Die Astrid stellt sich vor

  • Hallo zusammen,

    diese 'who is who' Rubrik finde ich sehr gut. Für mich ist es ein guter Einstieg hier bei Euch. Ich bin jetzt seit dem 27.08 hier Mitglied, habe aber bis jetzt nur gelesen.

    Also... mein Name ist Astrid, ich bin 39. Vor ganz genau 3 Wochen hat es in meinem Kopf 'klick' gemacht. Da saß ich wie jetzt vor dem Laptop und habe mich im Internet über Alkoholismus informiert und nach Hilfe gesucht. Mit einem bösen Kater saß ich da und konnte nicht mehr an der Tatsache vorbei, dass mein Trinkverhalten nicht normal ist.

    Na ja, wie bei den meisten (wie ich inzwischen gelernt habe) habe ich das typische Verhalten an den Tag gelegt. 'Der/Die da trinkt doch viel mehr als ich', 'Na ein Weinchen am Abend wird ja wohl gestattet sein', 'Die Flaschen verstecke ich ja nur, weil sich mein Mann so aufregt (nicht etwa weil ich mich schäme' 'Ich trinke ja nicht jeden Tag' etc....

    Nur, blieb es bei mir schon seit längerem nicht mehr bei 'einem Weinchen' es war auf jeden Fall 'ein Fläschchen', dann 1,5, dann auch manchmal 2. Und immer noch war in meinem Kopf... is ja nicht so schlimm, gibt ja schlimmere. Ist das nicht ein Wahnsinn??

    Dann kam der Tag (Freitag vor 3 Wochen) an dem ich meinen Mann (der mit ein paar Freunden übers Wochenende losgezogen war (er ist auch sonst sehr viel geschäftlich unterwegs)) im völlig betrunkenem Zustand anrief und ihm sagte, er solle nach Hause kommen, weil ich mich so einsam fühle. An dem Samstag dann, bin ich auf gewacht und habe mir gedacht 'Das hast Du doch jetzt nicht allen ernstes getan'. Aber ein weiteres Telefonat hat diese Hoffnung in mir zerstört. Ich hatte es getan! Und da hat es wie gesagt 'klick' gemacht.

    Seit diesem Tag hat sich mein Leben ganz schön verändert. Irrgend wie ist das Chaos ausgebrochen. Ich bin noch nicht trocken (trinke im Moment Massvoller) aber ich suche nach Hilfe. Ich habe mich erst bei einem AA Online-Meeting eingeschrieben, habe einen Chat gefunden und habe mit meinem Mann gesprochen. In mir ist der Wille und die Entschlossenheit gewachsen mit dem trinken aufzuhören. Im Chat hat mir dann jemand geschrieben, nur ein bißchen Chaten hilft da nicht. Also bin ich zu meinem ersten AA-Meeting. Nächster Schritt war, ich habe mit meinem Chef und meinem engsten Arbeitskollegen gesprochen.

    Mein Chef übrigens war fantastisch Ich habe ihm u.a. auch gesagt, dass ich meine Arbeit so nicht schaffe, weil es mir schwer fällt an den Tagen danach (mit Kater etc.) 8 Stunden konzentriert zu arbeiten. Ich arbeite von Di-Fr (wenn ich es mir recht überlege, war das Sonntags immer eine gute Ausrede, muss ja morgen nicht arbeiten). Die Mutter meines Chefs war ebenfalls Alkoholikerin, und er konnte mir viel über die Krankheit sagen. Wir haben uns nun für 1 Jahr darauf geeinigt, das ich noch mal um 20% reduziere und nun 6 Stunden pro Tag arbeite (Gott sei dank, verdient mein Mann gutes Geld, dass ich mir das leisten kann) um an den Nachmittagen Zeit zu haben um mich um mein Problem zu kümmern (also, Meetings, vielleicht psychologische Beratung, wieder mal ein bißchen Sport machen, vielleicht einen Ernährungskurs besuchen etc.).

    Hört sich alles etwas verbissen an, oder? Ja so war es auch, ich war ENTSCHLOSSEN mein Problem anzugehen. Das sagte mir auch mein Chef 'Du wirkst sehr entschlossen, Du wirst es schaffen. Da war das erste mal, dass ich es ausgesprochen habe 'Ja, das ist eins meiner Probleme, ich wirke immer sehr entschlossen' und er fragte mich 'Bist Du innerlich nicht?' und da habe ich dann erst mal geheult. Ich spreche sehr, sehr selten über meine inneren Gedanken. Ich bin ja Entschlossen, habe immer eine Idee parat, kann immer meinen Beitrag zur Lösung eines Problems beitragen etc...

