Beiträge von frodo

    Vielen Dank für eure Beiträge. Mir geht es besser als in der Nacht, ich habe heute morgen schon einiges erledigt.

    Ich bin froh wieder geschrieben zu haben und gerne würde ich mein "altes" Tagebuch lesen, nur habe ich keinen Zugang mehr dazu. An meine Anfänge hier erinnere ich mich noch gut, ich habe mich schrecklich gefühlt und wurde hier aufgefangen. Manchmal mag ich mich gar nicht gerne daran erinnern, aber es ist nicht schlecht weil ich ganz sicher bin, da will ich nie mehr hin.

    Heute morgen war ich beim Hausarzt und bin jetzt zwei Wochen krank geschrieben.
    Mit meiner Vorgesetzten habe ich eine halbe Stunde lang telefoniert und es war ein sehr positives Gespräch. Sie passt auf mich auf (hört sich merkwürdig an) und das brauche ich im Moment. Die Suchtberaterin nennt das so was wie als wenn ich auf der Suche nach Sicherheit bin, die mir meine Eltern hätten geben sollen. Gibt einen Ausdruck dafür, den habe ich aber gerade Vergessen.

    Ich bin müde, aber schlafen kann ich immer noch nicht.

    Ihr habt ziemlich Recht damit, das ich anfangen muß, meine Vergangenheit aufzuarbeiten. Ich muß nicht ganz von vorne beginnen, aber es gibt eine Menge wovon ich dachte, das habe ich im Griff.

    Aber ich kann nicht umgehen wenn mich eine Erinnerung so heftig trifft.

    Ja, ich kenne den Auslöser und darüber schreiben möchte ich schon, aber nicht im offenen Bereich. Ich glaube das ich in meinem Tagebuch oder in meinen ersten Beiträgen im Geschlossenen Beeich schon davon geschrieben habe.

    Es freut mich hier auf Menschen zu treffen die den Jakobsweg gegangen sind. Ich würde am liebsten meinen Rucksack packen und wieder los ziehen. Das Leben ist so einfach dort. Aber das geht jetzt nicht. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben und 2011 möchte ich mit meinem Mann zusammen den Weg gehen.

    Hallo zusammen,

    eigentlich wollte ich mich an meinem dritten Geburtstag melden, schreiben wie gut es mir geht und so locker erzählen, wie leicht mir alles fällt.

    Ist aber leider nicht so. Seit einer Woche kämpfe ich, weiß nicht was ich noch tun soll, bin gerade echt verzweifelt.
    Das kommt wahrscheinlich daher, weil mich dieser plötzliche Stimmungswechsel total überrascht hat.

    Ich tue alles, was mir möglich ist, um nicht zu trinken. Ich habe zu vielen Leuten und Institutionen Kontakt aufgenommen und werde in ein paar Stunden zum Arzt gehen und mich krank schreiben lassen. Hoffe ich, ich bin eher noch unentschlossen.

    Meine positive Einstellung zum Leben ist gerade nicht mehr so ganz da und ich halte mich aufrecht mit denn Gedanken daran, das es mir schon sehr gut ging. Und das eine ganze Weile. Also so richtig gut.
    Ich habe nicht nur nicht getrunken, sondern hatte überhaupt kein Bedürfnis Alkohol einzusetzen, hab nicht nur verzichtet, sondern ganz klar und unverrückbar mit einer positiven Einstellung abstinent gelebt.

    Das sieht jetzt ganz anders aus. Ich denke, auch das gehört zum Weg. Selbst nach drei Jahren. Ich habe den Wunsch meine Gefühle zu betäuben, fühle mich klein und hilflos und total verunsichert. Jede Entscheidung fällt mir schwer und bereitet mir, wie heute, schlaflose Nächte. Seit zwei Uhr liege ich wach, das hatte ich ewig schon nicht mehr. Ich grübele vor mich hin und komme zu keinem Ergebnis.

    Aber aktiv war ich in den letzten Tagen. Blos nicht ganz in alte Verhaltensmuster zurück fallen. Ich war bei der Suchtberatung, beim Hausarzt, hab mit unserem Personalrat gesprochen, mit meiner Vorgesetzen und mit vielen Menschen aus der Selbsthilfegruppe. Und meiner Therapeutin aus der Klinik habe ich geschrieben.
    Jetzt schreibe ich hier. Ich baue ein Netz, um nicht zu fallen.

    In der Gruppe wurde mir gesagt, unternimm was, lass dich krank schreiben solange du noch klar denken kannst. Sonst kommt bald der Punkt da hast du die Flasche in der Hand und weißt nicht wie sie dahin gekommen ist. (Nicht wörtlich, aber sinngemäß)

    Für meinen jetzigen Zustand gab es einen Auslöser. Aber es gab auch viele kleine Dinge im Vorfeld. Ich versuche, die Ereignisse nicht zusammen zusehen, damit der Berg nicht so groß wird.
    Dabei habe ich nicht darauf geachtet, dass ich verdränge, anstatt darüber zu sprechen.

    Ich fühle mich zurückgefallen, ohne zu trinken. Ich bin echt fertig.

    Ich habe Angst davor, das mich meine Vorgesetzte nicht versteht, sie hat gestern noch gesagt, das es doch nichts bringt, wenn ich zu Hause rum sitze, ich sollte mich lieber auf der Arbeit ablenken.
    Aber ich kann nicht arbeiten. Ich bin unkonzentriert, müde, fühle mich schlapp und antriebslos, bin nervös und angespannt, zitter innerlich und hab keinen Appetit, laufe rum wie ein Tiger im Käfig. Wie nach der Entgiftung. Alles was ich jetzt empfinde kenne ich und ich will dass das aufhört.

    Ich trinke nicht, ich kann nicht nochmal von vorne anfangen.
    Die Suchttherapeutin hat gesagt, ich soll sehen was ich habe. Das ich in Sicherheit bin. Und das es Menschen gibt, die sich um mich kümmern.
    Mir geht es von Tag zu Tag schlechter und ich habe Angst.

    Ich muss was unternehmen. Das sind alles alte Geschichten die wieder auf kommen. Jahrelang haben sie mich in Ruhe gelassen. Ich hatte zu viel Stress und jetzt kommen sie zurück.

    Jetzt bin ich gerade wieder Frodo, wie am Anfang. Möchte weg und weiß nicht wohin. In eine andere Welt, möchte dass mir jemand Entscheidungen abnimmt, mir sagt was ich tun und lassen soll.

    Jetzt versuch ich noch ein bisschen zu schlafen.

    Gruß,

    Frodo

    Hallo Dibo,

    Ab und zu habe ich das Bedürfniss im Forum zu lesen und freue mich sehr, einen Beitrag von dir zu finden. Liest sich doch sehr positiv.
    Wie steinig der Weg sein kann, erlebe ich gerade wieder. Aber wenn ich solche Strecken geschafft habe, bin ich hinterher um so stärker.

    Bis hoffentlich bald mal wieder,

    liebe Grüße,

    Frodo

    Samstag, 24.05.2008, Santiago de Compostela

    Juhu, ich bin da!

    Ich kann nicht beschreiben, was das für ein Gefühl war. Auf jeden Fall ein gutes, wenn auch gemischtes.

    Empfangen wurde ich mit einem Regenbogen. Ist ja noch schöner als Sonnenschein.
    Da habe ich mir ein Geschenk gemacht, besser hätte es gar nicht kommen können.

    Als erstes habe ich meine Compostela bekommen. Im Pilgerbüro kann man seinen Rucksack deponieren und das habe ich auch getan. Es verleiht mir fast Flügel ohne ihn zu gehen. Die Stimmung hier ist so merkwürdig. Einerseits die Pilger, die teilweise 4 bis 6 Wochen, manche auch viel länger unterwegs waren und wie aus einer anderen Welt nach Santiago kommen und daneben die Tagestouristen, für die man teils eine zusätzliche Attraktion ist. Ich bin auch noch nicht so ganz wieder da. Ein bisschen noch Pilger und doch froh, morgen nicht zu laufen.

