Überübermorgenland - Postfach :-)

  • Hallo Katha,

    schön von dir zu lesen :-).
    Du hast ja mal wieder eine rasante Zeit hinter dir.

    Deine Pläne für das Weihnachtsfest hören sich gut an. So etwas gefällt mir selbst auch sehr und wird in eine ähnliche Richtung gehen.

    So wünsche ich dir nun eine weitere besinnliche Adventszeit,
    Maria

  • Zitat von Katharsis

    ...Okay, ich bin bekloppt, aber das wusstet Ihr ja längst *fg*...


    Liebe Katha,

    da bist Du nicht allein :)

    Ich habe mich sehr über Dein Wiedererscheinen gefreut.
    Wie so oft bei Dir war es dann gleich ein Beitrag
    in der Länge eines kleinen Taschenbuchs.
    Hervorragend!

    Wie Du immer wieder den Bogen
    zwischen still und melancholisch auf der einen
    und laut und humorvoll auf der anderen Seite spannst,
    ist sehr beeindruckend.
    Manchmal vergesse ich, den Mund zuzumachen.

    Und ... willkommen zurück!

    Viele Grüße
    Correns

  • Guten Morgen

    Nie zuvor habe ich so lange und vor allem so gründlich überlegen müssen, wie ich meine Antwort formuliere – vermutlich aber so lange, dass sich niemand mehr an die Fragen erinnern kann außer mir selbst ;-).
    Zwischenzeitlich habe ich sogar ernsthaft einen Beitritt in die Geschlossene erwogen – und bereits die ersten Schritte eingeleitet - damit ich privat ungefiltert drauflos tippseln kann, den Gedanken dann jedoch wieder verworfen.
    Ich kann nicht erwarten, dass jemand nach vier Monaten noch irgendein Interesse an meiner Antwort hat und ich weiß ja nicht einmal, ob z.B. Du, Andreas, überhaupt noch hier herumturnst (Correns, Thalia und Frank konnte ich lesen), aber ich versuche es jetzt trotzdem:

    Deine „Brammelaktion“ :) konnte ich sehr gut nachvollziehen, auch wenn sie mich verletzt hat. Nun ist es aber so, dass ich gerade bei Freunden und vor allem in der Suchthilfe versuche, so sachlich und objektiv zu bleiben, wie es mir nur möglich ist, denn alles andere hilft Menschen nicht weiter. Viele von uns sind sehr loyal und das gefällt mir sehr, sehr gut. Nun hatte ich bei mir einen Hang dazu entdeckt, eben aus dieser Loyalität und Sympathie heraus etwas Objektivität über Bord zu schmeißen und meinte, bei Dir etwas Ähnliches zu bemerken. Ich bin nicht der Weisheit letzter Schluss und so habe ich mich vielleicht auch getäuscht. Falls nicht… den Gedanken vielleicht noch einmal durchs Hirni kugeln lassen ;-). Ganz sicher aber möchte ich nie jemanden absichtlich verletzen und so bringen mich Brammelaktionen zum Nachdenken, treiben mich aber nicht in die Flucht ;-).

    Die Sackkarre.. :D. Alleinstellungsmerkmale sollen wir ja offensichtlich vermeiden und so sage ich vorsichtig, dass ich zumindest vermute, eine der wenigen Frauen gewesen zu sein, die jemals in einem Job als Assistentin der Geschäftsleitung mit einer Sackkarre zur Arbeit erschienen sind ;-). Das Teil habe ich dann auch so einsetzen müssen, dass ich es komplett geschrotet habe. Dafür haben mir meine ehemaligen Kollegen, die sehr wohl wissen, wie man manche Frauen glücklich macht, eine neue Sackkarre geschenkt, die selbst den Ansprüchen der Umzugsleute genügte ;-).

    Und nun zum schwierigen Teil, der mir so viel Kopfzerbrechen machte: Das Manuskript.
    Es begann mit einer außergewöhnlichen Geschichte und endete mit Frust meinerseits. Erst wollte ich mich nicht dazu äußern, sowenig wie ich ein halbfertiges Bild vorzeigen würde. Dann stand mir meine eigene Loyalität im Weg. Die Arbeit daran machte irrsinnigen Spaß, auch wenn ich manchmal bei einer Bullenhitze bis zu acht Stunden in die Tasten hauen musste. Ich habe jeden einzelnen Satz neu formuliert und stellte dabei fest, wie ungleich schwieriger es ist, anderer Menschen Worte in Form zu bringen, weil sie bereits durch Dein Hirni purzeln und sich dort festkrallen anstatt einfach selbst schreiben zu können. Was in den ersten Kapiteln erschütternd und sehr bewegend war und mir den größten Respekt abnötigte, mir Mut machte und mir Lebensfreude und die Freude an kleinen Dingen noch näher brachte, verkam dann doch auf beklemmende Art und Weise eher zu einer Abrechnung mit dem Arbeitgeber und auch der bereits verstorbenen Frau. Ich schätze Ehrlichkeit über alle Maßen, denn sie gibt mir Sicherheit (auch wenn sie mich zeitweise erstmal zu Boden bringt), ich sehe jedoch wenig Sinn darin, Kindern im Nachhinein Dinge mitzuteilen, die ihnen eine Illusion rauben und damit die Bemühungen eines ganzen Menschenlebens zunichtemachen würden. So habe ich gegrübelt, gesabbelt und gefeilt – alles unter dem Aspekt, dass die absolute Wahrheit nichts Positives bringen würde, denn die Vergangenheit kann niemand ändern. Ich fühle mich besser damit, mag mich jetzt aber nicht mehr damit beschäftigen. Muss ich auch nicht, denn es ist fertig gestellt ;-).

    Mein Mitbewohner ist ja mein bester Freund und deshalb prädestiniert dafür, auch über das ganze romantische und wenig praktische Gedöns ;) zu fachsimpeln. Suff und Depris verhindern allerdings, dass er so richtig aus dem Quark kommt, aber was soll ich sagen: Wenn ich trinke, werde ich auch depressiv und Leben spielt sich nur in der Theorie ab. So einfach isses.. und so schwierig.
    Ich jedenfalls habe mich so unbändig auf dieses Jahr gefreut und bin voller Pläne. Wie Teufel aus der Kiste tauchte doch immer wieder der Ex auf (interessant, meine Opfer-Haltung in dieser Beziehung ;-)) und brachte mich mit schöner Regelmäßigkeit zu Boden. Diesen vermeintlichen Helden habe ich jetzt endgültig zu den Motten geschickt.
    Durchhalten, durchatmen, ausatmen, aushalten – das muss ich öfter mal, aber ich muss mir auch immer genau überlegen, wo es wirklich nötig ist, weil es zum Leben resp. zu meinem Leben gehört und wo es Leben einfach nur blockiert oder sogar verhindert.
    Immer öfter sehe und erlebe ich, wie Menschen sich über Jahre hinweg so intensiv bemühen, wieder auf die Füße zu kommen und scheitern, weil sie das Grundsätzliche, was sie so sehr belastet, nicht ändern. Es ist oft, als müsste man sich selbst das Herz herausreißen, aber irgendwann stellt man dann fest, dass man freier durchatmen kann, plötzlich wieder gelacht hat (oops!), sich auf irgendetwas wieder fast so sehr freut oder über irgendetwas, wie man das früher konnte. Und dann versteht man plötzlich den fetten Schleier, der über allem gelegen hat. „Man“ hat in der Selbsthilfe nix zu suchen – weiß ich – aber ich hab jetzt grad nach dem letzten Absatz keinen Bock mehr, Worte zu klauben. Ich, ich, ich – das sollte reichen jetzt ;-).

