Beiträge von Hiob

    Hallo Power das zeigt Größe, Du bist wieder hier. Du hast uns ja wirklich strapaziert und immer wieder die Klingen gekreuzt. "Power" eben. Nun verspüre ich keineswegs Genugtuung darüber, dass wir hier mit unserer etwas besserwisserischen Skepsis Recht behalten haben. Ich frage mich aber, ob es eine Freundin gibt, die keine Fragen stellt, die dich einfach in die Arme nimmt und festhält, wenn Du glaubst in deinem Schmerz zu ertrinken. Trennung scheint dir jedenfalls sehr schwer zu fallen. Solange man kämpft wird dieser seelische Schmerz vermieden oder verschoben. Dann kreisen alle Gedanken wieder um ihn und um hätte, wolle, könne, solle...
    Manchmal möchte ich Dir sagen: Koch doch einfach mal Marmelade oder back dir ein Brot. Gibt doch gerade Bitterorangen. Einfach für ein anderes Thema oder für einen anderen Modus des Erlebens.
    Es scheint jedenfalls so als ob du immer wieder in die gleich Kerbe haust. Das ganze Denken ist so um ihn zentriert. Vielleicht verstehst du diesen "Magnetismus" irgendwann. Jedenfalls freue ich mich darüber dass du nicht im Trotz verharrt bist und dich hier wieder zeigst.
    Hiob

    Hallo Minnie,
    natürlich kannst du eine Psychotherapie beginnen oder eine Beratungsstelle aufsuchen. Es gibt teilweise sehr gute Familienberatungsstellen mit sehr professionellen Mitarbeitern. Nachteile hast du dadurch nicht, du musst es ja auch nicht öffentlich machen. Eine Einschränkung gibt es allerdings: Wenn du eine Lebensversicherung z. B für einen Hauskauf brauchst, musst du angeben ob du eine Psychotherpie gemacht hast. Für Versicherungen ist man damit ein "schlechtes Risiko" und bekommt u. U. keinen Vertrag. Auch private Krankenversicherungen schließen gerne Vorerkrankungen aus. Beratungen betrifft das natürlich nicht. Bei Sorgerechtssachen ist es sogar zu begrüßen, wenn jemand sich selbst hinterfragt uns seine Wirkungen auf andere reflektiert. Allenfalls eine schwere psychiatrische Erkrankung wäre da relevant, etwa eine wahnhafte Störung. Im übrigen muss ich mich sunshine anschließen, mit der Sucht kann bei einem nassen Alkoholiker niemand konkurrieren. Irgendwann ist nichts mehr sicher, selbst die Sparschweine der Kinder nicht.
    Viel Glück
    Hiob

    Hallo Minnie,
    ich war in einer ganz ähnlichen Situation, allerdings mit zwei Kindern und verheiratet. Zu unserem Schutz habe ich recht schnell reagiert als ich kapiert habe wie schlimm es wirklich um meine Ex-Frau stand. Wir haben alles stehen und liegen lassen und einen kompletten Neuanfang gewagt. Ein unzurechnungsfähiger Elternteil ist wirklich die Hölle für Kinder. Meine Töchter haben ihre Mutter nicht wach gekriegt, als sie aus der Schule kamen. Allein das finde ich schon unerträglich.
    Ich weiß nicht ob das bei dir ansteht. Manchmal kann es sehr hilfreich ein eine Privatinsolvenz zu betreiben. Gerade wenn man jung ist sind in absehbarer Zeit alle Schulden getilgt. Wer gut verdient hat mit Kindern sogar einen sehr ordentlichen Pfändungsfreibetrag. Also ggf. mal eine Schuldnerberatug aufsuchen.
    Viel Kraft und einen guten Weg wünscht
    Hiob