    Ich war in der Pilgermesse. Es war sehr überwältigend. Die ganze Kirche ist gefüllt mit Pilgern aus der ganzen Welt. Alle Nationen der angekommenen Pilger wurden genannt. Ich fühlte mich persönlich begrüßt. Und zuletzt wurde tatsächlich der Botafumeiro geschwungen. Das kommt nur noch selten vor, bei besonderen Feierlichkeiten und wenn jemand dafür bezahlt.

    Ich hab es doch geahnt, das es gut war gestern so weit zu laufen, sonst hätte ich es gar nicht zur Messe heute geschafft. Das ist das Ende der Pilgerzeit. Ich möchte nicht in Santiago bleiben. Jetzt brauche ich Ruhe, um diese Reise auch gedanklich zu beenden.

    Mit dem Bus fahre ich morgen nach Finesterre und werde dort bleiben. Ich werde die Tage am Atlantik genießen können. Meine Stimmung ist gerade ziemlich schwankend, aber das finde ich nicht schlimm.
    Mit einer Österreicherin, die ich in den letzten Tagen häufiger getroffen habe, teile ich mir ein Hotelzimmer.
    Wir sind uns am Stadteingang wieder begegnet. Jetzt finde ich es gut, heute nicht alleine zu sein.


    25.05.-29.05.2008, Finesterre

    Um 9:00 Uhr heute morgen sind wir mit dem Bus nach Finesterre gefahren. Die Sonne scheint. 2 ½ Stunden dauert die Fahrt und wenn es noch länger gedauert hätte, wäre mir schlecht geworden. Die Strecke ist Kurvenreich und es geht ständig auf und ab. Die Gegend gefällt mir, es ist grün und hügelig und dazu passt der Sonnenschein, der blaue Himmel und der Nebel in den Tälern.

    Wir haben ein nettes Hotel mit „Pilgerpreisen“ gefunden. Bei Vorlage des Pilgerausweises zahlt man einen Sonderpreis. Doppelzimmer mit Halbpansion 20€ pro Person.

    Für die nächsten Tage ist Regen angesagt. Am Leuchtturm war ich, dort verbrennen einige Pilger ihre Kleidung. Sieht ein bisschen vermüllt aus. Aber es geht.

    Das schönste ist sowieso das ich den Atlantik sehe! Mit den Füßen war ich schon drin, mehr wird es auch nicht werden.

    Habe festgestellt, das der Strand an dem wir 1991 waren zu Fuß gut zu erreichen ist. Zwei Anläufe habe ich gebraucht um dort hin zu kommen. Beim ersten mal hab ich gedacht ich hätte mich verlaufen. Da habe ich nach dem Weg gefragt, war aber schon ziemlich erschöpft da ich viele Umwege gegangen bin. Die Leute haben mich zu meiner Unterkunft gefahren, weil ich doch noch ein weites Stück vor und hinter mir hatte.
    Ich bin umgezogen und bewohne ein Zimmer einer Wohnung. Noch ein Zimmer ist vermietet und wir an einem Abend zusammen gekocht. Es regnet fast nur noch und ich bin froh, dass ich dieses Zimmer habe, besser als die ganze Zeit in einem Hotelzimmer oder Cafe zu sitzen. Außerdem ist es schön, das ich mich und meine Klamotten ausbreiten kann.

    Mir war danach beim Essen ein bisschen mehr von mir und auch von meiner Alkoholabhängigkeit zu erzählen. Aber irgendwie waren nicht die richtigen Leute da. Gelegenheit gab es, denn ich wurde wieder gefragt, ob es einen besonderen Grund gibt, dass ich keinen Alkohol trinke, aber ich habe mich nicht so ganz wohl gefühlt in dieser Gesellschaft, also hab ich es gelassen.

    Ganz kurz habe ich mir noch die kleinen Städtchen angesehen, in die wir damals immer zum einkaufen gefahren sind. Die haben sich natürlich sehr verändert. Souvenirs habe ich gekauft, vor allem „Tarta Santiago“, eine Mandeltorte. Das war schwierig, alles im Rucksack zu verstauen. Ich habe viel Handgepäck auf dem Rückflug.

    Der Strand „Playa del Rostro“ (vom Urlaub 1991) war leider nicht mehr so schön. Es wurde dort zwar immer noch nicht gebaut, aber die Folgen der letzten Ölkatastrophe sind unübersehbar. Auf meinen Fotos habe ich nur schönes von diesem Strand mitgebracht, aber gesehen habe ich viel Müll, Ölklumpen und verendete Tiere.

    Der Sandstrand ist weit entfernt von Städten und nur ein Dorf ist in Sichtweite. Er ist ca. drei Kilometer lang und auch damals sind kaum Menschen hier her gekommen. Das liegt an den gefährlichen Strömungen, es ist nicht besonders klug dort ins Wasser zu gehen. Aber vor 16 Jahren hatten wir noch keine Ahnung und uns keine Gedanken gemacht. Muss ja einen Grund geben dafür, das hier kaum jemand zum schwimmen her gekommen ist.

    Am 29.05. habe ich um 7 Uhr den Bus nach Santiago genommen, mein Gepäck am Busbahnhof abgestellt und war dann noch ein wenig bummeln in der Altstadt. Ich freue mich, nach Hause zu kommen. Nach den ganzen Anstrengungen der letzten Pilgertage hat es mich nun auch erwischt, ich bin krank. Husten, Schnupfen, Fieber, ich hoffe dass die Rückreise ohne Probleme verläuft.

    Auf dem Flughafen wieder lauter Bekannte, nette Menschen zu sehen, ein Geschnatter wie auf dem Geflügelhof.
    Um ca.23 Uhr habe ich meinen Mann und die Kinder wieder gesehen und wir haben die halbe Nacht erzählt und Fotos angeschaut.

    Als abschließendes Wort kann ich sagen, das war eine wichtige Reise für mich. Mit mehr Höhen als Tiefen. Ich bin wieder ein Stück gewachsen.
    Als ich in Santiago angekommen bin, habe ich gedacht, einmal im Leben Pilgern reicht. Konnte nicht verstehen dass so viele Menschen den Pilgerweg mehrmals gehen, auch mehr als zweimal.

    Jetzt, fast 6 Monate später denke ich: "Einmal Pilger, immer Pilger!?!"
    Ich kann jederzeit wieder meinen Rucksack packen und auf die Reise gehen.
    Und in Gedanken bin ich schon längst wieder auf dem Weg.

    Donnerstag, 22.05.2008, De Ribadiso, 29 km

    Endspurt! Morgen die Etappe ist doch noch mal 25 km lang, aber dann nur noch einmal 22 und einmal 19km. Aber irgendwie wiedersprechen sich meine Reiseplanungsutensilien. Nach dem Buch sind es nämlich noch 73 km. Es ändert sich dadurch nichts, also ist es egal. Heute habe ich einen netten Platz, eigentlich. Liege nahe bei der Badtüre und hoffe, dass die Leute nicht so viel trinken am Abend.

    Es war doch recht regnerisch und ich habe ein paar Leute wiedergetroffen, die ich vor drei Tagen aus den Augen verloren hatte. Ist schon lustig manchmal. Da sitzt man so rum und auf einmal trifft man auf bekannte Gesichter.

    Die Strecke ist doch nicht soooo einfach wie ich dachte, es ist zwar Landschaftlich sehr schön, aber es geht ständig Berg ab und auf. Und das nicht nur ein bisschen! Gestern hatte ich schönes Wetter, fast nur Sonne. Es ging durch Wälder mit großen Eukalyptusbäumen, Eichen und Pinien. Es hat sehr gut gerochen. Kaum in der Herberge angekommen, fing es an zu regnen und hörte bis zum Morgen auch nicht mehr auf. Zum Glück hatte ich meiner Wäsche eine Maschine und trockner gegönnt.

