bis denn – sende allen die es selbst wünschen trocken zu bleiben oder zu werden viel Kraft.
Ivo