    Hallo Angel, du schreibst:
    "...etwas muss ihn ja so verändert haben, dass er im Trinken die Erfüllung sieht."
    Ja, der Alkohol hat ihn so verändert. Das Gehirn verändert sich nutzungsabhängig. Der Alkohol ist fester Bestandteil einer bestimmten Verlaufskette. Unruhe, Spannung, Alkohol, Stimmungsmodulation, Ausschüttung endogener Morphine und Glückshormone, Beruhigung. Verankerung im Belohnungssystem, Vermeidung von Unlust, Entzug, Alkohol...
    Da passt keiner mit rein es gibt kein Beziehungsglück dass das aufwiegt. Die Umwelt dient eigentlich nur noch als Beschaffungsareal.
    Neurobiologisch ist das alles natürlich komplizierter. Das Gemeine, der Süchtige benutzt die anderen nur in bezug auf die Aufrechterhaltung dieses Kreislaufs. Nichts ist heilig.
    Nach meiner schmerzlichen Erfahrung kann man sich diesem Kreislauf nur entziehen. Nur eine gravierende Instabilität kann das Fortschreiten und Verfestigen beeinflussen. Das hat nichts mit böse zu tun. Die Kräfteverhältnisse sind einfach so.
    Versuche nicht ein fahrendes Schiff festzuhalten.
    Hiob

    Zitat von LeMa


    Da kommt man sich ja leicht hart vor, wenn man sich seine eigenen, freudvollen Angelegenheiten gönnt und den anderen sich selbst überlässt.


    Lema, es sind nicht nur die freudvollen Angelegenheiten. Du lässt sicher auch mehr seelischen Schmerz zu als dein Bruder das tut. Er scheint sich ja zu betäuben. Allerdings frage ich mich, ob er überhaupt noch leben will. Habt ihr mal darüber sprechen können? Es klingt sehr selbstdestruktiv was du über ihn schreibst.
    Ich denke übrigens schon dass man es sich gutgehen lassen kann, auch wenn andere leiden. Sonst gäbe es ja bald gar keine Vorbilder mehr für das genießen können. Ich habe viel mit Kindern gearbeitet die nicht Spielen und Lachen durften. Sie sind in wahren Gruften groß geworden. Diese Gefühle im Erwachsenenalter zu beleben ist für die Betroffenen Schwerstarbeit, wenn es überhaupt gelingt.
    Aus Erfahrung sage ich hier mal etwas altklug: Wer helfen will muss in einer guten Position sein, gut für sich selbst sorgen und vor allem auch seine Grenzen beachten. In einem guten Team oder in einer Familie mit vielen starken Schultern kann man einiges leisten. Du scheinst aber eher allein zu sein? Außerdem willst du ärztliche Aufgaben übernehmen, "die bewährte Kombi wieder einpegeln". Insgesamt willst du den Bruder jedenfalls vor den Folgen seiner Handlungen bewahren. Auf die Dauer ist das nicht konstruktiv, oder fehlen ihm alle Kausalitätseinsichten? Dann ist er u.U. nicht richtig untergebracht.
    Hiob (etwas ratlos)

    Hallo LeMa,
    Mitleid ist doch okay. Ich habe dreizehn Jahre in einer Klinik gearbeitet und hatte da ganz oft Mitleid. Mit meiner vom Alkohol abhängigen Frau hatte ich auch oft Mitleid und ich bedaure bis heute oft das wir nicht glücklicher miteinander sein konnten. Das mit Fühlen und das mit Leiden heißt doch aber nicht, dass wir es dem anderen abnehmen können oder etwas gut werden lassen können.
    Ich habe oft in der Zeit an unseren leitenden Thoraxchirurgen gedacht und mir vorgestellt seine Frau hätte Lungenkrebs, nicht heilbar. Wie müsste es so jemandem gehen der ganz vielen helfen kann, aber der geliebten Frau nicht. Ich war ja in ähnlicher Lage, mit besten Kontakten zu allen Disziplinen, Internisten, Psychiatern, Neurologen und konnte nichts tun.
    Für mich war entscheidend meine Grenzen zu akzeptieren und die Kinder in Sicherheit zu bringen.
    Es hilft auch nichts den vermeintlichen Mangel von einst auffüllen zu wollen. Etwa einem Mitvierziger Muttermilch anzubieten, weil die damals so gefehlt hat. Trauern gehört sicher dazu, damit man nicht versteinert. Die Tränen sind der Ausdruck des Lebendigen, selbst in den dunkelsten Stunden.
    Mitleid kann auch manchmal eine konvertierte Form von Aggression sein, aber das nur so. Nach deinem Beitrag habe ich nicht den Eindruck dass das eine Rolle zwischen dir und dem Bruder spielt. Für mich macht er einen bemitleidenswerten Eindruck.
    Hiob