    Weihnachtsbeleuchtung. Die Sonne strahlt vom Himmel an diesem wundervollen Frühlingstag und ich traue mich kaum, dieses Thema nochmal anzuschneiden, aber es gilt ja für viele Bereiche und deshalb tue ich es jetzt doch ;-): Ich habe – wie so oft – schallend gelacht, als ich mir vorgestellt hast, wie Du grummelnd an der Beleuchtung herumzerrst. Vielleicht bin ich doch ein bisschen vernünftiger geworden – eher weniger wahrscheinlich – oder mir sind doch viele Bilder in meinem Kopf abhanden gekommen im Laufe der letzten Jahre: Ich wünsche mir Freude für alle und so würde ich mich lieber mit weniger eigener Freude ans Werk machen bei der Deko als jemandem dabei zusehen zu müssen, der sich dann doch eher damit herumquälen muss, weil´s einfach nicht sein Ding ist.
    Geburten sind nicht wie im Fernsehen, Hochzeiten irgendwie oft auch nicht, nicht jeder Mann ist extrem scharf darauf, mit mir Schuhe oder Klamotten einzukaufen und wenn ich im Juni dann auf Glühwürmchen im Wald lauere, habe ich bis dahin den größten Schweiger des Universums aufgetan oder selbst schweigend das Staunen gelernt. Hoffe immer noch, dass mir Tor 2 erspart bleiben wird ;-), obwohl mir die Technik von Pink Lady da überaus gut gefällt.
    Ich habe mich letztes Mal bei der Weihnachtsdeko so vorbildlich zurückgehalten, dass ich ganz erschüttert war, als mir von zwei Seiten gedrückt wurde, dass es wohl „nicht gerade wenig“ war.
    Dafür habe ich mich dann an den Ostereiern schadlos gehalten, denn die dürfen auch wunderschön werden, sofern man sie denn essen kann und sie somit auch einen praktischen Nutzen haben :-).
    Ich hatte jedenfalls Freude daran, das mache ich daran fest, dass ich mich einlassen kann, kein Stück zappelig werde und es in Ruhe auch zu Ende bringe. Schönes Gefühl.

    Bevor ich hier heute schreiben konnte, habe ich gestern meinen Thread in voller Länge durchgelesen. Es kamen mir tatsächlich die Tränen, als mir wieder mal bewusst wurde, mit wie viel Anteilnahme, Fürsorge und auch lustigen Geschichten zur Ablenkung Ihr mir über die so ziemlich schlimmste Zeit meines Lebens hinweg geholfen habt. Ich habe es mit Unbeständigkeit gedankt und schäme mich dafür in Grund und Boden. Dies soll kein Abgesang werden, doch ich wünschte, ich könnte mehr Beständigkeit versprechen, anstatt diese Schwarz-Weiß-Taktik weiterhin verfolgen zu müssen :-(. Ich habe in der Zwischenzeit um jeden Millimeter Gesundheit kämpfen müssen und es geht mir schlechter als jemals zuvor. Trotzdem werde ich mich jetzt wieder um einen Vollzeitjob bemühen, weil ich nicht vorankomme. Keine Ahnung, wie das funktionieren soll, aber Versuch macht ja bekanntlich auch kluch ;-). Aufrichtig kann ich jedoch sagen, dass ich hier heute nicht einfalle, nur weil es mir schlecht geht und ich mir Zuspruch erhoffe. Ich halte absolut nichts davon, Menschen immer nur dann zu belatschern, wenn man sie gerade mal wieder braucht und man muss dann die Suppe auch selbst auslöffeln, wenn man die Geduld der Anderen überstrapaziert hat. Heute allerdings habe ich nicht einmal in meinem Terminkalender nachgesehen, ob irgendetwas ansteht. Es war mir total egal, denn dies hier war wichtiger. Ausbügeln, was ich heute im RL eventuell vermasselt habe, muss ich dann eben morgen wieder.

    Trotz der Schmerzen spüre ich, dass dies ein wundervolles Jahr werden kann und da vertraue ich und werde deshalb meinen Drahtesel komplett auseinandernehmen und aufpolieren. Auf den Balköng hab ich ihn bereits geschleppt, so dass er Frühlingsluft schnuppern kann.
    Diese Woche steht mein erster Opernbesuch an. Vielleicht wird’s doof und anstrengend, aber ich freue mich unbändig auf eine neue Erfahrung. Mein Mitbewohner klemmt und so habe ich mir kurzerhand einen Mann aus dem Internet gezerrt, der zumindest vorgibt, Interesse daran zu haben :-). Da ich den auch nicht kenne, kann es ja nur spannend bleiben, aber es würde mir in der Seele weh tun, wenn da eine Karte verfällt für ein Ereignis, das einem anderen Menschen vielleicht auch Freude bereiten könnte. Manchmal erschrecke ich noch immer über meine eigene Schnellschusstaktik, spüre aber auch, dass alles besser ist, als sich enttäuscht allein auf den Weg zu machen oder sich sogar auf seine Insel zurückzuziehen. So bleibt es dann wohl bei unberechenbar, aber bemüht und hoffentlich weniger unbeständig…

    Ich danke Euch und wünsche einen bezaubernden Frühlingstag.
    Das „guten Morgen“ lasse ich stehen, denn heute Morgen habe ich angefangen, zu schreiben.
    Es zeigt jedenfalls, wie sehr ich mich bemüht habe, gerade die Sache mit dem Manuskript so zu formulieren, dass ich es für mich vertreten kann.
    Schwerstarbeit.
    Ausatmen.
    Durchstarten.
    Doch erst einmal etwas essen, denn wir wissen ja, was Hunger, Durst, Schlaf- oder Frischluftmangel mit unserem Hirni anstellen können.

    Ganz liebe Grüße
    Katha

  • Hallo Katha,

    ich wusste es!
    Du bleibst uns erhalten.
    Das gefällt mir ausgesprochen gut.

    Mach Dir wegen der Pause keinen Kopf.
    Ich denke, dass Auszeiten immer wieder auch mal gut tun.
    Klasse finde ich, dass Du gleich wieder hilfreich unterwegs bist.
    Bei Hesse hast Du sehr gute Worte gefunden.
    Aber Du bist sowieso formulatorisch-grandios.

    Die Sache mit dem Manuskript kommt mir vor,
    als hätte ich diese Geschichte auch schon mal durchlebt.
    Da starte ich mit einem vermeintlich genialen Plan
    und plötzlich überholt mich rechts die Realität.

    Ich wünsche Dir einen guten Neustart.
    Viel Nerven, viel Ruhe, viel Kraft.

    Viele Grüße
    Correns

  • Hallo Katha,

    ich freu mich sehr, wieder von dir zu lesen. Wirklich sehr. Und wünsche dir sehr, dass es bei dir gesundheitlich bergauf gehen möge. Es tut mir wirklich leid zu lesen, dass es dir so schlecht geht, und auch, wenn du keinen Zuspruch einforderst, möchte ich dir trotzdem sagen, dass ich dir von Herzen alles Gute wünsche.

    Wie schade, dass du dich derzeit (noch?) nicht wieder für den erweiterten Bereich entscheiden konntest. Ich hätte sehr gerne die Chance, drinnen etwas konkreteren Austausch mit dir zu pflegen. Ich finde es sehr schwer (zu schwer), hier draußen nicht zu privat, aber trotzdem persönlich, oder auch: nicht zu detailliert, aber trotzdem relevant zu schreiben.

    Viele Grüße
    Thalia

  • Guten Morgen, lieber Correns

    Ich freue mich irrsinnig über Deinen Besuch
    und Deine Worte.
    Du machst mir Ruhe im Bauch.