    Hier gibt es nur die Herberge mit den Schlafräumen und nebenan ein kleines Restaurant. Da es so doll regnete, wollten alle Leute darin sitzen. Der Wirt war bemüht alle unter zu bringen. Hat alles an Tischen und Stühlen geholt, die er finden konnte. Es wurde laut und voll und die Luft war feucht, aber es war gemütlich und die Stimmung im Raum war gut.

    Besonders leid tat mir die Schulklasse aus der Nähe von Solingen. Die hatten zelten wollen und sind dann um 21 Uhr in die Küche und den Aufenthaltsraum umgezogen. Die Kinder kommen aus einer Waldorfschule und gehen von Astorga bis Finestere. Sie sind 12-13 Jahre alt, gehen jeden Tag ca. 20 km und haben dann immer noch genug Energie um Fußball zu spielen und rum zu springen.

    Bis Dienstag ist schlechtes Wetter angesagt. Mir kommt der Gedanke:“ Jeder wird in Santiago so empfangen, wie er es verdient hat?!?“


    Freitag, 23.05.2008, Monte Gozo, 41,3 km

    Dieser Tag war ganz anders als ich angenommen hatte dass er werden würde. Eigentlich wollte ich nur 23 km gehen, ganz in Ruhe und alleine.
    Es hat so fürchterlich viel geregnet, ich war nass, es tropfte überall, meine Schuhe waren komplett durchweicht und der größte Teil meiner Kleidung auch. Mich hat es relativ wenig gestört, meine Gedanken waren: "Was soll`s, ist nicht zu ändern und bald bist du ja da."

    Ich möchte jetzt ankommen, hab keine Lust mehr aufs Pilgern, auch wenn die Landschaft schön ist und mir das gehen recht leicht fällt. Am Morgen habe ich mit einem Engländer und einer Deutschen zusammen gefrühstückt und noch ewig lange Kaffee getrunken. Die zwei sind schon vor mir gestartet. Die Luft ist raus!

    Unterwegs, nach Stunden, habe ich den Engländer wieder getroffen. Wir haben uns unterhalten (das ist anstrengend für mich, weil er schnell gesprochen hat und Antworten kann ich nicht so zügig, weil mir viele Worte fehlen und ich einiges umschreiben muss) und irgendwann ist uns aufgefallen, das wir wahrscheinlich an der Herberge vorbei gelaufen sind.
    Es war total albern, weil wir genug hatten vom laufen, aber gesagt haben, „ auf dem Camino geht man nicht zurück!" Also, noch13 km weiter. Und das bei dem Wetter.

    Im Regen wirkten die Wälder wie Märchenwälder. Wir haben vermutet, dass die Herberge in ihnen verschwunden ist. Die Bäume sahen aus wie Ents. Man kommt auf seltsame Gedanken, wenn man Stundenlang bei Regenwetter durch einsame Gegenden läuft.

    Dann endlich, nach tausenden von Hügeln, Kurven und "gleich sind wir da, gleich hinter diesem Hügel/dieser Kurve", war "Monte Gozo" zu sehen. Der Berg der Freude. Ich konnte die Spitzen der Kathedrale erkennen. Ich war so froh und erleichtert dass ich nur noch 6 km vor mir hatte. Ich bin echt fertig mit pilgern.

    Monte Gozo ist nicht schön, aber man kann gut schlafen dort und mehr wollte ich auch gar nicht. Es ist eine Massenunterkunft und kann über 800 Pilger aufnehmen. Außerdem gibt es dort Souvenirläden und ein Self-Service Restaurant. Wie auf dem Drachenfels habe ich so bei mir gedacht (bis auf die Unterkünfte), aber wo ist der Rhein? Mir fehlt Köln!!!

    Hallo Linde,
    freut mich, das du meinen Bericht liest. Vieleicht weckt er wieder Erinnerungen an die Pilgerzeit in dir? Wenn ja, dann hoffentlich viele schöne.


    Montag, 19.05.2008, Sarria, 23 km

    Ich bin in Galicien! Es ist so schön hier. Ich mag alles an Galicien, die Landschaft, die Menschen, das Essen und manchmal sogar das Wetter. Hier könnte ich leben.

    Heute habe ich mir viel Zeit gelassen, bin erst um 9 Uhr los und mit einer Spanierin 23km gegangen. Hier in Sarria war ich am frühen Nachmittag und hab mir ganz viel Ruhe gegönnt, auf der Dachterrasse der Herberge gelegen, Cola getrunken und in der Sonne gedöst. Jetzt werden wir noch einen Stadtbummel machen und wieder um 22 Uhr schlafen.


    Dienstag, 20.05.2008, Portomarin, 22 km


    Hab schönes, Galicisch untypisches Wanderwetter. Leicht bewölkt, mit Nebel am Morgen und ca.20C. Soll wohl so bleiben die nächsten Tage.
    Heute wurde es sehr viel voller auf dem Camino. Hab die 100km Marke passiert!

    Dort habe ich mich relativ lange aufgehalten. Erst einmal, weil eine Gruppe Franzosen von mir fotografiert werden wollte und weil ich ein Foto von mir haben wollte.

    Außerdem ist das ein ganz besonderer Punkt auf meiner Reise. Ich habe das Gefühl, hier wird das Ende eingeläutet, auf jeden Fall für mich. Innerlich bereite ich mich auf meine Ankunft in Santiago vor. Ein bisschen mit Trauer und ein wenig mit Freude auf zu Hause. Ich bin sehr nachdenklich die letzten Kilometer bis Portomain. Mir gefällt das Leben auf dem Pilgerweg sehr gut, aber ich bin mir doch auch relativ sicher, dass mir eine Pilgerreise im Leben reicht. ( Wirklich?????????)

    Nur noch 89km bis Santiago! Kaum zu glauben, aber ich habe schon abzüglich der beiden Autofahrten ca. 430km zu Fuß zurückgelegt.
    Herbergen gibt es hier sehr viele, der Ansturm in den Sommermonaten ist riesig. Um ein freies Bett brauche ich mir nun keine Sorgen mehr zu machen. Mein Tempo ist nicht mehr so schnell, ich glaube dass mir langsam die Kraft ausgeht. Ich habe Zeit, schaue mir die Landschaft an, fotografiere und stehe auch einfach mal so rum. Von Santiago aus werde ich mit dem Bus Ausflüge unternehmen und in der Jugendherberge übernachten. Wahrscheinlich hab dann genug vom laufen.

    Meine Schuhe sind in Ordnung, manchmal habe ich Stundenweise Sandalen an, das bekommt meinen Füssen gut. Der Schlafsack ist auch gut, nur mit dem Rucksack bin ich nicht zufrieden. Der hängt doch ziemlich durch und auch der Beckengurt gibt nach. Aber die paar Tage wird er noch durchhalten (und ich auch). Einige Kilometer bin ich noch mit der Spanierin zusammen gegangen, aber sie ist mir zu schnell. Am Ortseingang von Portomarin hat sie mit zwei älteren Damen auf mich gewartet und wir haben in der Herberge ein Zimmer zusammen mit noch einem deutschen Ehepaar bekommen. Warum wir nicht im Schlafsaal zu übernachten brauchten weiß ich bis heute nicht, aber eine der Damen hat sehr viel mit dem Hospitaliero geredet.

    Am Abend habe ich mir dann doch noch einen neuen Rucksack gekauft. Er hat mich geradezu angerufen. Er stand im Schaufenster und rief:“ Nimm mich, ich bin total bequem. Lass den alten hier. Der hat genug gearbeitet und ist einfach nur noch fertig.“ Was soll man da noch gegen sagen.


    Mittwoch, 21.05.2008, Palas de Rei, 24 km


    Der Tag verlief ruhig. Ich bin ziemlich müde, da es so hell war im Zimmer und ich direkt unter der Lampe gelegen hatte. Leider lies sich das Licht in der Nacht nicht ausschalten.