    Im Gegensatz zum Draußen ist es schon ein besonderer, geschützter Raum hier. Deshalb gilt der allgemeine Modus des Wegsehens, Verschweigens, Tuscheln, Isolierens und Verurteilens hier nicht so wie draußen. Das ist eine wirkliche Chance.
    Verstehen heißt in dem Zusammenhang auch Fremdpsychisches zu verstehen, mit den eigenen Ansichten uns Aspekten zu versehen und zu kommentieren. Früher gab es mal zu den Bereichen des eigenen, lebensgeschichtlich eingeschränkten Reflexionsvermögens den Begriff der "neurotischen Dummheit".
    Wenn in diesem Bereich, den wir alle irgendwie in uns haben, operiert wird, kann man schon manchmal verzweifeln. Alle sehen dann etwas kommen was nur die Akteure selbst nicht in den Blick nehmen (wollen). Früher habe ich mich meistens ganz klar und konfrontativ dazu verhalten. Das hat mir gut getan und ich konnte auch immer ein kleines bißchen von dem Ärger über diese besagte Dummheit loswerden. Inzwischen frage ich mich immer öfter ob die Botschaft auch annehmbar ist. Wenn der andere zu sehr in einen Unlustzustand gerät, macht er völlig dicht. Es gibt ja so Interaktionsregeln in der Kommunikation, Kritik wertschätzend äußern...
    Kurzum, Bemerkungen können analytisch, scharfsinnig, klug und richtig sein. Der scharfe kalte Wind bringt uns nicht dazu den dicken Mantel auszuziehen. Das gelingt mit einem Sonnenstrahl schon besser.
    Das soll natürlich überhaupt nicht heißen dass man nicht eindeutig und klar sein soll.
    Mir selbst fällt es auch öfter schwer einen Gang zurückzuschalten und es ist ja letztlich auch ein bunter Strauß hier, aus dem sich jeder das passende holen kann.
    Guten Wochenstart...
    wünscht Hiob

    Liebe Leidensgenoss/inn/en,
    ich möchte mich noch einmal zu Wort melden und nicht einfach so verschwinden. Das erste Mal war ich im Mai 2012 hier, sehr geschockt, einigermaßen handlundsunfähig und überfordert. Mir ist hier und in einer Angehörigengruppe ganz schnell klar geworden dass ich mich neu zentrieren und abgrenzen muss. Ich dachte auf der Arbeit unentwegt an die Kinder und wie sie meine Frau vorfinden würden wenn sie aus der Schule kommen...
    Kurzum, nachdem ich mit den Kindern weggegangen bin ist meine Frau noch mehr abgestürzt und lag schließlich mit Nabelbruch akut in der Klinik. Die Aszites (Bauchwassersucht) hatte dazu geführt. Trotz dieses riesigen Bauches war sie völlig abgemagert und sah ganz bemitleidenswert aus. Seitdem gab es keinerlei Kontakt mehr. Immerhin hat dann wohl eine Entgiftung und Therapie in verschiedenen Kliniken stattgefunden. Vor 14 Tagen war nun endlich der Scheidungstermin. Sie hat keine Anträge gestellt und war persönlich auch nicht anwesend, sondern hatte ihre Anhörung bereits vor einem anderen Gericht.
    Unser Leben verläuft jetzt in guten Bahnen, auch wenn die Trennung und die Aufgabe des Bauernhauses in die Insolvenz geführt haben, wir können gut leben. Die Kinder etwickeln sich gut und haben Freude am Leben, sind lebendig und sozial gut integriert. Meine Arbeit füllt mich aus und es gibt die zarte Pfanze einer neuen Liebe. Was bleibt ist manchmal noch etwas Trauer über das Verlorene, über die gute Zeit, die wir ja auch miteinander hatten.
    Danken möchte ich Euch für den Beistand und dafür dass ich in den schlimmsten Stunden Antworten hier bekommen habe. Danken möchte ich aber auch für die Klarheit, die ich hier gewonnen habe.
    Vielleicht noch ein Gedanke: Solange dass Gehirn heißläuft, Panik herrscht, so lange kann man auch keine guten Lösungen finden.
    Wir haben jetzt nur noch die normalen Alltagsprobleme, reicht ja eigentlich auch....
    Herzliche Grüße von Hiob