    Ich habe mir nicht wirklich eine Auszeit genommen,
    sondern bin im Gegenteil so gerannt, wie ich es
    sonst nur vom Job her kenne.
    Die Prioritäten mussten sich verschieben auf der
    Jagd nach Gesundheit.
    Drei Mal wöchentlich bin ich in der Tagesklinik,
    um kleinere Maleschen auszubügeln, die bislang
    nicht wichtig waren und muss Pillen futtern,
    bei denen ich typischerweise wirklich jede fiese
    Nebenwirkung mitnehme :-).
    Deshalb verzichte ich ganz auf Schmerzpillen,
    was sowieso zu meinen Lieblingsdisziplinen gehört
    wegen meiner Karriere als Suchtbolzen.
    Dazu dann Akkupunktur und KG und massenweise
    Arzt- und KH-Besuche – Mein Hausarzt fragte schon:
    „Sie schon wieder? Gefällt´s Ihnen so gut bei mir?“ :D
    Nebenbei schmeiße ich mich auf den Teppich, um
    mein 4-faches Rückgrat zu stärken und bin immer
    benusselt, weil ich ja selten schlafen kann.
    Tja.. und der nötige Papierkram zwischendurch…
    Aber es soll nicht gejammert klingen, denn es ist
    ja immer wie es ist. Schön wäre es nur, wenn es
    bei all meinen Anstrengungen nicht dabei bleiben müsste.

    Das Allerallerschlimmste an der Sache mit dem Manuskript
    war noch nicht wirklich das, was ich gestern erzählt habe,
    denn meist finde ich eine Lösung.
    Aber wir hatten so ein gutes Verhältnis zueinander,
    ich fühlte mich bei dem Projekt irgendwie sicher und
    geborgen und total wohl bei Gesprächen und Diskussionen
    und dann muss die Knalltüte sich in mich vergucken.
    Mit einem gemäßigten Frontalangriff hat er alles kaputt
    gemacht *hoil*.
    Von da ab war nichts mehr gut oder gemütlich und freuen
    konnte ich mich auch nicht mehr. Stattdessen habe ich
    ihn ständig nur noch auf irgendwelche Zuckungen in meine
    Richtung hin observiert, was bei mir ein versteinertes
    Gesicht zur Folge hatte.
    Ich bin Teilzeitschisser und deshalb doch froh, dass ich
    umgezogen bin. Gut, es ist vorbei.
    Pläne verlieren aber oft nicht an Genialität, nur weil
    Menschen immer reinpfuschen müssen, dies nur
    mal zum Trost ;-).

    Ganz lieben Dank, Correns, für Deine Wünsche.
    Sie sollten locker ausreichen, um durch den Frühling
    zu hopsen.
    Liebe Grüße
    Katha

  • Liebe Thalia,

    ich bin doch etwas beschämt wegen der Herzlichkeit, mit der Ihr mich ohne Vorwürfe wieder auf- und angenommen habt und ich danke Dir sehr dafür und auch für Deine Wünsche.
    Da spüre ich sofort, dass das Töpfchen mit Geduld, Energie und Kraft doch nicht ganz so leergeschöpft ist, wie ich kürzlich noch vermutete.

    Bislang habe ich ja wegen der mir eigenen Emotionalität immer direkt und ohne Umschweife rausgehauen, was gerade so bei mir anlag. Deine Worte über den Austausch im offenen Bereich treffen jetzt natürlich voll den Nerv bei mir ;-), da ich so lange überlegen musste, was ich hier öffentlich schreiben darf und was nicht. Antworten wollte ich in jedem Fall, aber je länger ich zögerte, desto schwieriger wurde es.
    Nun habe ich eine Entscheidung getroffen und war erleichtert darüber. Mir liegt es ja nicht, zu filtern und an jedem Wort zu feilen, obwohl ich vorsichtig bin, wenn ich Anderen schreibe, weil viele Menschen gerade zu Anfang so verunsichert sind und dann schnell Missverständnisse entstehen. Den Holzhammer spare ich mir deshalb auf für Leute, die absolut klar im Schädel sind und dann ihre bösartigen Talente ausüben.

    Bei mir dreht sich immer das Karussell:
    So berühmt biste nun auch nicht, dass Dich da draußen jeder gleich erkennen könnte ;-).
    Gefilterte Worte sind so ähnlich wie ein halbes Magengeschwür, da bleibt ein Rest, der in mir herumknorzt.
    Niemand wird sich aus lauter Langeweile in einem Alkoholikerforum herumtreiben, dazu muss er/sie schon selbst direkt oder indirekt betroffen sein. Wer mich also erkennen sollte, sitzt mit mir in einem Boot und schon sind wir wieder Viele.

    Dein letzter Satz beschäftigt mich sehr und gibt mir die Idee ein: Lass es uns zusammen üben,
    nicht zu detailliert und doch relevant zu schreiben. Hier.
    Relevant in der Selbsthilfe scheint es zumindest vordergründig nicht zu sein, wenn ich mich von einem Sichtschutz in den Lorbeerbusch katapultieren lasse, andererseits hätte ich keinen Finger an den Sichtschutz gelegt im nassen Zustand. Da hätte ich nicht die Energie aufbringen können und auch nicht den Mut, mich einer solchen Arbeit zu stellen. Kraft lassen wir jetzt mal gepflegt beiseite ;-).
    Ich hätte nicht mal den Wunsch verspürt nach einer Veränderung, die außerhalb dessen lag, was unbedingt erledigt werden musste.
    Solche Kapriolen kann ich weglassen, denn hier bekomme ich ja auch ständig neue Denkanstöße: Ich war z.B. immer total davon überzeugt, dass jeder meiner 127 Versuche, mit dem Trinken aufzuhören, vollkommen ernsthaft war. Jeden Montag habe ich mich von neuem wieder ans Werk gemacht.
    Dann lese ich von einem neuen Mitglied, dass sie offensichtlich dasselbe hinter sich hat, nur in dem Bewusstsein, dass sie jedes Mal nur ein paar Tage aufgehört hat, damit sie wieder trinken konnte!
    Das hat mich umgehauen und ich kam schwer ins Klinken: War es bei mir in Wirklichkeit nicht genauso? Sobald ich wieder Morgenluft witterte und eine Gabel halten konnte, ging´s wieder los.
    Bis dato dachte ich, dass ich das typische Mo-Do-Programm durchspulte, das ich nicht durchbrechen konnte und/oder mehr noch, dass sich zum Wochenende hin die Probs in meiner katastrophalen Beziehung damals naturgemäß wieder türmten. „Schuld“ eher Andere also, aber habe ich mir da nicht etwas vorgemacht?! Ich tendiere nun eher zum letzteren. Tut auch nicht weh, aber ich kann andere Verhaltensweisen daraufhin abklopfen.
    Das wäre z.B. eines von vielen Themen, die relevant und manchmal nicht ohne Schmerz abzuhandeln sind, ohne dass wir dafür unseren persönlichen Umkreis im Detail schildern müssen. Es wäre jedenfalls auch etwas, was ich mal dringend lernen sollte.

