Liebe Thalia,
Du musst die Daumen mächtig gedrückt haben, denn ich war grad mal mit einem Bein zurück in Deutschland, da konnte ich schon wieder losrockern :-): Sechs Tage die Woche, aber der neue Standort steht & mir geht’s prächtig damit.
Lieber Correns,
ich freu mich höllisch, dass Du hier eingefallen bist! Tatsächlich ist es so, dass ich so gut wie gar nicht mehr schreibe oder auch rede. Ich erlebe mich still, die Anderen mich auch – können sie endlich mal verschnaufen auf dem letzten Meter des Jahres - doch innen pitzelt es nach wie vor, allerdings verhalten.
Was soll ich Euch sagen? Es ist nicht die übliche Bilanz am Ende eines Jahres, sondern eher die Tatsache, dass da keine Worte mehr sind. Zu den wichtigsten Themen meines Lebens ist bereits alles gesagt und gedacht worden, gedreht, gewälzt, begrübelt, verlacht, verdrängt und wieder ans Licht gezerrt, beurteilt, verworfen, für gut befunden.
Meinen Alkoholismus sehe ich jetzt und heute in derselben Truhe wie meine Behinderung/meine Schmerzen, meine schwach ausgeprägte Geduld und meine letzte Beziehung mit einem Psychopathen: Ich kenne meine Gründe und auch die Techniken, weiß, womit es mir gut geht oder wie ich mich richtig in die Nesseln setzen kann und vor allem ist mir vollkommen bewusst, dass meine zeitweilige Sehnsucht nach den wilden schönen Zeiten den jeweiligen Schaden nicht aufwiegt.
Geduld ist das beste Beispiel im Zusammenhang mit meiner Gesundheit: Natürlich kann ich einen dreifachen Salto rückwärts aus dem Stand versuchen, aber das wäre momentan nicht besonders clever. Vielleicht probiere ich es mit 70 nochmal :-). Ich muss Geduld auch nicht toll finden und kann ordentlich herum fluchen, wenn es mir gerade höllisch auf die Ketten geht, dass ich sie benötige. Aber ich weiß einfach, dass manche Dinge nur zu meiner Zeit passieren können und ich das Ganze nicht forcieren kann, ohne mir Schaden zuzufügen. Also fluche ich und halte mich gleichzeitig an den Plan ;-). Ich habe nicht mehr den Nerv, mich auch noch mit Dingen herumzuschlagen, die ich selbst angezettelt habe und hätte vermeiden können.
Nein, ich konnte nicht voraussehen, dass mein ((bester) – Gruß an Rattenschwanz ;-)) Freund Alkoholiker geworden war, denn ich hatte ihn zu lange nicht persönlich gesehen. Und ja, ich hatte einen Rückfall, für mich ein Zeichen, dass ich meine Bemühungen beendet hatte. Da war keine Angst und kein Ärger, ich bin am nächsten Tag einfach aufgestanden und hab von vorn angefangen. Das kann ich meiner Meinung nach nur, weil ich jahrzehntelang gesoffen habe, ein paar Jahre trocken war und Alkohol für mich absolut keine Option ist.
Ich würde mich ja auch niemals wieder mit dem Psychopathen zusammen tun, obwohl der höchst spannend ist, doch genauso gut könnte ich in einem Minenfeld spazieren gehen. Irgendwann kommt einfach der Punkt, da dreht man sich weg – kennt man doch alles schon... Scheitern ist nicht das Gegenteil von Erfolg. Es ist ein Teil davon.
Zwei Dinge habe ich mitgenommen bei meinem letzten Abstecher in die Schweiz: Mir wurde bewusst gemacht, dass es einfach süchtige Menschen gibt, die keine Hilfe oder Unterstützung wollen. Sie leben bereits in der Welt, die sie für sich selbst gewählt haben. Schwer vorstellbar für mich, aber es ist wie es ist.
Die andere Sache betrifft meine Gesundheit. Offensichtlich habe ich in dieser Hinsicht alles selbst in der Hand – eine Info, die mich total erstaunt hat. Dann setzte bei mir ein komplizierter Denkvorgang ein und das Ganze erschien mir schon ein bisschen logischer.
Ich vergifte mich nach wie vor mit Nikotin, der Droge, an der mehr Leute zugrunde gehen als an jeder anderen Krankheit. Nun soll ich also mit der Qualmerei aufhören und meine Schmerzen werden wie weggeblasen sein. Ich soll mich wieder so fühlen können, als hätten diese OP´s nie stattgefunden.