    Hallo Beno,
    ich hätte meine Familie auch gern gerettet und ich habe ein gutes Jahr lang wirklich viel versucht. Um meine Kinder vor dem inzwischen unerträglichen Kontakt zu meiner Frau zu schützen sind sie zu meiner Mutter gezogen, 200 km weit weg. Das hat meine Frau wenig beeindruckt. Ich habe ihr dann ein paar Fristen für Entgiftung und Therapie gesetzt. Das Taxigeld für die Fahrten zum Arzt hat sie versoffen und mich immer vertröstet. Ich war dann bei einer Angehörigengruppe. Der Bericht einer Teilnehmerin, die schon 17 Jahre mit ihrem abhängigen Mann lebte hat mir die Augen geöffnet, das wollte ich auf keinen Fall. Ich habe mir eine neue Arbeit gesucht und bin meinen Kindern gefolgt. Der Verlust der kompletten Familie und des Hauses tut oft noch sehr weh. Möglicherweise kommt noch eine Privatinsolvenz auf mich zu. Die Scheidung läuft noch und meine Rente wird später spürbar gekürzt. Im Nachhinein gab es aber keinen besseren Weg. Ich habe auch erst nicht einsehen wollen so furchtbar ohnmächtig zu sein. Leider war der Fusel attraktiver als wir. Inzwischen ist sie nicht mehr der Mensch, den ich einmal geliebt habe. Sie ist vom Aussehen und vom Wesen her völlig verändert, von der einstigen Schönheit ist nichts geblieben. Viele Stadtstreicher sehen gesünder aus, es ist alptraumhaft.
    Wenn ich länger gewartet hätte dann hätten meine Töchter ernsthaften Schaden genommen. Ich selbst habe jetzt noch viel mit der Verarbeitung zu tun, öfter auch mit depressive Phasen und Erschöpfung. Meine ganzen Appelle und Reden kommen mir heute so sinnlos vor. Für einen akoholkranken Menschen bist du kein wirkliches Gegenüber mehr.
    Ich wünsche Dir Kraft und Klarheit und am besten auch hilfreiche Menschen an der Seite.
    Hiob

    Sorry, ich war eine Weile nicht da. Das mit dem sicher verhüten habe ich durchaus sehr ernst gemeint. Ich denke dabei nicht primär an Unterhaltszahlungen sondern an Alkoholembryopathien. Das sind sehr schwere Behinderungen, die durch die toxische Wirkung des Alkohols auf das Erbgut entstehen, auch bei alkoholkranken Männern. Wenn ich dann etwas von Kinderwunsch lese wird mir bange zu der Perspektive eines solchen Kindes.
    Hiob

    Hallo SophieRose,
    wozu solltest du ihm Zeit geben? Du hast 2 Jahre mit ihm erlebt, das reicht doch eigentlich für mehr als für einen ersten Eindruck. Abstürze mit Filmriss, 8 Bier am Abend... An gemeinsame Kinder würde ich da nicht denken. Vielleicht solltest du Deine Liebe mal im Licht einer therapeutischen Beziehung hinterfragen. Auf jeden Fall würde ich sicher verhüten. Ehrlich gesagt, ich würde laufen so schnell ich kann...
    Hiob