    Das heulen hat dann bewirkt, dass ich wusste 'So geht es nicht' ich muss auch meine Gefühle raus lassen und andere wissen lassen, dass ich im Moment im Chaos versinke, dass ich rumirre, das mir zum heulen ist, dass ich Angst habe. Ja, Angst. ich habe z.B. Angst vor derjenigen, die ich sein werde, wenn ich trocken bin. Ich höre es oft und lese es auch häufig 'Der Alkohol hat dich und dein Denken verändert, aber dass kann man reparieren'. Aber wer bin ich dann, wenn ich trocken bin? Werde ich immer noch die gleiche hilfsbereite, liebevolle, lösungsbeitragende, etc. Astrid sein? oder verwandle ich mich in ein 'egoistisches Monster'?

    Eine Frage die erst beantwortet werden kann, wenn ich trocken bin.

    Nun bin ich nicht mehr so verbissen. Ich bin in der Zwischenzeit bei meiner Ärztin gewesen und habe bei ihr um Hilfe gebeten und dieses um Hilfe bitten hat nichts mehr mit Entschlossenheit oder Verbissenheit zu tun. Sondern es war eine BITTE um hilfe. Sie hat mir gleich für den nächsten Tag einen Termin in einer Suchtklinik gemacht. Da bin ich dann hin. Da habe ich mich dann so richtig klein gefühlt. All die Fragen wie oft, wieviel, wann, welche Auslöser, seit wann....... etc.

    Eine Stunde hat das Gespräch gedauert. Und trotzdem ein klitzekleines bißchen habe ich immer noch gehofft, dass man mir in der Klinik sagen wird 'Lern Du erst mal Saufen und dann komm wieder', soll heißen darauf gewartet den Spruch zu hören 'Nee, Du bist keine Alkoholikerin, ein bißchen viel vielleicht aber nicht so schlimm'. Aber so war's dann nicht.Ich habe die Zusage für eine 3 wöchige Therapie bekommen. Gott sei dank leide ich nicht groß an Entzugserscheinungen 'nur' Schlafstörungen, Schwitzen und Unruhe (hatte vergessen zu erwähnen, dass ich nach dem ersten 'klick' eine Woche nicht getrunken habe, da konnte ich heraus finden, ob ich körperlichen Entzug habe), so dass ich die 3 Wochen im vollen Bewußtsein mitnehmen kann. Ich hoffe sehr darauf, mich in diesen 3 Wochen kennen zu lernen und bin gespannt, wer ich bin.

    So, es leider furchtbar lang geworden, und jedem der bis hierher gelesen hat möchte ich an dieser Stelle danken. Aber es hat mir RICHTIG gut getan!!!

    Die Geschichte noch mal kurz zusammen gefasst: Ich bin die Astrid, 39 und Alkoholikerin!

    Ich wünsche allen den 'Erfolg' trocken zu sein!!

    Liebe Grüße, Astrid

  • PS: Ich trinke zur Zeit, weniger zwar, weil mir die Ärztin in der Klinik gesagt hat, ich solle nicht alleine Entziehen. Beim meiner alkoholfreien Woche, war nach 3 Tagen mein Mann zu Hause. Die Ärztin hat mir empfohlen, da ich bis zum Klinikaufenthalt überwiegend alleine bin, solle ich nicht selbst entziehen, da es doch zu einer körperlichen Rekation kommen kann, in der ich Hilfe benötigen könnte. Ist schon komisch, sowas von einer Ärztin zu hören :shock::?

  • Hallo liebe Astrid,

    schön, dass Du hier im Forum bist. Und herzlichen Glückwunsch zu deiner Entscheidung und zu Deiner Entschlossenheit.
    Klingt doch alles recht positiv. Auch, dass Du einen verständnissvollen Arbeitgeber hast.
    Den Rat Deiner Ärztin nicht alleine zu entziehen nimm bitte ernst. Es können da wirklich unvorhergesehen Dinge passieren.
    In einer Klinik bist Du unter Beobachtung. Ist schon besser so.
    Und Deine Gedanken und Gefühle darfst Du hier, wenn Du das willst auch loswerden. Das dich im Moment noch Zweifel begleiten ist normal, aber das wird. Ich bin jetzt 8 Monate trocken und ich geniesse jeden Tag. Es hat sich viel verändert, aber nur zum Positiven.

