Guten Morgen Annastasia,
wie kam es zu der Situation? Wusste die Bekannte Deiner Freundin um Deine Situation? Während meiner letzten Trockenheit (vor dem RF) bin ich sehr offen mit meiner Sucht umgegangen. Ich dachte irgendwie, jedem erzählen zu müssen, trockener Alkoholiker zu sein. Offenbar erwartete ich von jedem Verständnis und wollte mir sicher auch unbewusst meine Belohnung in Form von Anerkennung und Lob abholen. Denn ich war überzeugt, intelligente Menschen sind aufgeklärt und bereit, für mein Outing.
Im Nachhinein war das teilweise ein Fehler. Auch bei mir erkannten einige den Hobbypsychologen in sich und wollten mich missionieren. Ich vergesse nie, einen potentiellen Auftraggeber. Eine Schule für die ich tätig werden wollte. Ich saß drei höheren Herren gegenüber, einer war der Schulleiter. Nachdem wir die Details besprochen hatten erwähnte ich beiläufig, trockener Alkoholiker zu sein. Keine Ahnung, warum. Mich sahen drei verdutzte Gesichter an. Der Schulleiter „lobte“ mich dann und meinte, es wäre besser, das am Anfang zu sagen, bevor sie es selbst herausgefunden hätten (Hallo?).
Als ich mich verabschiedete lobte er noch meine außerordentlich sauber geputzten Schuhe Das war so das schrägste, was mir passiert ist. Den Auftrag bekam ich nicht, war aber auch nicht unglücklich darüber
Heute weiß ich, ich muss es nicht jedem auf die Nase binden. Gerade in der heutigen Zeit, wo jeder Angst um seinen Job hat, muss man leider ein möglichst perfektes Bild abliefern. Sonst wird man schnell angreifbar. Und in der Gerüchteküche wird dann beim trockenen Alkoholiker das Trocken auch mal weggelassen und das war´s schon.
Beim nächten Magen-Darm Infekt läuft die Spekulationsmaschine dann an.
Die Aufklärung ist noch lange nicht so weit, wie man es sich wünschen würde. Deswegen bleibe ich heute eher bei mir und den Menschen, von denen ich weiß, dass sie damit umgehen können.
Ich wünsche Dir, dass Du den Schreck bald verdaust und einen trotzdem wunderschönen Sonntag.
Liebe Grüße
Wuschel