    Mir liegt immer noch so viel am offenen Bereich, weil ich kaum etwas vergessen habe: Wie schwer es war, zuzugestehen, dass ich Alkoholikerin bin, dass ich Hilfe benötige. Wie ich mich gekrümmt habe, weil ich mir vorkam, wie ein Totalausfall. Wie ich vermeiden wollte, dass Außenstehende davon erfahren, als hätten die das alle nicht schon längst gerafft. Mit einer Fahne durch Hörnertee und Pfefferminzbonbons kannst Du gleichzeitig 20 Arbeitskollegen ins Koma hauchen und wenn Du weitermachst, dringt der Alk durch alle Poren, sodass Du riechst wie Moder in einer Kompostkiste am Südhang.
    Aber nee, man rennt ja weiter und denkt, es würde niemand bemerken. Den Job macht man noch, klar. Wie oft musste ich dann ausbügeln, was ich in diesem Zustand abgerissen habe.
    Auto fahren, der Klassiker: Nachts von der Tanke runter, anschnallen, Tempo korrekt, blinken… und dann vergessen, das Licht einzuschalten…
    Was für eine Erleichterung, wenn man nicht mehr dagegen ankämpfen muss. Sich fallen lassen, kapitulieren, sich ausruhen und für sich besser sorgen. Menschen um Dich herum, die das Gleiche mitgemacht haben und Du musst dich nicht mehr verstellen. So viele Dinge, die vorher Dein Leben bestimmt haben – einfach nicht wichtig in diesem Moment, nur noch Genesung.
    Die ersten geraden Schritte und dann – wie ein leiser Windhauch – plötzlich wieder das Interesse am Leben.
    Ich sag ja immer: Wenn ich ganz am Boden war, habe ich mich hinterher jedes Mal gefragt, wie zum Teufel ich dort hingelangen konnte. Doch eines habe ich auch gerafft: Ich kann immer nur mit dem arbeiten, was ist und nicht mit dem, was ich gern hätte.

    Klingt blöd, aber ich denke auch, dass es einen Unterschied macht, ob man (nahezu) ohne eigenes Zutun auf der Intensivstation landet oder sich aus eigenem Antrieb abmacht in die Entzugsklinik.
    Ersteres erscheint mir eher wie ein schwerer Unfall und man muss kapitulieren und sich in die Hilfe pflegender Hände begeben.
    Bei letzterem klammert man sich vielleicht doch an den letzten Rest Menschenwürde, Stolz – natürlich völlig unangebracht – und an die eigenen Ansprüche.
    Den Unterschied sehe ich aber bei den meisten Menschen und bei mir selbst eher darin, dass wir – weil wir sind wie wir nun mal sind – uns bei einer eigenen Einweisung noch unnötig alles so schwer machen, indem wir aus dem Schuld- und Pflichtgefühl versuchen, die letzten, dringend benötigten Kräfte noch dafür einzusetzen, „alles“ zu regeln und für Ordnung zu sorgen und uns damit völlig überfordern, weil wir gar nicht begreifen können, dass es für uns tatsächlich um Leben und Tod geht. Mir kam der Gedanke immer so überflüssig dramatisch vor und doch hätte jeder Absturz der letzte sein können. Ich habe mit meinem Leben gespielt und hatte das doch eigentlich gar nicht vor…

    Ich glaube einfach, dass sich im geschlossenen Bereich genügend Menschen umeinander kümmern. Ich würde deshalb am liebsten jeder Nassnase, die sich hier in den offenen Bereich hereintraut, signalisieren: Du bist nicht allein und wenn Du meinst, Dein Leben wäre nicht zu reparieren, dann komm´ näher und beguck Dir die Chose hier und Du wirst feststellen, dass nichts unmöglich ist, auch wenn es sich in Dir gerade so anfühlen mag, so verzweifelt, kraftlos und ohne Hoffnung.

    Tja, das wäre mir ein echtes Anliegen, aber dazu brauche ich mehr Beständigkeit. Nach vier Monaten mal nachzufragen: Hey, wie geht’s Dir denn grad? ist wohl wenig hilfreich. Ich kann nur versuchen, es besser zu machen als bisher.

    Bin gespannt auf Deine Meinung dazu.
    Ganz liebe Grüße und einen fluffigen Tag
    Katha

  • Huhu Matthias,

    ganz lieben Dank :oops:
    Wenn ich Dich und Correns so anschaue, dann wächst in mir der Wunsch, meine Beiträge auf ein erträgliches Maß zu kürzen und dafür öfter zu schreiben.
    Dass dies nicht unmöglich ist, beweist Ihr doch täglich.
    Der Frühling macht gerade alles neu – ich versuche mal, mich da einzuklinken ;-).

    Ganz liebe Grüße und auch Dir weiterhin eine schöne Zeit.
    Katha

  • Liebe Katha,

    Wir haben mit dem Leben gespielt und es nicht mal gemerkt. Da sprichst du mir aus der Seele.
    Nun aber nehmen wir es ernst, dieses Leben, und wer würde uns verbieten, es spielerisch anzugehen? Du mir jedenfalls nicht. :wink:

    Schön, dich wieder zu lesen,
    LG viola

    Da, wo es piekt, da geht es lang!

  • Liebe Katha,

    als ich vor knapp zwei Jahren hierher kam, warst du eine von denen, die mich hier begrüßten, und eins, das du mir schriebst, hat sich sofort den Weg in meine tieferen Schichten gebahnt, und zwar "schwere Fälle so wie ich" - das machte mir etwas Wichtiges über mich deutlich und wirkt immer noch nach.

    Ich will dir noch mehr antworten, aber dazu brauch ich noch was länger.

    Viele Grüße
    Thalia

  • glück auf katha

    meine "kurzen beiträge" sind gut, um wichtiges hervorzuheben bzw. zu betonen und um auf "ungereimtheiten" aufmerksam zu machen.
    deine "ausführlichen beiträge" helfen besser zu verstehn, wie s dir geht, zusammenhänge zu erkennen und am ende draus zu lernen.

    - umärmelung -

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Liebe Viola,

    lieben Dank für Deinen Besuch, ich habe mich sehr darüber gefreut.
    Wie immer schaffst Du es, die Sache mit einigen wenigen Worten auf den Punkt zu bringen und dabei auch noch wundervolle Formulierungen zu finden. Danke dafür.
    Ich vergaloppiere mich ja auch schon mal ganz gern, vor allem, wenn ich mir wegen einer nahestehenden Person entsetzliche Sorgen mache, aber generell neige ich schon eher zu einem lächelnden und ermutigenden „natürlich darfst Du“. Böse oder irritierte Blicke hinterher und auch ein bisschen verbale Kloppe von Außenstehenden stecke ich gern weg, wenn ich dafür zugucken darf, wie jemand sich traut, wieder eine persönliche Hemmschwelle zu übertreten und dabei so viel Spaß und vor allem Freude daran hat.
    Den eventuell folgenden bestürzten Ausruf der Erkenntnis von der soeben noch erleichterten und nahezu glücklichen Person „Och nee, das hätte ich ja schon viel früher haben können!“ muss ich dann aber leider mit einem fröhlichen Grinsen abschmettern: „Es ist wie es ist und hätten ham wa nich“. Ich bin nur ein Mensch und brauche keine überflüssigen Krisen wegen verpasster Möglichkeiten. Alles hat seine Zeit.

    Dir wünsche ich eine magische Zeit mit dem Wunder Frühling.
    Liebe Grüße
    Katha

  • Liebe Thalia,

    als „schweren Fall“ betrachte ich mich immer noch, doch besteht kein Grund mehr zum Verzweifeln.
    Ich habe mir vieles nicht aussuchen können und mir fehlen Dinge, die für Andere selbstverständlich sind. Andererseits wurde mir dafür – vielleicht als Ausgleich ;) – die Fähigkeit mitgegeben, für fast alles eine Lösung zu finden.
    Manchmal macht es mich z.B. traurig zu lesen, wie Mitbetroffene in ihrer Kindheit um ein Haustier trauern konnten/durften. Das gab es bei uns nicht. Da wurde voll durchgezogen und weitergemacht, aber kann ich es einem Menschen verübeln, der durch Krieg gezwungen wurde, sich auf das Lebensnotwendige zu beschränken und Gefühle nicht zulassen durfte, weil er sonst nicht hätte weitermachen können? Natürlich ist es traurig, dass wir sehr wohl Gefühle hatten, uns diese Haltung aber übergestülpt wurde. Da mutierst Du zu Deinem eigenen Käfig.
    Dagegen kann ich nichts mehr tun, aber ich kann sehr wohl heute verhindern, dass Menschen, die trauern und deshalb weinen, glauben, sich dafür entschuldigen zu müssen in dieser seltsamsten aller Welten.

