Wo fange ich an... Es ist eine lange Geschichte, die ich erzählen muss (weil ich es endlich loswerden muss).
Meine Mutter ist alkoholabhängig. Seit geschätzten 20 Jahren. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, als mir zum ersten mal auffiel, dass mit meiner mutter was nicht stimmte. Ich war 5 oder 6, es war ein Samstagabend und wir haben Wetten dass geschaut. Wir haben immer zusammen wetten dass geschaut. Danach sind wir immer gemeinsam ins bad und dann ins bett, ich durfte immer bei ihr übernachten. Und als wir gemeinsam im Bad standen und uns die zähne putzten ist sie einfach umgefallen. Was ist mit meiner Mama los? ich hatte solche Angst. Heute weiß ich, dass sie einfach betrunken war und ihr gleichgewichtssinn nicht mehr mitspielte.
Ich erinnere mich an einige solche situationen. Meine Mutter ist sehr klein und auch zu dünn. Oftmals kann keiner nachvollziehen, dass ich meine mutter als alkoholkrank ansehe, weil sie nur ne halbe flasche wein am abend trinkt, dazu vielleicht ein bier. Das dafür jeden abend - und es reicht, damit sie betrunken ist.
In unserer Familie gibt es auch ein ganz bestimmtes Muster an abläufen, die sich innerhalb von mehreren Monaten wiederholen. Meine Mutter trinkt jeden abend - dann wird es immer mehr und auffälliger - irgendwann kommt der große Knall - dann ist eisige stimmung zuhause, meine eltern streiten sich tierisch oder reden nicht miteinander, manchmal wird ein alkoholverbot im haus ausgesprochen (von meinem vater) und es ist einfach unerträglich, diese angespannte situation. Dann trinkt sie einige zeit nicht, oder nur sehr wenig und das ganze geht von vorne los. So kenne ich es seit ich klein bin.
Wie sieht der Knall aus? Nun ja, der letzte wirklich große Knall war vor ca. einem Jahr. Ich war mit meinem Dad und meinem Freund auf einer familienfeier väterlicherseits. Als wir nachts heimkamen fand mein Freund sie im Flur liegend. Sie hatte es nicht mal mehr ins 2 meter entfernte Bett geschafft. Wir haben den Krankenwagen gerufen (obwohl sie ansprechbar war, einfach in der Hoffnung, dass sie dann ihr eigenes Suchtverhalten erkennen kann), doch sie bezeichnete das alles nur lallend als "witz" und ließ sich natürlich nicht helfen. Am nächsten tag konnte sie sich an nichts erinnern (sagt sie), wollte aber auch das bild nicht sehen, dass mein vater von ihr gemacht hatte, als sie da im flur lag. Sie sagte, sie wolle zu den anonymen alkoholikern gehen, was sie auch zweimal gemacht hat. Doch dann hatte sie von ihrer Arbeit plötzlich und zufällig jeden Dienstag dienst, weshalb sie natürlich nicht mehr hingehen konnte. Außerdem zog sie auf der tatsache, dass sie ja nichts hochprozentiges trinkt und auch von der menge her eigentlich nicht viel trinkt den schluss, dass sie ja doch kein problem hat.
Und das ganze ging von vorne los.
Mein vater ist ein musterbeispiel eines Co-Abhängigen. Sieht es selbst nicht ein, auf sein feierabendbierchen zu verzichten. Versteht nicht, dass es eine sucht ist und sie nicht einfach NICHT trinken kann, wenn hier alkohol im haus ist. Aber wenn nichts da ist - dann geht sie eben abends irgendwo einen trinken, nach der arbeit.
Niemand merkt das Problem. Niemand. Sie bekommt ihren Haushalt geregelt, sie geht arbeiten. Sie entspricht nicht dem klicheehaften Bild eines Alkoholikers und trinkt weiterhin geschützt in ihren eigenen vier wänden und leugnet. Sie hat es absolut perfektioniert, ihre Sucht geheimzuhalten. Selbst vor Arztterminen lässt sie mindestens eine Woche lang die Finger von allem (was mein Vater natürlich als beweis sieht, dass sie es durchaus schaffen kann, die finger wegzulassen).
Es ist einfach unglaublich kompliziert. Ich habe sogar das gefühl, dass ich einen Roman schreiben muss um euch die möglichkeit zu geben euch ein bild zu machen.
Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Selbst als ich vor 6 Jahren nachts ins Krankenhaus musste, damit man mir meinen Arm zusammennäht hat keinerlei Reaktion herbeigeführt. Oder dass ich vor zwei Jahren einfach aufgehört habe zu essen und 20 kg verloren habe. Es war eine "Diät" wie sie meinen (da ich zu dem zeitpunkt auch übergewicht hatte, ist es natürlich auch weniger auffällig, nicht wahr?), die aber dennoch bis ins untergewicht ging.
Aber was tut man, wenn man mit Worten nicht mehr weiterkommt? es war meine art zu schreien und hilfe zu bekommen - die ich nie bekam.
Ich weiß einfach nicht mehr weiter...