    in den letzten Monaten ist noch einmal viel passiert. Ich bin noch einmal umgezogen und habe eine kluge und sehr liebevolle Frau kennengelernt die mit beiden Beinen im Leben steht. Sie ist auch alleinerziehend und unsere patchwork Familien wachsen langsam zusammen. Der Zustand meiner X hat sich dagegen sehr verschlechtert. Sie ist völlig ausgezehrt und hat einen riesigen Bauch (Aszites, Bauchwassersucht). Kürzlich habe ich sie im Krankenhaus besucht und war wirklich erschüttert. Im Kopf wirkte sie seltsamerweise sehr klar. Deshalb wurde auch keine Betreuung angeordnet. Inzwischen ist sie nirgends erreichbar, liegt auch in keiner Klinik mehr. Ich fürchte, dass ihr Leben in einer sehr unwürdigen Umgebung zu Ende gehen könnte. Ich finde eigentlich, dass niemand allein sterben soll. Diese Gedanken rauben mir jetzt oft den Schlaf. Wenn es möglich wäre würde ich gern in den letzten Stunden bei ihr sein. Ich glaube dass ich wirklich viel versucht habe und ich würde es wieder so machen, gerade mit Blick auf die Kinder. Trotzdem sind diese Stunden sehr bitter und ich möchte dass ihr davon wisst. Das tröstet mich etwas.
    Hiob

    Hallo dorothy,
    ich habe jahrelang mit Menschen zusammengearbeitet, deren Leben ganz plötzlich und ungeplant zu Ende ging. Es hat mit dem Vater meiner Jugendliebe begonnen, der alle schönen Dinge in seine Rentnerzeit vertagt hat. Es war ein wirklich liebenswerter Mensch. Leider hat er die ersehnte Zeit nicht mehr erleben dürfen. Das hat mich immerhin so sehr beeindruckt, dass ich meinen Beruf mit 22 Jahren aufgegeben und ein Studium begonnen habe. Später habe ich mich dann immer gefragt: Passt das jetzt noch, will ich so leben? Für mich ist das eine lebenslange Aufgabe, das immer wieder zu hinterfragen. Als ich gemerkt habe dass meine Frau alkoholabhängig ist, habe ich 6 Monate gebraucht. Als klar wurde, dass sie keine Entgiftung macht und so weiterleben wird, bin ich mit den Kindern gegangen. Es tut manchmal noch sehr weh und mit einem Teil meiner Seele habe ich sie noch sehr gern. Sie tut mir auch leid. Ich möchte diesen Abbau aber nicht länger mit erleben und auch die Kinder sollen nicht in solch einer Todeslandschaft aufwachsen. Zehn Jahre sind eine lange Zeit und kein Jahr kommt zurück. Wenn Du dich fragst wie Du leben willst, ergibt sich vielleicht ganz von selbst eine Antwort. In diesen Fällen ist geteiltes Leid kein halbes, sondern doppeltes Leid.
    Ich wünsche Dir viel Kraft!
    Hiob

    Hallo Goldband,
    bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen kannst Du beim Amtsgericht einen Beratungsschein bekommen. Für die Beratung beim Anwalt bezahlst Du dann nur 10,.€. Vielleicht gibt es im Umkreis auch eine Suchtberatungsstelle mit Angehörigenberatung. Die Mitarbeiter dort haben oft Erfahrungen mit den einschlägigen Problemen und das ist i. d. R. kostenfrei.
    Hiob

    Hallo Lindi,
    zu Deinen Entscheidungen kann ich nicht wirklich viel sagen. Ich kann aber schreiben wie es mir ergangen ist und vielleicht kannst Du etwas damit anfangen. Als ziemlich junger Bursche hatte ich einen Schlaganfall, natürlich völlig unvorbereitet. Ich hatte keine bleibenden Schäden, aber meine Welt ist damals zusammengebrochen. In der jugendlichen Blüte so eine Rentnerkrankheit. Gegen meinen zaghaften Widerstand hat mich meine Familie damals vom Studienort abgeholt. Durch die Folterkammern neurologischer Diagnostik war ich völlig aufgeweicht, mein Leben schien mir zu Ende zu sein, bevor es richtig angefangen hatte. Der Rückzug war genau richtig. Ich war so destabilisiert, dass ich kaum aus eigener Kraft gehen konnte. Alle nur eine "Anpassungsstörung", reicht aber trotzdem dass man am liebsten tot wäre. Alleine wäre ich wohl kaum auf die Füße gekommen und mir hat diese Phase sehr gut getan.
    Wenn eine Familie unaufdringlich für Dich da ist, warum denn nicht. Es ist ja auch keine Einbahnstraße. Den Rückweg nach Spanien schneidet Dir niemand ab. Wenn jemand anderes fährt kannst Du doch weinen, Hauptsache der Fahrer hat einen klaren Kopf. Irgendwie habe ich den Eindruck dass Du es dir schwerer machst als es sein müsste. Ein paar Pillen ersetzen keine Krankenversicherung, keine Therapie und auch kein haltendes Netz. Auch wenn Du mal ernsthaft körperlich krank wirst ist das keine gute Position. Ein Sturz vom Pferd und Du kannst ruiniert sein, eine kleine OP oder ein komplizierter Beinbruch.
    Ich fände es gut wenn Du dich in eine bessere Position bringst. Schreib bitte wie es weitergeht.
    Hiob