    Ich wünsche Dir viel Kraft, Ausdauer und Entschlossenheit, und freue mich weiter von Dir zu hören

    Liebe Grüsse

    Joachim

  • Lieber Karsten, lieber Joachim,

    danke für das 'Willkommen'.

    Karsten, Deine Mail heute hat mich dazu bewogen nun aus dem 'Dunkeln' hervor zu treten und auch mal selber etwas zu schreiben. Und wie ich schon in meiner 'Vorstellung' sagte: 'Es hat wirklich gut getan', Gedanken in Wort und Schrift zu fassen.

    Joachim, nach allem, was ich hier schon im Forum gelesen habe fühle ich mich hier sehr gut aufgehoben und werde versuchen weiterhin meine Gefühle nicht für mich zu behalten, sondern darüber zu schreiben.

    Ich habe auch festgestellt, dass ich zu vielen Postings hier eine Meinung habe und mich nun auch 'kundtun' möchte.

    Wenn ihr zwischen drin mal 3 Wochen nichts von mir hört, habe ich mich nicht abgewand :) , sondern bin in der Klinik (ich weiß leider heute noch nicht, ob ich mein Laptop mitnehmen kann und ob es Internetverbindung gibt).

    Aber ich komme auf jeden Fall wieder und werde mich genauso freuen wie heute, dass ich dieses Forum gefunden habe. Und, vielleicht, kann ich Euch dann schon ein bißchen mehr davon erzählen, wer ich bin, wenn ich trocken bin :wink:

    Liebe Grüße, Astrid

  • Hallo Astrid,

    Du machst das sehr gut. Deine Gesprächsbereitschaft und Offenheit wird Dir nützen. Im Gegensatz zu vielen anderen forderst Du auf, Dich mit Deinem Abhängigkeitsproblem an zu sehen, Du bittest um Hilfe. Das bedeutet Respekt und Verständnis ein zu fordern für das was mann/frau nun mal im Augenblick ist. Nun ist der Alkoholismus nur ein Teil in Dir, Du wirst Dich also nicht völlig verändern. Allerdings ist der Alkoholismus nur ein Symptom tiefgreifenderer Persönlichkeitsstrukturen, das bedeutet Du wirst Dich also ein Stück weit eben doch verändern als Trockene.

    Wie weit verändert Mann/Frau sich eigentlich im Wechsel von "nass" zu "trocken"? Das dürfte von Person zu Person unterschiedlich wahrgenommen werden. Meine Selbstbeobactung sagt, daß meine Grundkonstruktion die gleiche geblieben ist. Ich habe im Grunde in knapp 2 Jahren Trockenheit nur gelernt sie besser zu erkennen, zu verstehen und an manchen Punkten mich besser zu akzeptieren wie ich halt nun mal bin. Aber eine Menge "Feinheiten" ändern sich und die sind im alltäglichen Leben manchmal entscheidend - der instinktive Umgang mit Menschen und Ereingnissen kommt zurück, auch das Gedächtnis, die Fülle und Beweglichkeit der Gedanken. Die unmittelbaren Gefühle tauchen wieder auf, erst wenn mann/frau das erlebt, wird klar wie sehr sich ein Nebel über alles gelegt hatte. Die Reaktionsgeschwindigkeit steigt, die Handlungsfreude wächst. Das Zutrauen eigene Interessen einzufordern von anderen und von sich selbst. Mehr Einsicht, mehr Erkenntnis, mehr Selbstbewußtsein, mehr Selbstvertrauen, mehr Stärke -körperliche und seelische - wachsen. Mehr "Energie", für einen Selbst und für andere und anderes.

    Klar, ein Stück weit ist es ein Wagnis. Und nicht nur ein Gang in eine einfach "schönere" Welt. Vielmehr ist es ein Gang in eine intensivere und lebendigere Welt. Denn das (Pegel-)Trinken auf zu geben, heißt auch ein Stück Lebens- und Eigenkontrolle auf zu geben. Aber höre auf Deine innere Stimme - die sagt Dir mit Sicherheit, "ich bleibe ich, auch wenn ich mich selbst in neuem Licht sehen lerne".

    Herzlichen Gruß, Martin

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