    In Palas de Rei gibt es nicht so viele Unterkünfte und es ist recht nah an der 100 km Grenze. Seit dem Nachmittag ist hier alles belegt und ein Barbesitzer fährt teilweise die Leute in die umliegenden Dörfer.

    Meine spanische Begleitung ist mir nun endgültig davon gelaufen. Obwohl ihr das Fußgelenk schmerzte und geschwollen war. Ist nicht schlimm dass sie fort ist, weil ich gerne wieder ein wenig alleine laufen möchte.

    Vielleicht will ich auch nicht so wirklich ankommen. Ich bin sehr langsam geworden. Andererseits überlege ich, wie ich es möglich machen könnte an meinem Geburtstag um 12:00 Uhr zur Pilgermesse in Santiago zu sein. Aber das kann nur gehen, wenn ich dann am Morgen um 6:00 Uhr starte. Mal sehen.

    Die Zeit, die mir in Santiago noch bleibt, ist gar nicht so schlecht. Zwischendurch war mir danach, nach Hause zu fahren und meine restlichen Urlaubstage dort zu verbringen. Aber ein anderer Rückflug wäre sehr teuer geworden.

    Jetzt bin ich doch froh, dass ich Zeit habe so langsam wieder ins normale Leben zurück zu finden. Ich werde Karten schreiben und mir die Stadt anschauen, Mitbringsel kaufen und vielleicht finde ich ein deutschsprachiges Buch, dann kann ich mal wieder etwas anderes als Reiseführer und Herbergsverzeichniss lesen.

    Heute warte ich einfach darauf, dass der Tag ein Ende hat, denn ich möchte schlafen.

    Ich habe Heinz, den Schweizer wieder getroffen. Den, mit dem ich die lange Etappe nach Trabadello gegangen bin. Sein Urlaub ist um, er fliegt morgen wieder nach Hause.

    Jetzt bin ich einige Zeit nicht weiter gekommen mit dem schreiben. Erst hatte ich zu wenig Zeit und dann bin ich letzte Woche am Meniskus operiert worden und hab mich nicht an den Computer setzten können. Jetzt geht es wieder und ich bin noch krank geschrieben, so das ich jetzt wieder schreiben kann.



    Donnerstag, 15.05.2008, Foncebaton, 27 km

    Wie gut, das ich so ausgeruht gestartet bin. Am Ende dieses Tages habe ich geglaubt, das war der schlimmste Wandertag den ich je hatte und schlimmer kann es auch gar nicht mehr kommen. Habe ich auf jeden Fall an diesem Abend geglaubt.

    Eine Weile bin ich noch mit L. oder S. gegangen und bald wurde sie mir zu schnell, da haben wir verabredet uns in Rabanal del Camino zu treffen. Zu Beginn des Tages sind wir furchtbar nass geworden, es hat Stundenlang geregnet. Nach einer Kaffeepause wurde es langsam besser und es gab nur noch kurze, aber kräftige Schauer. Als ich in Rabanal angekommen bin, schien gerade die Sonne und ich habe mir überlegt doch noch bis Foncebadon zu gehen.

    Es waren nur 5,5km bis dahin. Das letzte Stück war die steile Steigung bis fast zum Cruz Ferres hinauf. Die Landschaft und Aussicht sind superschön. Das war das bisher eindrucksvollste Stück Strecke. Ich war alleine auf dem Weg und es blüht gerade alles. Erika in weiß und lila und der Ginster gelb und weiß. Die Schneebedeckten Gipfel der Berge in der Ferne wurden von der Sonne beschienen und ringsum sah man Wolken in vielen Farben. Leider auch in tiefschwarz. Und gedonnert hat es auch.

    Wieder mal bin ich erst sehr schnell gegangen und habe in der Nähe einer Pferdetränke Ginsterbüsche zum verstecken gefunden. Zum Glück hat es nicht geblitzt, aber es hat gehagelt und ich war froh, Deckung gefunden zu haben. Mir war sehr unheimlich zumute so ganz alleine bei Unwetter auf 1430m Höhe.

    Oben angekommen, bin ich in eine Bar/Restaurant mit Herberge gegangen. Im Keller standen die Betten und ich sollte in einem ca.4x4m kleinen Raum mit 9 weiteren Personen schlafen, die alle auch noch ihre nasse Regenkleidung aufgehängten hatten. Das wollte ich nicht, bin einer Frau nach, die auch sehr unzufrieden war und habe noch eine Unterkunft in einer alten Kirche bekommen.

    Das war allerdings superhart. Es gab keine Betten mehr, wir konnten auf Matratzen direkt in der Kirche schlafen. Es war so kalt, ich habe in der Nacht alles angezogen, was ich finden konnte. Ein Bett habe ich dann doch noch gehabt, weil eine Frau lieber auf dem Boden als auf dem Stockbett oben schlafen wollte.

    Von den beiden Frauen, die den ersten Tag die Herberge übernommen hatten, habe ich eine Suppe, ganz viel Mitleid und ein Stück Brot bekommen. Ich war so froh, diese Herberge und diese Frauen gefunden zu haben. Viele, denen ich in den letzten Tagen öfter begegnet bin, habe ich hier wieder getroffen.


    Freitag, 16.05.2008, Ponferrada, 29 km


    Der Tag hat gut angefangen (und endete auch gut).
    Nach einer durchfrorenen Nacht auf Federkernmatratzen, die die Federn nicht mehr halten konnten, war in der Küche schon das Frühstück zubereitet. Die Stimmung war gut, wir haben unsere Steine beschrieben und manche haben erzählt, was es mit ihrem Stein auf sich hat.

    Der Aufstieg zum Cruz Ferres hatte durch den Nebel etwas gespenstisches heute Morgen. Die Aussicht ins Tal und über die Berge war zwischen den Nebelbänken sehr schön. Ich habe den Kiesel vom Rhein abgelegt und vorher den Dom darauf gemalt.

    Der Abstieg war steil und meist auf Pfaden die mehr an Bachbetten als an Wege erinnerten.
    Die Berge und Hänge sehen aus wie riesige Gärten. Es ist hier einfach superschön und wie schon erwähnt, kommt nach etwas unangenehmen immer was ganz tolles.

    Heute bin ich dann weiter nach Ponferrada gegangen. Ohne Regen und weil ich nicht damit gerechnet habe, mit Sonnenbrand, diesmal mehr auf der Nase. Die Stadt hat viele Sehenswürdigkeiten, aber wieder nicht für mich, da der Abstieg heute sehr steil war.
    Aber in der Herberge konnte man sich die Füße massieren lassen. Ich hab es mal ausprobiert, finde ich sehr Gewöhnungsbedürftig, brauch ich nicht so dringend wieder.


    Samstag, 17.05.2008, Trabadello, 36 km

    Ich wollte nur bis Villafranca de Bierzo gehen, aber das Wetter war so schön und ein Schweizer den ich unterwegs getroffen hatte, ging ziemlich schnell.

    Nach zwei Stunden Pause in Villafranca habe ich mich entschieden weiter zu gehen. Das Dorf nach Villafranca sah nicht einladend aus und so haben wir beschlossen das nächste anzuschauen, obwohl ich schon ziemliche Plattfüße hatte. Ich habe so vor mich hin geträumt und gesagt, dass wir in der nächsten Herberge mit frisch gemangelten Laken und Bettdecken in Viererzimmern erwartet werden.

    Und tatsächlich war es so! Unglaublich! Im Zimmer waren ein deutsches Ehepaar, die Organisatoren der Sparkassen- Pilgerreise. Sehr nette Menschen und die „Gröler“ von vor ein paar Tagen waren eine Ausnahme.


    Sonntag, 18.05.2005, Triacastela über O`Cebreiro, 39 km

    Das war nun wirklich die allerschlimmste, schwierigste und lehrreichste Etappe auf dem ganzen Weg.

    Manchmal gab es Wolkenlücken und dann war die Aussicht toll. Gut vorzustellen, was einen bei Sonnenschein erwartet. Aber dann wäre es auch zu heiß und man hätte andere Probleme.