    Lindi,
    Verharren und Erstarren liegen dicht beieinander. Wenn man dann nicht mehr wirksam über die eigenen Möglichkeiten verfügt wird das schon mal Depression genannt. Wenn die länger anhält sollte sie auch behandelt werden. Nicht unbedingt mit Tabletten. Reaktive Depressionen sind in unserer Lage eher die Regel als die Ausnahme. Ich bin mit Bagatell-Infektionen auch immer unverhältnismäßig lange krank gewesen. Als ich fühlen konnte wie sehr mir meine Frau -trotz allem - noch fehlt, wurde es allmählich besser. Außerdem hat mich auch mein Veränderungstempo krank gemacht: Die Seele kam einfach nicht hinterher.
    Vielleicht hast du die Möglichkeit mit einem Psychotherapeuten zu sprechen und kannst klären ob die Erstarrung Krankheitswert (blödes Wort) hat.
    Viel Kraft wünsche ich dir.
    Hiob

    Lindi,
    gerade habe ich noch meinen alten thread nachgelesen. Als es mir ganz schlecht ging und als mich der Mut verlassen hat bist Du immer ganz präsent gewesen. Kein Thema, zu dem Du nicht etwas wertvolles beitragen konntest: Selbstfürsorge, Kindeswohl, Freundschaften, Bewerbung, Hausverkauf... Eigentlich weißt Du doch alles. Warum setzt Du das nicht für Dich selbst ein. Ich wünsche Dir das jedenfalls von ganzem Herzen.
    LG Hiob

    Liebe Lindi,
    ich bin kein Sozialrechtsfuzzy. Was ich aber glaube verstanden zu haben, bis zu einem mtl. Einkommen von 1022,-€ gibt es Härtefallregelungen. Wenn kein Mehrbedarf, z.B. durch Luxuslösungen entsteht, übernimmt die Kasse die Kosten auf Antrag. Ein guter Zahnarzt kann da sicher weiter helfen.
    Mit armselig meinte ich, dass Du mit 48 offenbar weniger hast als ein Teenager, der mit 18 die elterliche Wohnung verlässt. Sogar die Erinnerungsstücke sind auf der Strecke geblieben. Auch die Idee, an eine fragile Jugendliebe anzudocken, finde ich etwas gewagt.
    Ich würde Dir wünschen, dass Du erst einmal in Würde ankommen kannst. Dich dann allmählich sortierst und deine Stärken herausfinden kannst. Vielleicht gibt es ja wirklich eine Ernte aus den ganzen Lebenserfahrungen, mit der Du auch hier etwas anfangen kannst.
    Aus den früheren Beiträgen weiß ich, dass Du etwas sehr liebenswertes und empathisches hast und gerade deshalb wünsche ich mir sehr, dass Du auf Dich aufpasst. Meinen Hof musste ich ja leider aufgeben. Wenn es noch möglich wäre würde ich Dir am liebsten ein paar Räume und den Stall dort überlassen. Ich habe mich wirklich immer sehr verbunden mit Dir gefühlt.
    Hiob