Selbst in diesem Moment spüre ich, wie Skepsis mein Gesicht zerbastelt, doch der Mann hat mir bereits einen Großteil der Schmerzen genommen durch ein einfaches Telefonat.
Er hat mich mithilfe von Licht und Engeln quasi gescannt.
Das alles kann ich glauben oder auch nicht, doch das Beste daran ist, dass mein Glaube hier überhaupt nicht gefragt ist, denn es funktioniert auch ohne.
Na, dann probiere ich es doch „einfach“ mal aus und gucke, was so passiert.
Mit dem Rauchen aufzuhören soll ja ganz einfach sein. Man muss nur wollen.
Ich überlege schon seit Tagen, welches Gewicht der schwere Gegenstand haben müsste, der beim Aufprall auf mein Köpfchen einen derartigen Sinneswandel bewirken könnte.
Typisch Suchtbolzen: Anstatt glücklich darüber zu sein, eine Chance zu bekommen, nachdem alles andere versagt hat, jammere ich herum, dass ich mich in Zukunft nicht mehr vergiften darf. Ich bin gerade schwer begeistert von mir...
Thalia, auch ich hatte die Erfahrung gemacht, dass mir das Gefühl für „Normalität“ total fehlt. Vielleicht begucke ich mir deshalb seit Jahrzehnten Menschen wie ein Alien, der aus einem UFO gepurzelt ist. Ich bin ja nicht nur realistische Träumerin, sondern auch praktisch veranlagt. Ich habe mit sehr vielen Menschen in meinem Leben gesprochen, sehr offene Gespräche geführt. Ich empfinde diese Offenheit Anderer mir gegenüber heute noch als ein Geschenk, denn nur so konnte ich feststellen, dass sie alle unterschiedlich waren. Das bedeutet, dass ich so sein kann wie ich bin.
Ich las neulich in einem Buch folgenden Satz: „Sie sind zu alt, um Höflichkeit zu erlernen, aber sie sind nicht zu alt, um sie vorzutäuschen, wenn es angebracht scheint!“ So oder so ähnlich.
Ich verstehe das nur zu gut, denn sehr viele Menschen haben ein privates Gesicht und ein anderes für den öffentlichen Umgang mit anderen Menschen.
Es gibt da also keine Regeln und es ist auf keinen Fall die große Masse entscheidend – meiner Meinung nach. Entscheidend wäre dann, was Du für dein Leben benötigst. Ich mag manchmal gar keine Menschen sehen, habe beruflich aber immer wieder mit neuen Leuten zu tun. Mein Job ist mir sehr wichtig und so zwinge ich mich manchmal auf Veranstaltungen, bei denen ich direkten Kontakt mit fremden Menschen habe, nur um quasi „im Training“ zu bleiben.
Andererseits fahren massenweise Menschen gern Achterbahn und die könnte man von mir aus alle abreißen :-). Bräuchte ich nicht.
Ich liebe Hunde, hatte aber Angst vor manchen Hunderassen anderer Leute. Ich habe mir also selbst einen Hund angeschafft damals und habe bis heute überhaupt keine Angst mehr vor Hunden.
Ich denke fast, so muss man sich an alles herantasten und vorher überlegen, ob es nötig ist oder nicht und welche Bedürfnisse man selbst hat.
Ich habe gerade meinen letzten Post noch einmal durchgelesen und es hört sich tatsächlich niederschmetternd an. So war dieses Jahr jedoch ganz und gar nicht. Ich habe gute Leute kennengelernt, berufliche Kontakte knüpfen können und ich hatte jahrelang nicht mehr so viel Spaß wie in diesem Sommer. Ich mag nur immer noch gern teilen und hätte mir gewünscht, dass mein Mitbewohner genauso viel Freude empfunden hätte. Hat er ja auch, er konnte es nur nicht zeigen.
Programm für mich ist also das Nichtrauchen und Freude nicht teilen müssen, um selbst noch mehr Freude empfinden zu können. Schwierig, aber technisch nicht unmöglich... denk ich ;-).
Correns, es tut mir sehr leid, dass Du gesundheitlich noch nicht wieder so ganz auf dem Damm bist, aber der Wald ist auch beim Spaziergang schön für den Moment und man kann herrlich fluchen in der Einöde, falls der heiße Dampf mal den Kessel zu sprengen droht ;-).
Liebe Grüße
Katha