    Zuerst war es schön zu gehen, aber dann regnete es sehr. Der Aufstieg nach O`Cebreiro war unglaublich steil und die Wege waren wie kleine Bachbetten, mit viel Schlamm und Geröll und glitschigen Felsen. Immer wieder hat es geregnet, ich kam nur mühsam voran. Unter dem Regencape war es zu warm und da ich bei dem Wetter keine Gelegenheit hatte meinen Rucksack abzustellen, hatte ich auch noch ziemlichen Hunger. Irgendwann hatte ich dann so Wackelpudding in den Beinen, dass ich trotz des Regens eine Rast eingelegt habe.

    Oben angekommen war alles im Nebel versunken, vom Museumsdorf nicht viel zu sehen. Nach ca. einer halben Stunde Pause bin ich weiter gegangen, ich wollte nach Fonfria. Beim Kaffee trinken in einem Dorf rieten mir einige Pilger davon ab, da es schon spät war und sie meinten das ich keine Unterkunft mehr bekomme. Ich hatte so viel Glück bisher, das ich daran gar nicht geglaubt habe.

    Über zwei Pässe musste ich gehen und hatte zwischendurch eine beeindruckende Aussicht, teilweise über mehrere Bergketten.
    In Fonfria war ich dann sehr erschöpft und bei dem Gedanken daran evtl. kein Bett zu bekommen, wurde mir ganz elend. Und tatsächlich, "Completo". Am liebsten hätte ich mich vor die Tür gesetzt und geheult. Es hat auch noch wieder kräftig angefangen zu regnen. Meine Füße, meine Hüfte, der Kopf und der Rücken schmerzten und nichts an oder in mir wollte noch weiter.
    Was blieb mir anderes übrig, ich musste eine Unterkunft finden. Im nächsten Dorf, ca.2 km weiter war eine Pension und die Frau wollte 35€ für die Nacht haben. Das war mir erstens zu teuer und zweitens hatte ich nur noch 20 €.

    Da hab ich einen richtigen Kraftschub bekommen. Ich war wütend auf mich und alle Herbergen und auf den Regen und außerdem wollte ich gar nicht im Wald übernachten. Es war spät, die Herbergen schließen zwischen 21 und 22 Uhr. Ich musste schnell weiter. Meine Schmerzen waren wie weg geblasen, auf jeden Fall für den Moment und die nächste Stunde und ich bin ohne anzuhalten weiter gegangen. Es gind sehr steil abwärts, die Wege waren durch den Regen aufgeweicht, teilweise sehr rutschig und zwischendrin lagen große Steine.

    Um 21 Uhr bin ich in der Herberge angekommen. Ich habe ein Zimmer mit einer Spanierin geteilt, die anderen Betten waren leer. Zu essen hatte ich nichts mehr, sie hat mir einen Apfel geschenkt. Den Tag über hatte ich nur zwei Bananen, Schokolade und ein Croissant gegessen. Nach dem Duschen bin ich ins Bett gefallen, aber schlafen konnte ich durch die Hüft- und Beinschmerzen nicht so gut. Da half auch kein Schmerzmittel.

    Trotzdem ging es mir nicht schlecht. Ganz im Gegenteil, ich fühlte mich fast schon so etwas wie euphorisch. Ich hatte es geschafft! Dieser Tag hat mir soviel gebracht. Es war fast wie nach dem Marathon, mir kann jetzt nichts mehr passieren. Ich fühlte mich unbesiegbar, wie im Märchen, wenn man eine Probe bestanden hat.

    Galicien habe ich an diesem Tag erreicht und festgestellt, das ich an meinem Geburtstag in Santiago ankommen werde.

    Sonntag, 11.05.08, Mansilla de las Mulas, 32km (davon ca.10 km gefahren)

    (kleine Korrektur der Streckenlänge: bin insgesammt ca. 70km gefahren)

    Ich brauche eine “richtige” Pilgerherberge. Vielleicht hab ich Heimweh, auf jeden Fall vermisse ich meine Kinder und meinen Mann und hätte gerne die Geborgenheit einer Herberge so wie in Granon. Im Pilger- Herbergsverzeichniss ist mir eine aufgefallen, die von einer deutschen Jakobusgesellschaft betrieben wird, da wollte ich hin. Ist aber leider 32 km weit weg, das traue ich mir doch nicht zu.

    Ich habe mir überlegt mit dem Zug ein paar Kilometer zu fahren, aber sonntags geht das nicht. Als ich den Herbergsbesitzer nach einer Busverbindung gefragt habe, hat er mir gesagt, dass sein Bruder dort hin muss und mich mit nimmt. Da war ich sehr froh und eine Pilgerin hat sich mir angeschlossen.

    Der Weg war nicht sehr anspruchsvoll und mit neuem Schwung bin ich gut in der Herberge angekommen. Und es war genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ein herzlicher Empfang, freundliche Unterkunft in Achtbettzimmern und ein Herbergsvater, der sich um die „Wehwehchen“ kümmert. Außerdem ein einladender Innenhof mit Tischen, Stühlen und Unmengen von Geranientöpfen an den Wänden.
    Mein Problem mit den dicken Zehen und den Gelenken konnte er auch lindern (mit Mull +Klebeband unter der Innensohle) und meinte, dass meine Schuhe eher für das noch folgende Gelände geeignet wären und dass ich dann weniger Probleme hätte. Mir ging es wieder rundum gut.


    Montag, 12.05.08, Leon, 17 km

    Nach Leon hinein zu kommen war gar nicht so einfach. Die Schnellstraße musste überquert werden und das im Laufschritt, in einer unübersichtlichen Kurve und mit einem schweren Rucksack auf dem Rücken.

    Ging dann auch und anschließend in Leon habe ich nach der Herbergssuche erst einmal eine Post gesucht und meine 2 kg Gepäck die mir zu viel waren nach Santiago geschickt.
    Die Unterkunft in dem Kloster ist sehr eng, aber der Pilger dankt und ist bescheiden.

    Ich bin sehr dankbar, dass es die Ehrenamtlichen Helfer und so viele Einrichtungen gibt, die uneigennützig die Pilger versorgen. Denn sonst hätte ich diese Reise nicht machen können. Und ich habe fast ausnahmslos gut geschlafen oder zumindest geruht.

    Im Kloster gab es am Abend eine Pilgermesse mit Segen und das habe ich mir mal angeschaut. Leider habe ich kein Wort verstanden, aber diese Messe war auf Deutsch gedruckt und jeder hat ein Exemplar in seiner Sprache bekommen. Die Oberin hat darauf geachtet, das jeder mit liest, sie ist durch den Gang gegangen und hat einen darauf hin gewiesen, wenn man noch nicht umgeblättert hat. Es lag wohl an der Müdigkeit, es war schon nach 22 Uhr, nach einer Weile hatten einige Mühe ihr kichern zu unterdrücken, da die Oberin etwas sagte, was vorher am Tisch Thema war und da schon vom essen abhielt.

    Ich bin durch die Altstadt gegangen und hab mich fast nicht verlaufen. Die Kathedrale hat mir besser gefallen als die in Burgos. Die Ausstattung war nicht so pompös und die Fenster superschön.

    In einer Einkaufsstraße habe ich einige „alte Bekannte“ getroffen, wir haben Kaffee getrunken und uns über die Pläne der nächsten Tage unterhalten und das die Nachrichtenübermittlung auf dem Jakobsweg so perfekt ist. Manche Nachricht ist schneller als der Pilger um den es geht.
    Nach so langer Zeit wieder in eine große Stadt zu kommen war schon bemerkenswert. Ich hab mich von dem ganzen Angebot an Lebensmitteln verführen lassen und so rasch meine 2 kg Gewicht wieder aufgefüllt. Bin froh, wenn es wieder Ländlich wird.