    Hallo Lütte,
    meine Gefühle sind auch lange Zeit Achterbahn gefahren, ich bin depressiv gewesen und krank geworden. Meine XY hat mir gefehlt, ich habe sie schmerzlich vermisst. Selbst Erinnerungen an Kleinigkeiten, wenn sie mal einen Kaffe für mich gekocht oder mein Bett gemacht hat, habe ich beweint. Trauerarbeit eben. Was mir immer wieder geholfen hat war etwas eigenes zu tun. Unabhängig von ihrer Anerkennung. Mal habe ich ein Brot gebacken oder ein Plakat über Orient-Teppiche. Manchmal war ich in der Werkstatt und habe neue Griffe für meine Küchenmesser gemacht oder bin in eine Ausstellung gegangen. Etwas emotional unbelastetes zu tun, gedankenverloren, ohne Probleme zu wälzen oder ständig die Beziehung zu reflektieren, das war gut für mich. Auch den Kontakt zur Welt zu halten, dem Familienmief immer wieder mal zu entkommen, war und ist für mich wichtig. Etwas eigenes tun und fühlen, damit haben wohl die meisten Co´s Probleme, weil sie immer nur für die anderen gemacht haben. Vielleicht hast Du ja auch ein brachliegendes Hobby, mit dem Du dich unabhängig gut fühlen kannst.
    Viele Grüße
    Hiob

    Hallo Lindi,
    dein Fädchen aufzunehmen ist ja wirklich nicht einfach. Wenn ich es recht verstehe bist du noch in Spanien. Ist der Jugendfreund mit dem Kind auch da oder in deiner alten Heimat? Trotz einiger Mühe fällt es mir sehr schwer, hier einen gewissen Überblick zu bekommen.
    Was Du schreibst kenne ich teilweise aus eigener Erfahrung ganz gut. Ich habe auch mit 23 einen sicheren Beruf aufgegeben, weil es mich tödlich gelangweilt hat. Ich bin bei strengem Frost weite Strecken mit dem Motorrad gefahren, weil ich Familienkutschen so spießig fand und weil richtige Kerle sowas eben nicht brauchen. Es war bestimmt der Zeitgeist, die Protest und Aufbruchstimmung und unsere Sozialromantik. Zumindest bei mir musste ich erkennen, dass es teilweise neurotisch gewesen ist. Die Schwierigkeit meinen Platz zu finden, mich in Beziehungen festzulegen, etwas endgültiges zu tun. Ich hatte Angst vorzeitig zu vergreisen oder so spießig zu werden wie mein Vater, als Beamter. Heute freue ich mich manchmal im warmen Auto zu sitzen und eine Arbeit zu machen die ich sinnvoll finde. In vielem bin ich milder geworden aber dabei nicht unlebendig.
    Bei Dir nehme ich ganz schön viel Schwarz-Weiß-Malerei wahr. Ich finde in Deutschland auch vieles ganz schlimm. Du kannst hier aber eine Psychotherapie als Kassenleistung machen, bekommst Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Berufsfindung, Arbeitserprobung) und sogar Zahnersatz und Hilfe zum Lebensunterhalt. In Brandenburg gibt es weite Flächen und aufgegebene Höfe, wo Pferdehaltung überhaupt kein Problem ist, wenn du mit einer Sense umgehen kannst. Ein kleines Haus kann günstiger sein als ein halbes Leben lang Miete zu bezahlen und es muss kein Reihenhaus sein. Es gibt auch Männer, die ihre Kinder nicht als Partnerinersatz erleben und wo Eifersucht überhaupt nicht nötig ist. Die Verbundenheit mit Kindern ist ganz anders als die mit einer Frau. Beides ist exclusiv und kann auch zusammen das Leben reicher machen. Es gibt auch hier Menschen, die neue Formen des Zusammenlebens erproben.
    Was ich damit sagen will: Ein bischen Selbstfürsorge ist nichts verwerfliches und die Realität im Blick behalten ist nicht spießig. Als ich in meiner Krise war und einen kompletten Neuanfang gemacht habe, waren Deine Beiträge hier ganz wohltuend für mich. Jetzt bin ich aber wirklich befremdet, wie armeselig Du lebst. Dass das für mich nichts mit Bausparvertrag und Tennisverein zu tun hat, hast Du bestimmt verstanden.
    Liebe Grüße (aus dem gerade wirklich ganz frostigen Deutschland)
    Hiob