    Wenn ich nicht nachdenke, bin ich mutig, flexibel und spontan. Denke ich nach, bin ich oft verunsichert, hölzern, ängstlich und schüchtern, glücklicherweise aber auch manchmal einfach nur sachlich oder logisch. Dagegen ist wohl auch kein Kraut gewachsen, also muss ich für mich versuchen, jeden einzelnen Zustand zu nutzen, so wie er gerade anfällt. Gelingt natürlich nicht immer, aber immer öfter ;-).
    Und ich habe eine Entscheidung getroffen: Ich will nichts und niemandem hinterherhecheln, ich will mich nicht völlig verausgaben, so dass ich ununterbrochen genervt und schlecht gelaunt bin und dann in ein Wellness-Wochenende fliehen muss, ich will nichts Aufgesetztes und möglichst anderen Menschen nicht gegens Knie treten. Ich glaube, dass meine Ansprüche relativ genügsam und eher vernünftig sind und so würde ich mich jederzeit auch dafür einsetzen. Ich muss nicht mehr das letzte Wort haben und so drehe ich mich manchmal einfach um und denke: Schade reden.

    Mir ist wirklich nix zu doof, um es auszuprobieren, wenn es hilfreich sein könnte.
    Bei meinem Projekt: „Netter zu mir selbst zu sein“ stieß ich dann aber fast an meine Grenzen. Fast ;-).
    Und so redete ich nicht mehr nur mit Gegenständen, sondern auch mit mir selbst :-). Ich war ja ziemlich oft und viel allein. Ich frage mein anderes Ich bei Niedergeschlagenheit, woran es denn liegen könnte, koche ihm heißen Kakao, puschele es in eine weiche Decke und gebe ihm ein schönes Buch und vor allem die Erlaubnis, sich auszuruhen, wenn ich es nicht überzeugen kann, vielleicht doch noch durch die Botanik zu hopsen. Da fühlen sich alle Beteiligten umsorgt und schon viel besser.
    Nun wohne ich nicht mehr allein und höre ab und zu eine Stimme, die irritiert fragt: „Was hast Du gesagt?“ Dann nuschle ich: „Nöx“, höre leises Lachen und ein selbstverständliches: „Ogäi“.
    Erleichtert mein Leben ungemein und ich wiederum bin bei den Macken Anderer tolerant.
    Ich muss natürlich aufmerksam sein und mich im Visier haben, aber nicht gestresst und analysierwütig, sondern eher liebevoll.

    Es gibt allerdings Tage wie heute, da sprechen alle anderen Menschen eine andere Sprache als ich und ich vergeude Stunden und bekomme keine Antworten. Niemandem sind Versäumnisse zumindest ein wenig unangenehm, aber ignorieren ist ja auch so viel einfacher. Eine spricht dann Patzig, aber die Sprache kenne ich und nach einer entsprechenden Replik hüpfe ich wieder in den Bus, lass es nach hinten rutschen und bestaune stattdessen Zierkirschen, Forsythien, Meere von Osterglocken und Krokanten, da letztes Wochenende hier die Natur explodiert ist. Die reden nicht, die nerven nicht, die sind einfach nur da, um Freude zu machen. Steig ich aus dem Bus und bin so gut wie neu :)

    Liebe Thalia, ich hoffe wirklich, dass mein Satzfetzen vom „schweren Fall“ bei Dir nicht langfristig eine Schwere ausgelöst hat. Ich denke, manchmal ist es wichtig, sich Dinge zu begucken, aber man darf sich davon nicht anketten oder ausbremsen lassen. So viel mehr ist möglich, auch in eben dieser seltsamsten aller Welten.

    Ich wünsche Dir Leichtigkeit, so wie auch eine leichte Frühlingsbrise einen Kirschblütenregen zaubern kann.
    Liebe Grüße
    Katha

  • Liebe Katha,

    ich kenne die Straße mit den Kirschbäumen, die Blüten schneien, die ist hier gleich um die Ecke. :)

    Nein, dein "schwerer Fall" ließ im Gegenteil vieles für mich leichter werden. Leichter zu akzeptieren, dass auch ein Mensch wie ich (und du?), der noch eine und noch eine Gedankenrunde dreht, um der "Wahrheit" aber ganz auf den Grund zu gehen, dass so jemand in seiner Sucht schlimmer gefangen sein kann und vielleicht sogar härter (oder anders hart) dafür arbeiten muss, sich da raus zu wurschteln (um mal deine Bildsprache zu verwenden), als jemand anders, der es vermeintlich, oberflächlich betrachtet, "schwerer" getroffen hat, weil er vielleicht schon im sozialen freien Fall begriffen ist.

    Es hat mir geholfen zu verstehen, dass meine Alkoholsucht keine Sache ist, die ich durch Denken in den Griff kriegen kann. So wie ich immer versuche, mein Leben durch Denken zu beherrschen. (Ha!) Es hat mir auch deutlich gemacht, (durch deinen Hinweis, vielleicht sogar zwei Selbsthilfegruppen zu besuchen), dass es nötig ist, über den Tellerrand meines eigenen Hirns hinauszuschauen. Und vor allem auch anderes hineinzulassen.

    Ich weiß momentan gar nicht, ob ich hier draußen schon mal was über mein Glücklichsein schrieb, wenn nicht, hole ich das demnächst mal nach. Also keine Sorge, dass deine Worte zuviel Schwere auslösten. :)

    Und immer noch bin ich nicht fertig mit dem, was ich dir schreiben will. Aber für heute. :)

    Viele Grüße
    Thalia

  • Hi Katha,

    wie schön, daß Du wieder mal hier hereinschneist und reichlich frischen Wind mitbringst...wobei ich Schnee inzwischen wirklich nicht mehr brauchen kann, ganz im Gegenteil. Ich merke immer mehr, daß es zwei Andreas gibt...einen mit Sonne und einen ohne. Der mit Sonne ist gutgelaunt, offen, leistungsfähig, der ohne ist ein Miesepeter, misanthrop veranlagt und faul...:-)

    Nun gut, ganz so schlimm ist es nicht, aber der Unterschied ist schon gewaltig.

    Laß mich raten...das Fahrrad steht immer noch auf dem Balkon, in alle Einzelteile zerlegt, auf Hochglanz poliert...jetzt fehlt nur noch einer, der Dir die Teile wieder zusammenbaut, oder ? :)

    Wäre es nicht möglich gewesen, den Opern-Liebhaber unter gänzlich falschen Versprechungen auf den Balkon zu locken, dort auszusperren und ihm evtl. seine Freilassung in Aussicht zu stellen, falls er in der Lage wäre, Dein Fahrrad zu reparieren ?

    Solltest Du allerdings im Erdgeschoss wohnen, würde ich unter Umständen meinen gutgemeinten Ratschlag ignorieren wollen...:-)

    Genaugenommen wäre der Manuskript-Mann ein noch dankbareres Opfer...der würde sich vermutlich auch nachts noch über Dein Fahrrad hermachen. Da würde Dir allerdings Deine Ehrlichkeit und Redlichkeit im Wege stehen - und das ist gut so. Schlechte Menschen haben schlechte Gedanken, pflegte meine Mutter zu sagen und ich lehne mich vermutlich nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn ich den Spieß einfach umdrehe und behaupte, gute Menschen haben gute Gedanken...

    Ich sprach vorhin den frischen Wind an...es ist immer wieder so, als würde jemand kräftig durchlüften, wenn Du hier kometengleich auftauchst...aber auf gute Dinge lohnt sich das Warten immer - soll heißen, ich freu mich wirklich sehr, von Dir zu hören.