    Dienstag, 13.05.08, Villar de Mazarife, 24 km

    Nachdem man das Stadtgebiet hinter sich gelassen hat, geht es weiter über eine sehr schöne Hochebene. Der Weg war gut zu gehen und geregnet hat es nicht, obwohl es oft danach aussah. An diesem Tag war ich bei der Ankunft in der Herberge sehr müde. In der Nacht hatte ich nicht so gut schlafen können, da eine Strassenlaterne mir ins Gesicht leuchtete.

    In der Herberge in Villar de Mazarife hat der Hospitallero für 5€ pro Person gekocht. Es ist schön, gemeinsam am Abend zu essen.
    Leider war an diesem Tag eine sehr laute Gruppe unterwegs. Sie waren an einer Aktion einer Sparkasse beteiligt und haben es nicht lassen können, um 22 Uhr immer noch zu grölen. Sie hatten zum Glück ein Viererzimmer im Keller gemietet und da ich auch noch Ohrenstöpsel hatte, habe ich kaum was mit bekommen.


    Mittwoch, 15.05.08, Astorga, 31 km

    Es ging heute ständig Berg auf und ab. Meinen Füssen bekam das gut, ich denke das die Bewegung auf unebenem Gelände (ziemlich Steinig) gerade das richtige ist.
    Trotz teilweise sehr bedrohlich aussehender Wolken, blieb es mal wieder trocken. In Astorga gibt es viel zu sehen, aber ich bin so müde, ich werde eine schnelle Stadtbesichtigung machen.
    Morgen geht es richtig in die Berge.
    Die letzten Meter bis in die Stadt waren unglaublich Steil. Ich konnte kaum mehr laufen nach 31km. Wir haben ein bestimmte Herberge gesucht, hatten davon gelesen dass es ein altes Kloster gibt mit sehr netter Atmosphäre. Wir haben es auch gefunden, aber es war bereits belegt.
    Wir sind wieder ein Stück zurück zu einer Gemeindeherberge gegangen und waren sehr positiv Überrascht. Das Haus ist ganz frisch renoviert und jede Etage hat drei Vierbettzimmer, mit Bad und Duschen. Ganz frisch und sauber. Wir haben das Zimmer mit einem älteren Ehepaar aus München geteilt, das wir immer wieder und schon mal zum Kaffee treffen.
    Ich bin mit der Frau aus Österreich unterwegs. Wir gehen kurze Stücke gemeinsam, trennen uns nach ein paar Kilometern und treffen uns dann in einer Bar wieder. Sie geht schneller als ich, da ist es so am angenehmsten. Aber ich möchte auch lieber in den nächsten Tagen alleine gehen. Hab nicht so das Bedürfnis nach Gesellschaft im Moment.
    Unterwegs hatte ich immer wieder einen Krampf im Oberschenkel, der gar nicht so richtig weg gehen wollte. Das war schlecht, da ich noch 2 Stunden vor mir hatte. Der Herbergsvater hat gesagt, ich sollte noch mehr Magnesium nehmen, besonders wenn ich meine Kilometerzahl erhöhe.
    „Bergfest“, die Hälfte der Kilometer sind gelaufen. Zur Feier des Tages gab es Chili con Carne aus der Dose, das liegt mir jetzt schwer im Magen.

    Freitag, 09.05.08, Calzadilla de la Cueza, 24 km

    12 schattenlose Kilometer auf einer schnurgeraden alten Pilgerroute, die alte Römerstraße Via Aquitana und noch 12 km durch Felder, teilweise auf Landstraßen und leicht welliges Gelände, das war die Etappe an diesem Tag.
    Mit den weißen Schäfchenwolken und dem blauen Himmel dazwischen lief es sehr gut. Im Sommer, kann ich mir vorstellen, bestimmt heiß und auch nicht so schön, da dann das Grün der Felder fehlt und die Sonne einen ziemlich verbrennt.

    Nur dann war es vorbei mit den Schäfchenwolken und der Himmel war Pechschwarz. Ich hatte Angst, dass ein Gewitter aufzieht und bin recht schnell gegangen. Als die Wolken immer näher kamen, bin ich sogar mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken gejoggt und hab gedacht, das wird schon werden, bin bisher immer dem Regen entkommen, dann geht das jetzt auch gut. Ich wusste nicht so recht wie man sich bei einem Gewitter auf freiem Feld verhalten muss.
    Jetzt weiß ich es: eine Mulde suchen, in „Brötchenstellung“ gehen, falls dabei auf eine Tasche oder Rucksack legen, Metall (z.B. Wanderstöcke) ganz weit weg legen, wenig Bodenkontakt haben. Und ganz zeitig damit anfangen, da ein Blitz einige Kilometer vom Gewitter entfernt einschlagen kann.
    Auf jeden Fall habe ich die Herberge erreicht und 5 Minuten später hat es geregnet und zwar sehr, sehr kräftig. Aber ein Gewitter war es nicht.
    Die Herberge war gut besucht, ca.25 Menschen in einem Raum, die Luft Grottenschlecht und alles bei Regen ohne Aufenthaltsraum. Es gibt eine Bar im Dorf, dort habe ich eine Weile gesessen und mich unterhalten, war im Internet und habe versucht zu telefonieren. Es war aber zu laut. (Bar= Bistro/Cafe/Kneipe/Restaurant). ) 9Tage bin ich unterwegs, das Laufen fällt mir leichter, wobei hier und da immer wieder neue empfindliche Stellen an den Füßen auffallen. Zurzeit sind es die Gelenke und das vordere Glied des dicken Zehs was mir zu schaffen macht. Manchmal kann ich nicht einschlafen oder werde wach weil die Zehen pochen und brennen. Am Ende eines Wandertages sind die Füße ein erst mal vorherrschendes Thema.

    Samstag, 10.05.08, Sahagun, 23 km

    Den ganzen Tag hat es geregnet und ich habe nur ein kleines Stück Straße gesehen, weil meine Kapuze mein Blickfeld eingeschränkt hat. Und fotografieren konnte ich auch nicht.
    Ich bin also vor mich hin getrottet und als ich kurz aufgeschaut habe, konnte ich in der Ferne andere Pilger sehen, die auch in Regencapes gehüllt waren. Die sahen aus auf dem Hügel wie wandernde Hobbits. Die Landschaft war leicht geschwungen bis hügelig, grün und auf einmal sah ich in einem Hügel Fenster und Türen. Eine Hobbithöhle! Ich hab gedacht, ich träume.
    Ich weiß immer noch nicht, was das für Gebäude sind, vermutlich Keller oder Räucherkammern, da sie alle auch Kamine hatten. In den nächsten Tagen habe ich noch mehr davon gesehen und konnte sie dann fotografieren.

    In der Herberge saß ich in bei der Rezeption und der Besitzer (priv. Herberge) hatte die CD von Herr der Ringe, die Gefährten laufen. Ich wunder mich nicht mehr.

    Bisher folgt immer auf etwas was nicht so schön war, was Gutes und außerdem ist es so, dass meine Wünsche erfüllt werden. Ob das daran liegt, dass diese recht bescheiden sind oder woran das sonst liegen mag, darüber möchte ich gar nicht nachdenken. Ein bisschen Magie oder der Glaube an etwas Übernatürlichen find ich gut und macht das Leben nicht so vorhersehbar und kann mich in eine Welt versetzen in der ich mich sehr wohl fühle.

    Das weniger Gute an diesem Tag war gar nicht der Regen. Der sorgte dafür dass ich ganz in mich gekehrt war und das war gut. Nicht schön war der Umgang mit mir und einer Mitpilgerin in der Bar. Wir wurden einfach ignoriert und das obwohl wir freundlich gegrüßt hatten und auch direkt an der Bar bestellt hatten. Wir haben nichts bekommen und sind nach mehrmals auf uns aufmerksam machen wieder gegangen. Sonst gab es nur noch ein sehr teures Restaurant und die Geschäfte waren zu und wir hatten nichts zu essen.
    In dem Moment, an dem wir an einem Laden vorbei gingen, schloss der Besitzer auf und wir konnten doch noch einkaufen. Er macht extra für Pilger eine Stunde am Samstagnachmittag auf.
    In der Herberge habe ich mir etwas zu essen gemacht und bin bald darauf schlafen gegangen. Meist geht man hier gegen 21:30 ins Bett, um spätestens 22:30 wird das Licht aus gemacht.

