Guten Morgen!
Bin schon wieder da, also hier im Forum
Erst mal lieben Dank für die vielen Grüße!
Ich berichte mal kurz:
Gestern kurz nach der Ankunft, hier im Zimmer sitzend, plötzlicher und
sehr heftiger depressiver Schub mit Anflug von Saufdruck. Gedanken: Will
ich mir das wirklich antun? Wenn ich jetzt schon deprimiert bin, wie
soll das werden?
Angezogen, spazierengegangen, am See gestanden, besser gefühlt. Das
schlimm traurige Gefühl war weg und verschwand im Laufe des Abends.
Es war gut zu erfahren, wie schnell so ein Moment auch vorübergehen kann.
Zu meinen Mitpatienten kann ich noch nicht viel sagen.
(Na ja, im Raucherpavillon ein Gespräch über Flüchtlinge mitangehört.
Die seien alle voll reich, die Flüchtlinge, die haben Handys.
Muss ich in Zukunft einfach weghören.
(Klar, es gäbe ehrenhaftere Reaktionen: Dagegen halten, Aufklären.
Aber ich bezweifle, dass ich da erfolgreich wäre.
Und wegen geringer Erfolgsaussichten habe ich dazu auch ehrlich gesagt keine Lust.)
Meine Bezugstherapeutin war zufällig in der
Nähe und schaltete sich zustimmend ein: Sie hätte neulich ein
Youtube-Video gesehen, in dem gezeigt wurde, dass diejenigen, die hier
ankommen, es gar nicht nötig hätten, weil sich die, die es nötig hätten,
die Reise gar nicht leisten könnten.
Ich weiß nicht genau, was sie gemeint hat mit "gar nicht nötig hätten". Keine Bombe auf den Kopf zu kriegen?
(Da ist ja was dran, dass der ärmere Teil der Bevölkerung z.B.
Syriens gar nicht die Chance hat zu flüchten.
Aber was soll dieser undifferenzierte Einwurf?
Flüchten bitte nur, wenn man gleichzeitig arm ist und des Lebens nicht mehr sicher?)
Zu meiner Bezugstherapeutin kann ich auch noch nicht viel sagen, außer
dass sie ein Youtube-Video geguckt hat.
Ein kurzes Gespräch gab es gestern früh, das war ganz okay, mal sehen.
Das Gespräch war vor der Flüchtlingsdebatte.
Ich weiß nicht, ob ich ich beim nächsten Mal einfach ausblenden kann, dass sie mit ihrem Einwurf Ressentiments bei den Patienten noch zementiert hat.
Oder ob ich sie darauf ansprechen soll.
Blöd ist, dass ich noch keinen Paten habe und daher noch etwas
orientierungslos bin.
(Jeder Neue bekommt eigentlich einen alten Hasen an die Seite, der einem alles zeigt und für Fragen da ist)
Der für mich bestimmte wurde neben zwei anderen beim Konsum
erwischt, drei Leute wurden also gestern rausgeschmissen.
Ersatz für mich ist offenbar noch nicht gefunden.
Schön ist, dass ich momentan noch ein Zimmer für mich habe, das wird
sich aber ab nächster Woche ändern.
Ich flehe alle Götter an, dass es ein einigermaßen verträglicher Mitbewohner wird.
Eine angenehme Begegnung hatte ich auch, mit dem sehr sympathischen Sporttherapeuten.
Und der Sport ist dann auch das, worauf ich mich freue:
Bogenschießen, Volleyball, Tischtennis.
Und das ist ja schon mal viel wert.
Die ersten Eindrücke sind also nicht die besten, aber ich bin ja auch erst anderthalb Tage da.
Bis auf den kurzen Moment nach der Ankunft geht es mir ganz gut.
Ich versuche, nicht an die lange Dauer meines Aufenthalts hier zu denken, sondern von Tag zu Tag.
Und jeden Tag etwas zu finden, worauf ich mich freuen kann.
Gruß Robert