Liebe Freunde,
nach neun Jahren ist heute ist mein letzter Tag im Ahrtal. Gerade habe ich mir die Bilder der Zerstörung vom 14. Juli 2021 noch einmal angesehen und dabei geweint. Bis zum Tag der Flut habe ich nicht daran gedacht, hier wieder weggehen zu müssen. Es war "mein" Tal: die Arbeit bei der Bahn war Jim Knopf im Lummerland gleich, meine freundlichen Nachbarn und Kollegen, mein kleines Holzhaus auf dem alten Weinberg mit der wunderbaren Aussicht. Die zehn Nisthäuser, meine Vögelchen und auch der schöne braune Mufflon, der manchmal über der Terrasse wilde Brombeeren fraß.
Ich habe so lange gesucht, um meinen Ort zu finden - hier wollte ich bleiben.
Das ist nun Geschichte. Die über zehn Meter hohe, riesige Schlammwalze hat alles in wenigen Stunden zerstört und aus der Natur ein Geröll-Tal gemacht. Das Dorf ist teilweise ausradiert. Noch immer riecht es bei bestimmten Wetterlagen nach Öl, noch immer werden Häuser abgerissen und noch immer lebe ich unter zutiefst traumatisierten Nachbarn. Einige Menschen haben die Nacht nicht überlebt; viel mehr aber sind fortgegangen, das Tal ist leer. Nun gehe ich ebenfalls, weil ich es nicht mehr aushalte: das Niederschmetternde, die gezeichneten Freunde, der Gestank, der Staub. Besonders mitgenommen hat mich die Aussicht auf einen jahrelangen Aufbau und das man hier vor Ort über nichts anderes mehr redet und an nichts anderes mehr denken kann. Ich lebe hier wie in einer übel riechenden Blase ohne Ausgang. Das hat mich beinahe krank gemacht.
Im Dezember habe ich den Mut aufgebracht, einen Neuanfang zu wagen. Ein halbes Jahr habe ich dazu gebraucht. Eigentlich keine Zeit angesichts der Katastrophe, doch mir kommt es wie eine Ewigkeit vor. Heute also ist es soweit. Um halb neun kommt der Möbelwagen und gegen Mittag fahre ich zurück in meine norddeutsche Heimat. Ich vermute, daß ich nicht mehr weinen muss, wenn ich mein Dorf hinter mir lasse, denn ich habe in den letzten Monaten genug geweint. Dieses Kapitel muss ich abschließen, es soll mich nicht weiter erschüttern. Heute ist dieser Tag, an dem ich mit dem schlimmsten Ereignis meines Lebens abschließen will. Ich danke Euch allen sehr, die ihr mich in den Monaten nach der Flut so lieb und aufbauend begleitet habt.
Nun kommt ein neuer Abschnitt. Immer noch: ohne Alk, ohne Kippen, ohne Drogen. Wie wunderbar das ist!
Nächster Halt: Teufelsmoor
Danke fürs Lesen!
Peter
Mein Dorf in der Woche nach der Flut seht ihr auf diesen zwei Bildern, die ich heute mal hier einstelle.