    Daß Du Deine positive Einstellung trotz Deiner gesundheitlichen Probleme nicht verlierst, ist ein liebenswerter Wesenszug, den einige andere User hier ebenfalls an sich haben...das finde ich bewundernswert, v.a. auch deshalb, weil ich außer gelegentlichen Rückenproblemen bisher so ungeschoren davongekommen bin, daß es mir fast unverschämt vorkommt, bei einer der seltenen Grippen das übliche, männliche Gejammer aufzulegen.

    Im Ernst, ich mag Menschen, die ihre Unbeschwertheit, ihre positive Einstellung und ihre Freude am Leben behalten, auch wenn es das Leben nicht immer gut mit ihnen meint - in ihrer Nähe fühle ich mich richtig wohl - was selten vorkommt.

    Vielleicht nochmal kurz zum ersten Punkt:

    Ich könnt mich jetzt noch in den Arsch beißen, daß ich Dir vor Monaten so blöd von der Seite gekommen bin. So helle, daß Du es nur gut meinst, hätte ich nun wirklich sein können...aber ich reagiere manchmal empfindlich auf Kritik und besonders empfindlich auf die Kritik von Menschen, die mir wertvoll sind - das ist völlig bescheuert, aber wohl genetisch bedingt - eine Familienkrankheit, wenn man so will, bei der ich hoffe, daß die Gene meiner Frau dominant genug sind, um die meinen zu überlagern.

    So, genug gelabert für den Moment...ich habe derzeit nicht den Ergeiz, Deine ellenlangen Posts zu toppen, während Du Dir Rigoletto mit wildfremden Männern reinziehst *kicher*

    Und jetzt mal ganz im Vertrauen (ohne das es die anderen User mitbekommen):

    Wenn Du Dich auch nur noch einmal schämst hier im Thread, obwohl Du so vielen Usern immer wieder wunderschöne Momente bescherst mit Deinen erfrischenden Posts, komm ich persönlich vorbei und....................reparier Dein Fahrrad :)

    Ganz lieben Gruß zurück

    Andreas

  • Liebe Thalia,

    tun muss man tun und so war ich wieder schwer damit beschäftigt, nicht nur zu sabbeln und zu theoretisieren, sondern ranzuklotzen. Für jedes Ding, was ich erledige, bekomme ich ein paar neue Baustellen reingedrückt. Es ist so eine Art Dauer-Testlauf, aber das kenne ich ja schon. Hört irgendwie nie auf, doch ich bin ja im Training ;-).

    Ich finde Deine Gedanken sehr interessant und habe mich auch viel damit beschäftigt. Bis ich erfahren habe, dass es Menschen gibt, die aus reiner Langeweile – komplett ohne die vielzitierte innere Leere - angefangen haben, zu trinken, habe ich bei Alkoholikern überhaupt keinen Unterschied gemacht. Der Weg aus der Sucht ist ja für die meisten von uns hammerhart, aber ich beneide doch jeden, der sich ohne große Gehirnakrobatik ans Werk machen kann, um sein Leben mit Menschen oder einer Arbeit/Aufgabe und mit schönen Hobbies, die Spaß und Freude machen, zurechtzurücken.
    Das funzt bei uns anscheinend nicht. Wir spüren oder wissen, dass es grundlegende Dinge gibt, die wir ändern müssen, um nicht ständig in dieselben Fallen zu tappen. Ich weiß nicht, wie es bei Dir ist, aber mir macht z.B. mein Bedürfnis nach Kontrolle nun so überhaupt keinen Spaß. Es nutzt mir wie ein Loch im Kopf, dass ich weiß, woher es stammt und nach wie vor möchte ich als Beifahrerin jeden Fahrer vom Sitz zerren und das Steuer übernehmen. Ich hatte mir angewöhnt, entweder zu schielen, wenn ich geradeaus gucken muss oder stur aus dem Seitenfenster zu starren, um den Fahrer nicht mit erschrockenen Ausrufen zu nerven oder gar zu erschrecken. Ich habe also die Wahl zwischen Augenleiden oder Kreislaufbeschwerden und beides scheint keine Option :-). Ich frage mich gerade, ob ich das jemals werde reparieren können.

    Ich denke, es gibt zwei entscheidende Dinge, die alle Menschen lernen müssen: Es ist nicht nur das Loslassen, sondern auch das Annehmen. Das (Nach-)Denken an sich halte ich oft gar nicht für soooo verkehrt ;-), wenn man sich auf Situationen einstellen muss oder kann oder wenn man etwas plant, ansonsten können wir uns ja tatsächlich getrost von dem Gedanken verabschieden, wir könnten unser Leben durch Denken beherrschen. Da hilft nur noch Vertrauen und annehmen können, was ist. Denken beschert uns auch keine superschönen Überraschungen, Spaß oder Freude und was wäre das Leben ohne dies?!
    Ich glaube, dass ich ganz gut reflektieren kann und kritisiere mich häufig auch selbst, aber ich bin nicht mein eigenes Universum und in der Lage, ständig um alle Ecken herum zu denken. Deshalb halte ich den Austausch im Leben eines jeden Menschen für ungemein wichtig, denn er erweitert den eigenen Horizont, zeigt uns andere Sichtweisen und damit neue Möglichkeiten oder Herangehensweisen. Manches ist hilfreich, anderes nicht – da muss dann jeder für sich selbst sortieren.
    Es nutzt mir manchmal gar nichts, mir selbst vorzuwerfen, ich wäre albern und würde mich mit meinen Gefühlen lächerlich machen, denn sie sind da! Sagt mein Bauch. Und da ich den mittlerweile zu schätzen gelernt habe, weil er mir ganz andere Seiten aufzeigt, kann ich heute sagen: Klar bin ich doof, aber auch das ist, wie es ist und es kommt nie von ungefähr. Indem ich das ernst nehme, bin ich automatisch netter zu mir selbst und bügle mich nicht mehr selbst ab.
    Und manchmal muss ich Niedergeschlagenheit, Melancholie, Stimmungsschwankungen, Rückschläge und Katastrophen aller Art auch einfach annehmen und aushalten, denn ich habe kein Monopol darauf, weil ich Alkoholikerin bin. Es geht fast allen Menschen so, die ich kennengelernt habe. Ich beschwere mich ja andererseits auch nicht, wenn ich vor Freude hopsen könnte oder mich ein Sonnenuntergang wegen der Farben hintenüberkippen lässt.
    Depressionen – auch ein Thema hier – können wir sowieso nur behandeln, wenn wir klar im Schädel sind, weil wir sonst nie herankommen. Aus diesem Grund werden ja auch viele Therapien bei nassen Alkoholikern oder anderen Suchtbolzen abgelehnt.

    Ich würde zu gern etwas lesen über Dein Glücklichsein.
    Ich danke Dir ganz herzlich für Deine Gedanken, dieser Austausch füllt mich auch.
    Ganz liebe Grüße
    Katha

  • … falsch.. das Rad steht jetzt im Wohnzimmer… :D

    Lieber Andreas,

    ich habe mich höllisch gefreut über Deinen Besuch und – wie so oft – schallend gelacht :-).
    Das hat richtig gutgetan und ich glaube, wir sind uns einig, dass auch der Humor und das Lachen zur Selbsthilfe gehören.

