Hi Katha,
puh...tatsächlich schon wieder zwei Monate rum ? Das kann doch nicht wahr sein...
Bist Du etwa immer noch am Reparieren oder kämpfst Du noch mit dem Alles-kaputtmach-Manuskript-Mann ?
Na, Du bist mir vielleicht eine...knallst dem Opernliebhaber gleich mal Wagner vor den Latz...das ist ungefähr so, als wäre jemand noch nie vom Sprungbrett gehüpft und Du sagst demjenigen: "Ich würd an Deiner Stelle beim 5-Meter-Brett anfangen"
Aber mal ehrlich...was sind denn das für Typen heutzutage ? Müssen die Oper früher verlassen, weil sie morgen früh auf Arbeit müssen ? Das sind doch fürchterliche Weicheier...da beißt man sich durch - auch wenns Wagner ist - auch wenn es weh tut und lange dauert. Nee, ehrlich, versteh ich nicht...
Wobei ich persönlich mit dem Antisemiten Wagner nun überhaupt nix anfangen kann...als Jugendlicher hat der mich nur dazu animiert, noch mehr Farbbeutel abzufüllen für die große Gala in Bayreuth. Um ehrlich zu sein, wir sind immer an den Absperrungen oder den Grünen gescheitert und somit konnten die aufgemotzten High-Society-Herrschaften doch noch mit sauberer Kleidung in die Oper.
Ich geb zu, Dir zu Liebe hätte ich mal ne Ausnahme gemacht und Dich selbst zu Wagner begleitet...und zwar bis zum Schluß...:-)
Ich hab auch wieder ne tragikkomische Geschichte auf Lager:
Kleiner Sohnemann (der eigentlich der Größere der beiden Knalltüten ist) hatte vor kurzem in Nürnberg nen Vorspieltermin bei einer etwas bekannteren, angesagten Band als Gitarrist. Er hat die ganze Woche lang nix anderes gemacht als meine E-Gitarre gequält, neue Techniken eingeübt, an seiner Schnelligkeit gearbeitet usw. Freitag Abend war der Termin, er hatte bis Mittag Schule und auf dem Nachhauseweg war dann die Straße gesperrt...Bauarbeiten...
Er weicht also auf eine andere Straße, eher nem Schleichweg, aus und dort trifft er auf einen runtergekommenen, polnischen Laster, der drei neuwertige, sauteure Fahrzeuge geladen hat, bei denen sämtliche Alarmanlagen vor sich hinbimmeln. Er fährt dem Lkw ne zeitlang hinterher, ruft gleichzeitig bei der Polizei an, damit die sich zumindest mal umschauen...uralter Laster, nagelneue Fahrzeuge, ständiges Gebimmel...die Kombi erzeugt nicht gerade den Eindruck des ehrlichen Erwerbs
Die Polizei notiert sich telefonisch das Kennzeichen und bittet Sohnemann, er möge dem LkW noch ein paar Minuten hinterherfahren, bis man sicher sein könne, wohin der steuert. Sohnemann denkt sich: Ein paar Minuten hab ich schon noch Zeit, also gut. Er also hinterher und 15 km weiter fährt der Lkw auf einen Kundenparkplatz eines Supermarktes...Sohnemann also wieder hinterher.
Er wartet, telefoniert wieder mit den Grünen. Die sagen: "Okay, Junge, kannst abbrausen...wir sind auf der Hauptstraße und passen den Lkw dann dort ab. Schönen Dank auch."
Sohnemann fährt also aus der Parklücke raus, dreht noch am Autoradio und will grad abrauschen - da wird er urplötzlich von der Seite gerammt. Eine Kundin hatte offensichtlich nicht die Zeit gehabt in den Rückspiegel zu schauen.
Nachdem sich die Dame jedoch keiner Schuld bewußt ist, ruft er mich an...ich bin grad bei einem Kunden, ca. 35 km weg und rate ihm, bei der Polizei anzurufen, wenn die Unfallpartnerin kein Einsehen hat. Er jammert natürlich rum, daß er jetzt eh schon spät dran sei wegen dem Vorspieltermin, sieht es aber letztendlich ein und wartet...und wartet...und wartet...
Ne Stunde später kommt ein Polizeiauto um die Ecke, die Polizisten steigen aus und noch bevor die irgendwas sagen können, gibt die Frau zu, daß es wohl ihre Schuld gewesen sei. Die Polizisten fragen sich, was zum Henker sie hier überhaupt wollen und mein Sohn beißt sich auf Bart und Zähne, um der Frau nicht augenblicklich und noch vor den Augen der Polizisten den kompletten Kopf abzureissen. Ne komplette Stunde verblödelt wegen nix und wieder nix.
Die Grünen ziehen ab, Sohnemann tauscht Versicherungsnummern und ist jetzt schon über ne Stunde zu spät für den Termin...die Band geht nicht ans Handy, er kann also auch nicht sagen, daß er später kommt.
Er rauscht also in die Frankenmetropole (etwa knappe eineinhalb Stunden von hier aus), trifft die Band im Proberaum noch an, erzählt die komplette Geschichte und die Jungs lassen ihn natürlich doch noch vorspielen.
In Hollywood wäre jetzt Zeit fürs Happy-End...junger Musiker fiedelt gewaltig auf, beindruckt die Band unglaublich, wird auf der Stelle engagiert und nach fünf Jahren auf Tour fragen die großen Plattenfirmen auf.
Mein Sohnemann dagegen ist durch den ganzen Scheiß völlig durch den Wind, spielt wie ein Erstklässler, kriegt überhaupt nix auf die Reihe und die Band sagt: Danke fürs Vorspielen...aber wir hatten uns eigentlich schon einen etwas besseren Gitarristen gewünscht.
Das Ding ist durch, Sohnemann wird also nicht Rockstar, sondern doch solider Handwerker.
Tja, auf wen soll man das jetzt schieben ? Auf die Bauarbeiter ? Ohne die Baustelle hätte er die Polen nie getroffen... Auf die Polen ? Ohne die Polen wäre er einfach nach Hause gefahren...Auf die Grünen ? Hätten die sich mal selber um ihre Polen gekümmert...auf die Kundin ? Hätte die mal in den Rückspiegel geschaut, anstatt im Geist schon am Eis zu schlecken...
Nee, der Junge sagt: "Dad, ich hab einfach nur nen ziemlichen Scheiß zusammengespielt."
Und ich sag: Junge, mach Dir nix draus...ich hab mir die Band auf You**** mal angehört...ich find die eh ziemlich scheiße...
Und er wieder: "Hast recht...irgendwie ist das auch nicht so hundertprozentig meine Stilrichtung..."
Wir müssen plötzlich beide lachen und das Ding ist endgültig durch, gegessen und abgehakt.
Tja, was aus den Polen geworden ist...keine Ahnung...vielleicht hatten die wenigstens ein Happy-End...:-)
Dir nen ganz lieben Gruß und eine schöne Restwoche
Andreas