    So ungefähr sieht der Pilgertag aus:

    zwischen 6:00 – 7:00 Uhr: aufstehen
    zwischen 7:00 - 8:00 Uhr: waschen, anziehen usw., Rucksack packen,evtl.jenachHerberge Kaffee trinken und dazu einen Keks oder Croissant essen.
    ca. 7:30 Uhr: los gehen
    10/11 Uhr: Frühstückspause (ca.1/2 Stunde)
    je nach Strecke und Wetter Ankunft in einer Herberge zwischen 14:00 und 16: Uhr, evtl. zwischendurch zwei kleine oder eine etwas längere Pause.
    Nach Ankunft in der Herberge: Einchecken, Bett belegen, duschen, getragene Kleidung waschen und aufhängen (hin und wieder in der Waschmaschine und Trockner), hinsetzen, erzählen, Tagebuch und Postkarten schreiben, erholen.
    ca. 17:00 Uhr: einkaufen, kleine Stadt- bzw. Dorfspaziergänge, Mahlzeit zubereiten oder
    um ca. 19:00 Uhr: Pilgermenü essen gehen, Internetcafé suchen und evtl. auch benutzen
    ca. 20:30/21:00 Uhr: Rucksack und Inhalt überprüfen/sortieren, Wäsche einsammeln (wenn getrocknet) , Etappe für den nächsten Tag festlegen,
    Herbergsverzeichnissstudieren,Reiseführer lesen.
    ca.22:00 Uhr: schlafen.

    Dienstag, 06.05.08, Castrojerez, 21 km

    Der Weg nach Castrojerez war sehr schön. Auch fand ich es angenehm Begleitung zu haben, aber nach einer Weile laufe ich gerne wieder alleine.
    In den Herbergen ist teilweise viel los, aber ich habe mir vorgenommen, mich nicht hetzen zu lassen. Irgendwo werde ich immer ein Bett bekommen ( sach ich mal so und hoffe…). Ich trinke am Morgen in Ruhe meinen Kaffee und gehe auch erst los, wenn ich zumindest die Morgendämmerung sehen kann. Außerdem fotografiere ich gerne und das kann dann schon mal was dauern.

    Diesmal haben wir eher zufällige die Unterkunft gefunden, weil die geschäftstüchtigen „ Bettenbesitzer“ nämlich oft den Weg zu ihnen mit gelben Pfeilen markieren.

    Der Campingplatz war sehr schön gelegen, mit kleinen Picknickplätzen und großem, sauberem Waschhaus. Eine Scheune diente als Schlafraum. War sehr groß und man hatte viel Platz zu seinem Bettnachbarn. Das Gute an solch großen Räumen ist natürlich das man genug Luft hat, auch wenn 30 Menschen darin schlafen.


    Mittwoch, 07.05.08, Boadilla del Camino, 22 km

    Heute bin ich in der Morgendämmerung gestartet und das war gut so, denn es ging gleich zu Beginn einen steilen Weg hinauf auf einen Tafelberg. Oben angekommen, wurde ich von einem Vogel begleitet, der sang immer: "Tschitschi, bon Camino, tschitschi, bon Camino.“ Auf jeden Fall hörte es sich so an.

    Ich bin alleine gegangen und kann es kaum glauben, dass ich nichts habe, was mich davon abhält einfach die Natur, diese Stimmung und die Sonne zu genießen. Ich muss nicht grübeln und Probleme wälzen, mir Gedanken machen was andere denken oder wollen. Ich hab nur mich.

    In Boadillo del Camino angekommen, war ich gar nicht mehr so fit. Es war dann doch zu heiß, trotz Gewitterwarnung kaum ein Wölkchen am Himmel und kein Schatten an den riesigen Getreidefeldern die mich nach dem Tafelberg erwartet haben. Unterwegs habe ich keinen Appetit und wahrscheinlich gehe ich noch zu schnell.

    Die Herberge war dann wieder ein Glücksgriff. Schöne, saubere Betten, große Duschen, lecker Essen und nette Leute. Wir haben wieder alle zusammen gekocht. Der Hospitallero schien mir ein wenig überdreht, keine Ahnung was der außer dem Bier am frühen Nachmittag so zu sich genommen hat.

    Ich hab mich hier trotzdem wohl gefühlt, auch wenn ich Magenprobleme hatte und eigentlich nur aus Vernunft gegessen habe.

    Es ist tatsächlich für mich im Moment am Ende eines Tages das wichtigste zu wissen, wie ist die Unterkunft. Diesmal gab es 6 Stockbetten in einem großen Raum und diese waren mit geschwungenen Wänden abgegrenzt, so dass man das Gefühl hatte ein Doppelzimmer zu bewohnen. Außerdem waren die Betten mit frischen, weißen Lacken bezogen.


    Donnerstag, 08.05.08, Villarcassar de Sigra, 18 km


    Die Strapazen des Pilgerns sind nicht zu unterschätzen. Nach 18 km war ich einfach nur noch platt. Ich hatte mir 25km vorgenommen, aber es geht gar nicht. Ohne Ende Getreidefelder (man nennt es auch „die Getreidewüste“), ich glaube die tragen sehr zur Stimmung und Erschöpfung bei. Und Gesund fühle ich mich auch nicht.

    Wobei mir diese Strecke schon auch gefallen hat. Das Wetter war ideal, ziemlich bewölkt. Ich hatte immer in Hörweite einen Kuckuck und war recht froh darüber, denn hier ist man so richtig alleine. Kein Haus und eine unendliche Weite. Ich habe alle Volks- und Wanderlieder die ich kenne gesungen, gar nicht mal wenige, drei dabei die vom Kuckuck handeln.

    Mit einer Österreicherin bin ich die letzten ca. 5 km zusammen gegangen und an der Herberge (das Rathaus) mussten wir erst warten, bis der Herbergsvater mit seinem Bier fertig war. Dabei habe ich ganz lustige Holländer kennen gelernt. Wir haben so sehr gelacht, über alles, die Herberge, das Wetter (es regnete, aber auch durch das Dach), die zwei Toiletten in einem Raum und über die Bayern, die" immer alles kaputt machen" und über den Münzautomaten für die Duschen.

    Schlafen war schwierig bei der Kicherei, weil auf einmal alles lustig war.
    Außerdem haben wir alles an spanischen Keksen probiert, die uns der Bäcker bieten konnte. Und jetzt war mir erst recht schlecht, aber sonst ging es mir wieder total gut. (So innerlich)

    Hier noch nachträglich Ortsangaben:
    1.Mai: Logroño –Navarette
    2.Mai: Azofra
    3.Mai: Granon

    Sonntag, 04.05.08, Belorado

    Nach Belorado sind es 18 km.
    Eine junge Kinderärztin hat sich uns angeschossen und so sind wir zu dritt los gegangen. Nach ein paar Kilometern hat sich die Lehrerin von uns verabschiedet, sie wollte langsamer gehen und wir haben eine Herberge aus dem Pilgerführer ausgesucht, in der wir uns am Abend treffen wollten. Es ist sehr sinnvoll die Herbergen so auszuwählen, sie sind gut beschrieben und die Meinungen einzelner Pilger dazu sind hilfreich.

    Die Unterkunft kostet in der Regel zwischen 3€ und 8€ ( private Herbergen), manchmal kann man zusätzlich etwas spenden und bekommt ein Essen oder Frühstück dazu, die Pilgervereinsherbergen haben meist keinen festen Preis, sondern man spendet was man kann und will.

