Hallo Linde!
Gute Nacht in dem Fall! Ich bin mit der Zeitumstellung jetzt sechs Stunden zurück. Bei mir beginnt also gerade der Abend, obwohl es natürlich schon zappenduster ist (am Äquator ist ja Licht-Aus das ganze Jahr um sechs).
Oja, wie recht du hast.
Zitat
Von klein an wurden wir darauf programmiert, anderen zu helfen, deren Verantwortung zu übernehmen usw. Später haben wir uns für unsere Partnerschaften "Patienten" gesucht - um an denen unsere verinnerlichten Kindheitsmuster weiter ausleben zu können.
Weisst du, wenn ich jemand "normalen" hatte, war ich bald mal gelangweilt und sobald ich einen "Patienten" fand, hab ich mir darauf gestürzt. Und bis aufs Blut verteidigt, so wie ich meinen Vater ein Leben lang wie eine Löwin verteidigt habe. Ich habe ihn immer als den großartigsten Menschen der Welt hingestellt und seine Sucht hintangestellt, obwohl es das war, was mich am meisten verletzt hat. Er war der Partner meiner Kindheit, er hat mit mir Zeit verbracht mit mir gespielt, mir die Kunst nahe gebracht, den Wald, die Tiere. Er hat seinen Job als Vater perfekt gemacht. Aber er ist süchtig und hat mich damit beschädigt. Das wollte ich nie sehen, das wird mir erst jetzt bewusst.
Meinen Ex-Mann habe ich auf ein Podest gestellt. Auch er hatte schwerste Alkoholprobleme, die ich ausgeblendet hatte. Ausgerechnet er hat mir vorgeworfen, dass ich meinen Vater so verteidige. Komischerweise verteidigt ihn auch meine Schwester, weil er ja der beste Opa der Welt ist. Sie hat ihren Kinder jedoch das Thema Sucht des Großvaters auseinandergesetzt - mittlerweile. Aber lange Zeit hat er sich um ihre Kinder gekümmert, als sie noch nicht schulreif waren und auch da war er betrunken!!!
Meine Mutter, die Co, habe ich für alles verantwortlich gemacht. Ihr Verhalten hätte meinen Vater in die Sucht getrieben, sie sei die Unnahbare, die kein Verständnis hat, weder für mich, meine Schwester noch für ihren süchtigen Mann. Himmel!!! Dabei hat sie ihm als gute Co alles gegeben, was er braucht. Ihn von sämtlichen Verpflichtungen entbunden (sie nimmt alles auf sich und organisiert, managt und vertuscht seine Sucht nach außen, so gut sie kann). Und wenn man so eine Beziehung vorgelebt bekommt, ist es nicht einfach.
Meine Eltern pflegen keine zärtliche Nähe, das wurde wahrscheinlich durch den Suchtalltag hinfällig. Ich glaube ja, dass sich meine Mutter insgeheim vor ihm ekelt. Jedenfalls hat sie mir einmal erzählt, dass sie seit gut zwanzig Jahren keinen Sex mehr haben. Alles was eine Tochter wissen muss. Ich konnte mit dieser Aussage nur sehr schwer leben. Ich wünschte, sie hätte es nie erwähnt. Ich habe es auch meiner Schwester nie erzählt.
Ihr Beziehungsalltag: sie kommandiert auf ihm rum, dass er beim Essen nicht schmatzen soll, dass er sich doch eine saubere Hose anziehen soll, dass er doch einmal mit ihr ins Theater gehen soll (würde er gerne, aber sie lädt dann auch immer zig Freundinnen ein, auf die er eifersüchtig ist und dann weigert er sich wieder) und dann wird er stur und beginnt zu fluchen. Und wenn er zu fluchen beginnt, weiss ich, dass die Flasche das nächste ist. Dieses Muster ist wie eingraviert. Immer wenn ich dann zuhause bin, möchte ich schon wieder flüchten und es kostet mich immer mehr Kraft, mir das anzuhören. Sie jammern mich nämlich beide an. Ich bin ihr perfekter Mistkübel. Deshalb bin ich so weit weg, da können sie mich nicht erreichen und am Telefon machen sie es nicht.
Das also bekam ich vorgelebt. Einen defensiven Vater, eine agressive, bestimmende Mutter. Und ich mit Scham und Wut und zerspaltener Liebe, die allen alles recht machen will - dem Vater mit Aufmerksamkeit, der Mutter mit Leistung.
Ich merk grad, ich kotz mal wieder. Danke fürs Brechmittel, liebe Linde.
Ich sehe die Gefahr, meinem Partner alles, aber auch alles geben zu wollen. Mittlerweile bin ich aber bewußt geworden und ich habe meinen Preis erkannt, nämlich nicht um jeden. Ich habe in meine Beziehungen Energie bis zur Selbstaufgabe gebuttert und das will ich nicht mehr. Punkt. Mein Kontingent ist nicht erschöpft, aber ich möchte damit haushalten und ich passe jetzt genau auf, was ich zurückbekomme. Und wenn nichts zurückkommt, höre ich auf zu geben, besinne mich darauf, dass ich mich habe und mir deshalb nichts passieren kann. Ich lebe alleine auch nicht schlecht. Und NEIN, ICH BIN KEIN SELBSTBEDIENUNGSLADEN, herrgottnochmal!!! Das ist vorbei. Danke für den Stupser, hab ich gebraucht.
Und dir wünsche ich deinen robusten Naturburschen mit Sinn für die schönen Künste (ja, die gibts!!! Davon bin ich überzeugt, schließlich gibt es dich ja auch. Und darüber bin ich sehr, sehr froh)
Sei umarmt, liebe Linde!
Bis morgen - bei dir schon heute!
gatita