Guten Morgen dpgb
Ich weiß nicht, ob ich dir wirklich Tipps dazu geben kann, kenne die Umstände und vor allem deine Tochter nicht. Ich kann dir aber nur sagen, was ich gedacht habe... ich war in ihrem Alter.
Ich fand es immer sehr schlimm meinen Vater betrunken zu sehen. Er war dann eher mein kleiner nerviger Bruder, aber nicht mein Vater. Papa fehlte mir, auch wenn er, wenn er betrunken war, viel netter zu mir war als nüchtern.
Der Rest der Familie war immer offen. Wurden sie gefragt "Sag mal, trinkt XY?" Haben sie immer die Wahrheit gesagt und ich fand es damals nicht fair Papa gegenüber. Er war doch so hilflos! Die haben ihn machen lassen. Wenn Mama arbeiten gegangen ist sagte sie vorher immer zu mir "Sei lieb und ärger Papa nicht." Hm.... OK, aber wieso ärger ich ihn denn? Ich habe nicht verstanden, was sie damit meint. Sie wusste es ja auch nicht besser.
Ich war verwirrt und fühlte mich unendlich einsam. Total nutzlos und fehl am Platz. Diese Welt war einfach nichts für mich! Und so fing ich auch an mich zu verhalten. Habe nichts mehr für die Schule gemacht und war auch nur noch sehr unregelmäßig dort. Es hatte anscheinend niemanden interessiert. Lehrer machten nichts, meine Eltern machten nichts. Selbst wenn auf Elternsprechtagen mein Vater betrunken ankam, und ich ansich gedacht habe "Endlich merkt Frau XY, dass Papa trinkt und hilft mir." Nichts!!!! Niemand wollte mein Unglück anscheinend sehen!
Dann fing ich an alles offensichtlicher zu gestalten. An Wunden wurde geknibbelt bis sie wieder Bluteten, habe mir Salz reingestreut, damit sie sich entzündeten.... Nichts! Keine Reaktionen! Ausser "Was hast du denn da schon wieder gemacht?" Wenn ich "Keine Ahnung" sagte, kam immer nur "Ahso, keine Ahnung. Na dann."
Ich habe versucht mir den Arm zu brechen, hat aber nicht geklappt. Habe mir ins Gesicht geritzt! Das muss doch jeder sehen!!! Ich habe behauptet, dass ich auf einer Bürste geschlafen habe, damit ich die Wahreheit nicht sagen musste, denn ich habe mich dafür ja auch geschämt, aber ausser unglaubwürdigen Blicken kam wieder mal NICHTS!
Ich habe geklaut!!!! Nichts! Kein meckern, kein gar nichts... von niemanden! Habe mich bewusst eine Stunde lang vor einem Gesichtsbräuner gehockt. Es tat weh!!! Es verbrannte mir mein Gesicht! Aber niemand ging darauf ein. Ich sah halt einfach nur schrecklich aus. Ich hab alle gehasst dafür. Meine Oma, Tante, Onkel, Mama, Leher.... alle! Weil niemand in der Lage war zu erkennen, dass auch ich ein Problem habe. Nicht nur Papa.
Heute ist es so.... dass es nur heißt, "Du hättest viel besser in der Schule sein können." Oder: "Ja ja, klauen... das war eine Mutprobe." "Das mit dem Gesichtsbräuner war auch ein Ding." Die haben es bis heute nicht begriffen was los war, was los ist!
Das war das, wie es bei mir war. Ich kann mir denken, dass deine Tochter ähnlich denkt. Nicht alle Selbstzerstörer wollen SICH spüren, sie wollen von anderen Wahrgenommen werden. Ich hätte mir gewünscht, dass mir jemand die Wunden verbindet. Das ich in der Arm genommen werde. Das sie einfach merken, dass es mir nicht gut geht.
Ob es bei deiner Tochter auch so ist? Ich weiß das nicht.
Kann sie schon offen mit dir reden?
Ich hätte mir gewünscht, dass mich jemand in meinen Problemen ernst nimmt, auch wenn diese Probleme den Erwachsenen noch so klein erscheinen mögen.
Da ich kein Psychologe bin, kann ich dir ansich keinen Rat geben wie du sie dazu bringen kannst damit schluss zu machen.
Ich wäre damals gerne wieder ein Kleinkind gewesen. Einfach zu Mama und Papa gehen und sie in der Arm nehmen dürfen. Aber.... mit 13 ist man so cool, da macht man das nicht mehr? Doch doch.... man ist mit 13 noch ganz schön klein und verletzlich. Zeig ihr, dass du sie sehr lieb hast. Sie magst wie sie ist! Keine Vorwürfe.... wenn sie das erkennt, dass sie wieder Vertrauen zu dir haben darf, du ihr bei ihren Problemen zur Seite stehen kannst, dann wird es ihr ungemein helfen. Vergiss aber die Grenzen nicht, denk an meine Klauerei!
Ups... schon wieder so viel. Sorry.
Ich hoffe, dass ich dir ein wenig damit helfen konnte.
Aber evtl ist es bei euch auch alles ganz anders.
Ich drücke Euch beiden ganz feste die Daumen und danke dir, dass du deine Tochter auch als diese Wahrnimmst.