    Wenn Du mal vom Dach schaust, wirst Du jetzt um diese Jahreszeit massenweise Menschen entdecken, die fröhlich, zufrieden oder sogar glücklich lächeln, freundlicher und viel unbekümmerter sind als noch vor wenigen Wochen :-). Sonne setzt Energien frei und damit bist du also auch nicht allein.
    Vor Jahren habe ich noch bei jedem Winteranfang geschnauft, etwas bedrübbelt geguckt und mir überlegt, ob Licht und Sonne, die ich das ganze Jahr über eingefangen hatte, für die lange dunkle Jahreszeit reichen würden. Heute sehe ich Kuscheldecken, heißen Kakao, eine Riesenfreude, wenn man nach einem langen Spaziergang in Eiseskälte wieder in der warmen Bude einfällt und jede Menge Zeit für Dinge, die ich während des restlichen Jahres nicht anpacken mag, denn dann bin ich lieber draußen. Ich weiß von mir jetzt ganz genau, dass ich für die verschiedenen Jahreszeiten in unseren Breitengraden gemacht bin.
    Und ich habe ein Faible für Montage… immer noch :-). Jeden Montag stürze ich mich mit anhaltender Begeisterung in den Tag und somit in die Woche – egal, wie das Wetter ist. Erblich ist das offensichtlich nicht, denn meine Tochter erschien hier in einem T-Shirt mit der Aufschrift: Monday – you Bastard *g*.

    Ich habe mit manchen Dingen einfach unverschämtes Glück und so konnte ich meine Fahrradwerkstatt direkt neben dem Sofa eröffnen – mein Mitbewohner hält das aus. Da ich diese Geduld aber nicht überstrapazieren möchte, schraube und schmirgle ich in jeder freien Minute, um zum Ende zu kommen. Das Rad ist tatsächlich in alle Einzelteile zerlegt, weil ich es grundieren und lackieren will, aber anders als beim letzten Mal habe ich es diesmal nicht einfach unbekümmert auf einer grünen Wiese erledigt, wo man garantiert nur die Hälfte der Teile wiederfindet, um es schwieriger zu machen :-). Ich habe fotografiert und gegoogelt – habe noch ein Lager gefunden, das ich gern einbauen möchte – und habe so berechtigte Hoffnung, dass ich es auch wieder zusammenbauen kann.
    Der Opernliebhaber ist raus: Der ist mir nach dem zweiten Akt durchgegangen :D. Wagner ist nix für Leute ohne Sitzfleisch ;-). Ich habe ihn aber verstanden, er musste am nächsten Tag im Job wieder antreten. Das war völlig okay und erstaunt stelle ich fest, dass ich wieder einen Schritt weitergekommen bin. Es hat mir a. nichts ausgemacht und b. war ich kein Stück verschnupft und viel wichtiger c. ich bin allein wieder hineingegangen und habe mir das Ende angesehen und anschließend bin ich mit massenweise neuen Eindrücken in den Bus gesprungen und zufrieden, gefüllt, gemütlich nach Hause geschuckelt.
    Das wäre vor kurzem noch gar nicht möglich gewesen.
    Andererseits muss ich sagen: Der Mann hat auf unserem Balkon nichts zu suchen *g*.

    Total schön, dass Du mich offensichtlich verstehst in Sachen Manuskript-Mann. Es war eine ziemliche Belastung für mich und es ist so schwierig, gerade in dieser Beziehung offen zu sein und trotz allem niemanden furchtbar zu verletzen. Ich möchte noch anfügen: Auch verzweifelte, ängstliche und verletzte Menschen haben manchmal schlechte Gedanken, aber es geht vorüber und das ist gut so, denn letzten Endes trifft man damit immer nur sich selbst.

    Andreas, Du darfst doch jammern, wenn es Dir schlecht geht – es sollte nur keine Tournee draus werden ;-). Selbst eine Grippe kann uns fällen wie einen Baum und immer sind wir uns selbst am nächsten, will sagen, wir sind nun mal grad total betroffen davon. Wenn ich ins Rudern komme, werde ich still und hangle mich durch den Rest des Tages und versuche, mit der Unruhe umzugehen. Da mache ich keinen Plan, wie ich jetzt mal grad die Welt retten könnte ;-).
    Deine Bewunderung tut (uns) natürlich gut. Es hilft, bei der Stange zu bleiben und zumindest ich fühle mich dadurch auch getröstet und irgendwie ruhiger. Dann fallen mir aber sofort wieder massenweise Menschen ein, denen es noch schlechter geht als mir und dann stürze ich mich wieder ins Leben und versuche zu tun, was ich kann.
    Ich habe ein ganz einfaches Rezept, was ich auch hemmungslos meinen Mitmenschen aufdränge, besonders dann, wenn sie niedergeschlagen sind ohne für sie erkennbaren Grund: Ich versuche sie zu ermuntern, sich gerade dann die schönen und guten Dinge ihres Lebens heranzuziehen, die man dann schnell aus dem Auge verliert.
    Die Kinder sind gesund und kommen gut voran in Schule oder Beruf, sind liebenswerte Menschen, eine tolle Beziehung, auch wenn es mal Kabbeleien geben muss, ein Job, der einem Spaß macht oder wo man sein Auskommen hat (am besten beides natürlich), ein schönes Zuhause, Freunde, auf die man sich verlassen kann, ein Urlaub, auf den man sich freuen kann… aber es gibt auch sehr viele kleine Dinge, die den Alltag ausmachen.
    Und so habe ich auch meine Freuden, selbst wenn mir vieles weggebrochen ist. Wenn es mir richtig dreckig geht, dann denke ich an meinen Hausarzt, der mir die beste Unterstützung gibt, die ich jemals hatte, an meine Physiotherapeutin, die sich mit meinen Nerven besser auskennt als ich selbst ;-), natürlich immer an meine Kinder, die so gut davor sind, auch wenn eines davon ebenfalls schon mit Titan behaftet ist, an meinen liebenswerten Mitbewohner oder daran, dass ich Rad fahren, schwimmen und durch die Botanik hopsen kann, dass ich mich in unserer Wohnung wohlfühle, an meinen zuverlässigen Steuerberater und an die Hilfe durch eine Behörde, dass ich neulich durch ein Stück See gewatet bin und dass es nicht mehr lange dauert, bis ich wieder an einem Flussufer sitze und mit den Füssen im Wasser paddle, während mir die Sonne ins Gesicht scheint.
    Dann fällt mir wieder ein, dass ich Vertrauen brauche und die Geduld, jeden Tag nur das wegzuschaffen, was geht und mich nicht wieder selbst überholen zu wollen.
    Manchmal bin ich dann auch einfach nur dankbar dafür, dass ich dankbar sein kann und so viele Dinge sehe, die Freude machen. Und dass meine Träume nicht alle werden. Da ist ja immer noch das Boot… ;-).

    Geh´ mal bitte nicht so hart mit Dir ins Gericht, denn wer so scharf auf Kritik ist, muss ein rechter Masochist sein ;-). Ich hab ja gesagt, dass ich auch nicht besonders darauf stehe, mich selbst runterzumachen, aber da ist – nach dem ersten Aufbäumen und der Verletzlichkeit – auch eine geradezu wissenschaftliche Neugier in mir, die mich dazu bringt, Kritik aufzunehmen, auseinanderzurollen, von allen Seiten zu betrachten und entweder zu nutzen oder zu verwerfen, ähnlich als würde ich ein schweres, nasses und triefendes Wäschetuch mit ausgestreckten Armen halten. Im ersten Moment bricht es Dir fast das Kreuz, aber je mehr Wasser heraustrieft, desto leichter wird es. Bis es fast trocken ist, dann kann ich es wenden und begucken.
    Ich weiß ja oft gar nicht, was „normal“ ist oder nicht, denke aber, normal ist, was die meisten Leute tun. Nun habe ich aber oft festgestellt, dass vieles den Menschen gar nicht gut tut, auch wenn es „andere Leute schließlich genauso machen“.
    Und wenn ich mich schon mit neuem Inhalt betanken muss, dann doch eher mit Inhalt, der mir gut tut und weiterhilft – natürlich nicht auf Kosten Anderer. Es ist ein bisschen so, als würde ich mir ein neues Kleid basteln und jeder Mensch auf meinem Weg reicht mir ein Stück dazu. Ich will gar nicht mehr so werden, wie ich war, ich würde gern noch einiges tunen an mir ;-).
    Wenn ich allerdings Kritik an Anderen übe, rsp. das Gefühl habe, ich sag jetzt einfach mal was, dann kannst mich vorher hirnen und rotieren sehen, manchmal tagelang :-).

    Fahrrad reparieren… :D, darauf fall ich nicht herein :D. Wenn ich allerdings wendiger wäre, würde ich jetzt hier hemmungslos eine Schäm-Arie abziehen, aber so kann ich nur sagen: Produzier mich nicht :-).

    Dir wünsche ich eine mordsmäßig schöne Woche mit massenhaft Sonne.
    Ganz liebe Grüße
    Katha

  • Hi Katha,

    puh...tatsächlich schon wieder zwei Monate rum ? Das kann doch nicht wahr sein...

    Bist Du etwa immer noch am Reparieren oder kämpfst Du noch mit dem Alles-kaputtmach-Manuskript-Mann ? :)

    Na, Du bist mir vielleicht eine...knallst dem Opernliebhaber gleich mal Wagner vor den Latz...das ist ungefähr so, als wäre jemand noch nie vom Sprungbrett gehüpft und Du sagst demjenigen: "Ich würd an Deiner Stelle beim 5-Meter-Brett anfangen" :)

    Aber mal ehrlich...was sind denn das für Typen heutzutage ? Müssen die Oper früher verlassen, weil sie morgen früh auf Arbeit müssen ? Das sind doch fürchterliche Weicheier...da beißt man sich durch - auch wenns Wagner ist - auch wenn es weh tut und lange dauert. Nee, ehrlich, versteh ich nicht...

    Wobei ich persönlich mit dem Antisemiten Wagner nun überhaupt nix anfangen kann...als Jugendlicher hat der mich nur dazu animiert, noch mehr Farbbeutel abzufüllen für die große Gala in Bayreuth. Um ehrlich zu sein, wir sind immer an den Absperrungen oder den Grünen gescheitert und somit konnten die aufgemotzten High-Society-Herrschaften doch noch mit sauberer Kleidung in die Oper.

    Ich geb zu, Dir zu Liebe hätte ich mal ne Ausnahme gemacht und Dich selbst zu Wagner begleitet...und zwar bis zum Schluß...:-)

    Ich hab auch wieder ne tragikkomische Geschichte auf Lager:

    Kleiner Sohnemann (der eigentlich der Größere der beiden Knalltüten ist) hatte vor kurzem in Nürnberg nen Vorspieltermin bei einer etwas bekannteren, angesagten Band als Gitarrist. Er hat die ganze Woche lang nix anderes gemacht als meine E-Gitarre gequält, neue Techniken eingeübt, an seiner Schnelligkeit gearbeitet usw. Freitag Abend war der Termin, er hatte bis Mittag Schule und auf dem Nachhauseweg war dann die Straße gesperrt...Bauarbeiten...

    Er weicht also auf eine andere Straße, eher nem Schleichweg, aus und dort trifft er auf einen runtergekommenen, polnischen Laster, der drei neuwertige, sauteure Fahrzeuge geladen hat, bei denen sämtliche Alarmanlagen vor sich hinbimmeln. Er fährt dem Lkw ne zeitlang hinterher, ruft gleichzeitig bei der Polizei an, damit die sich zumindest mal umschauen...uralter Laster, nagelneue Fahrzeuge, ständiges Gebimmel...die Kombi erzeugt nicht gerade den Eindruck des ehrlichen Erwerbs :)

    Die Polizei notiert sich telefonisch das Kennzeichen und bittet Sohnemann, er möge dem LkW noch ein paar Minuten hinterherfahren, bis man sicher sein könne, wohin der steuert. Sohnemann denkt sich: Ein paar Minuten hab ich schon noch Zeit, also gut. Er also hinterher und 15 km weiter fährt der Lkw auf einen Kundenparkplatz eines Supermarktes...Sohnemann also wieder hinterher.

    Er wartet, telefoniert wieder mit den Grünen. Die sagen: "Okay, Junge, kannst abbrausen...wir sind auf der Hauptstraße und passen den Lkw dann dort ab. Schönen Dank auch."
    Sohnemann fährt also aus der Parklücke raus, dreht noch am Autoradio und will grad abrauschen - da wird er urplötzlich von der Seite gerammt. Eine Kundin hatte offensichtlich nicht die Zeit gehabt in den Rückspiegel zu schauen.

    Nachdem sich die Dame jedoch keiner Schuld bewußt ist, ruft er mich an...ich bin grad bei einem Kunden, ca. 35 km weg und rate ihm, bei der Polizei anzurufen, wenn die Unfallpartnerin kein Einsehen hat. Er jammert natürlich rum, daß er jetzt eh schon spät dran sei wegen dem Vorspieltermin, sieht es aber letztendlich ein und wartet...und wartet...und wartet...

    Ne Stunde später kommt ein Polizeiauto um die Ecke, die Polizisten steigen aus und noch bevor die irgendwas sagen können, gibt die Frau zu, daß es wohl ihre Schuld gewesen sei. Die Polizisten fragen sich, was zum Henker sie hier überhaupt wollen und mein Sohn beißt sich auf Bart und Zähne, um der Frau nicht augenblicklich und noch vor den Augen der Polizisten den kompletten Kopf abzureissen. Ne komplette Stunde verblödelt wegen nix und wieder nix.

    Die Grünen ziehen ab, Sohnemann tauscht Versicherungsnummern und ist jetzt schon über ne Stunde zu spät für den Termin...die Band geht nicht ans Handy, er kann also auch nicht sagen, daß er später kommt.

    Er rauscht also in die Frankenmetropole (etwa knappe eineinhalb Stunden von hier aus), trifft die Band im Proberaum noch an, erzählt die komplette Geschichte und die Jungs lassen ihn natürlich doch noch vorspielen.

    In Hollywood wäre jetzt Zeit fürs Happy-End...junger Musiker fiedelt gewaltig auf, beindruckt die Band unglaublich, wird auf der Stelle engagiert und nach fünf Jahren auf Tour fragen die großen Plattenfirmen auf.

    Mein Sohnemann dagegen ist durch den ganzen Scheiß völlig durch den Wind, spielt wie ein Erstklässler, kriegt überhaupt nix auf die Reihe und die Band sagt: Danke fürs Vorspielen...aber wir hatten uns eigentlich schon einen etwas besseren Gitarristen gewünscht.

    Das Ding ist durch, Sohnemann wird also nicht Rockstar, sondern doch solider Handwerker.

    Tja, auf wen soll man das jetzt schieben ? Auf die Bauarbeiter ? Ohne die Baustelle hätte er die Polen nie getroffen... Auf die Polen ? Ohne die Polen wäre er einfach nach Hause gefahren...Auf die Grünen ? Hätten die sich mal selber um ihre Polen gekümmert...auf die Kundin ? Hätte die mal in den Rückspiegel geschaut, anstatt im Geist schon am Eis zu schlecken...

    Nee, der Junge sagt: "Dad, ich hab einfach nur nen ziemlichen Scheiß zusammengespielt."

    Und ich sag: Junge, mach Dir nix draus...ich hab mir die Band auf You**** mal angehört...ich find die eh ziemlich scheiße...

    Und er wieder: "Hast recht...irgendwie ist das auch nicht so hundertprozentig meine Stilrichtung..."

    Wir müssen plötzlich beide lachen und das Ding ist endgültig durch, gegessen und abgehakt.

    Tja, was aus den Polen geworden ist...keine Ahnung...vielleicht hatten die wenigstens ein Happy-End...:-)

    Dir nen ganz lieben Gruß und eine schöne Restwoche

    Andreas

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