    Der Weg war angenehm zu gehen, eine leicht wellige Landschaft und immer noch sehr schönes Wetter. Die ersten Kilometer waren recht mühelos, aber dann wurde es doch anstrengend für mich und ich war froh als Belorado in Sichtweite kam. Eine kleine Blase habe ich am Fuß, aber dank Blasenpflastern nicht zu spüren. Die Füße schmerzen ziemlich am Ende des Wandertages und ich habe sie in den Pool der Herberge gehalten. Zum schwimmen ist es zu kalt.

    Der Empfang war wieder sehr freundlich und uns wurde angeboten hier zu Abend zu essen, die Hospitalleros kochen selbst. Haben wir angenommen und es war wirklich lohnenswert. Der Garten mit Pool, Hühnern und Hasen und überhaupt die ganze Atmosphäre waren so entspannend, ich fühlte mich gleich erholt.

    Das Essen wurde in einem Raum serviert, der ausgestattet war wie ein Restaurant, mit weißen Decken und Kerzen. Sehr gut alles und lecker. Auch hier gehört zum Menü eine Flasche Wein.

    Auffallend ist, sobald ich sage dass ich nur Wasser trinke, dann trinken meine Tischnachbarn meist ein Glas Wein und danach auch Wasser. Und haben oft dann auch was über ihren Umgang mit Alkohol zu sagen, obwohl ich selbst gar nichts sage, nur eben das ich Wasser trinke.

    (Was mir nachträglich an mir auffällt, besonders gerade beim schreiben, ist das ich zu Beginn der Reise sehr auf Alkohol fixiert war. Ich hab nicht daran gedacht ihn zu trinken, sondern ich habe mich beobachtet wie ich mich verhalte, wenn andere trinken und ich habe dass trinkverhalten der Mitpilger beobachtet. Mit der Zeit ist das aber weniger geworden. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich sicherer geworden bin.)

    Ich brauche eine Pause und werde von Belorado aus nach Burgos fahren. Ich habe Sorge, wenn ich einen Pausentag ohne Fortbewegung mache dass ich dann nicht rechtzeitig nach Santiago komme. Eine Pilgerin (die Grundschuldirektorin) kommt mit mir. Wir wollten den Bus nehmen, aber der Herbergsvater hat uns gefahren, da er in Burgos noch einkaufen musste.
    So hatten wir am Morgen sehr viel Zeit zum Kaffee trinken und erzählen. Der Hospitaliero war in der spanischen Armee, pilgert und kümmert sich um verschiedene Herbergen, „immer, wenn es brennt“. Er spricht sieben Sprachen. Das war ein Interessanter Morgen.


    Montag, 05.05.08, Burgos, Rabe de Calzadas, Hornillos del Camino

    Die Kathedrale in Burgos ist ziemlich protzig, ungefähr so wie aus einem Disney-Film, vor allem im Inneren. Aber schön! Wir haben sie uns angeschaut und auch das Museum. Da wir einen Pausentag machen wollten, war genug Zeit, auch noch ausgiebig zu essen und Kaffee zu trinken. Auf einer Promenade mit Blick auf die Kathedrale haben wir ein nettes Cafe gefunden, erzählt und uns die vorbei ziehenden Pilger angeschaut und hin und wieder sogar bekannte Gesichter entdeckt.

    Ich habe mir in Burgos einen Wanderstock gekauft. Muss man nicht unbedingt haben, aber ist gerade wenn es Bergig wird, hilfreich.
    Wir sind nicht so recht in die Gänge gekommen, die Sonne stand schon sehr hoch als wir uns auf den Weg gemacht haben, es war ziemlich heiß.
    Wir wollten durch das Gewerbegebiet fahren, da es hässlich ist und dann noch ein paar Kilometer bis zur Herberge nach Rabe de Calzadas laufen.

    Den Bus aus Burgos raus zu finden, hat einfach nicht geklappt. Auch nicht mit Händen und Füßen. Ein Passant hatte irgendwann erbarmen mit uns und wir konnten in seinem Auto mit fahren. Nach ca. 4 km sind wir ausgestiegen und haben uns auf den Weg gemacht.

    Da die Füße noch von den letzten Tagen her schmerzten und von der Burgos Besichtigung, waren wir froh, das die Herberge bald in Sicht kam. Nur war es leider nicht wirklich eine Herberge. Die Frau hat acht Betten in einem kleinen Zimmer vermietet und auch nur mit Abendessen. Sie wirkte sehr unfreundlich und ich habe mich gar nicht wohl gefühlt in ihrer Gegenwart.
    Das ganze sollte 25€ kosten. Ich wollte im Pilgerführer nach lesen was über diese „Herberge“ drin steht, da sagte die Dame, wir müssten jetzt warten, da noch Pilger kommen würden, die weiter gelaufen sind als wir.
    Sie wollte uns nicht mehr aufnehmen, weil sie mitbekommen hatte, dass uns der Preis zu hoch war. Meine Mitpilgerin wollte sie noch davon überzeugen, dass man eben an manchen Tagen nicht so weit laufen kann, aber die Frau war mir so unsympathisch, das ich weiter gegangen bin.
    Später haben wir erfahren, dass es im Ort noch eine Herberge gibt, das hat sie uns nicht gesagt.

    9 km mussten wir noch gehen und hatten Sorge kein Bett mehr zu bekommen, da wir ja erst so spät aufgebrochen waren.
    Die nächste Herberge, in Hornillos del Camino, war dann tatsächlich schon belegt, aber der Bürgermeister hat die Turnhalle geöffnet und dort war ganz viel Platz. Die Liegen und Matratzen waren unglaublich alt, aber nach diesem Tag mit so viel auf und ab, war mir das egal. Ich habe mich über mein Nachtlager gefreut.

    Für den Abend konnte man sich ein Pilgermenü bestellen und sollte zu einer bestimmten Uhrzeit zum Essen dort sein. Nach dem Wäschewaschen, duschen und Rucksack aufräumen sind wir zur Bar gegangen. Leider war die Koreanische Gruppe noch nicht fertig mit essen und wir mussten ewig warten. Außerdem hat es nicht geschmeckt und war mit 9€ relativ teuer. Ein recht krasses Gegenstück zu gestern.

    Freitag, 02.05.08

    Nach den 18 km habe ich meinen ersten Kaffee bekommen und war danach so fit, dass ich nochmal 6 km weiter gegangen bin.

    Die Herberge hier ist eigentlich recht groß, war aber leider schon belegt. Es gab noch 10 Betten in einer alten Schule und die Leute mit denen ich dort übernachten werde, kenne ich zum größten Teil schon von gestern. Duschen, kochen und Wäsche waschen konnten wir aber in der Herberge. Die Wäsche haben wir auf dem Schulhof auf gehangen.
    Ich komme hier schnell mit Leuten ins Gespräch, vieles ist ziemlich unproblematisch.
    Beneidet habe ich das Mädchen, das ein dünnes Flies zum abdecken der Matratze dabei hatte. Ich bin eben ein wenig pingelig und muss immer darauf achten, dass ich nicht versehentlich den Schlafsack verlasse und dann mit den Armen die Matratze berühre. Ich habe Hoffnung, dass sich das gibt bis zum Ende der Pilgerreise.

    Es ist sehr schön hier ist, das Wetter auch, ca. 17 C° und Sonne. Einen Sonnenbrand habe ich im Gesicht.
    Am Abend war es schwül und es zieht sich zu. Wenn es nicht mal regnen würde, dann hätte ich ja auch mein 6oog schweres Regencape umsonst mit genommen.
    Heute habe ich ein Paar aus Kanada getroffen und eine Frau aus Neuseeland. Mit denen bin ich eine Weile gegangen und das war gut so, denn sonst hätte ich mich tatsächlich verlaufen. Eigentlich sind die Wege gut gekennzeichnet, aber hier war der gelbe Pfeil auf einem Stein und dieser war etwas von Gras verdeckt.
    Mit einem Iren und einer Niederländerin habe ich gekocht und zu Abend gegessen.
    Die Zwei sind einkaufen gegangen und als ich sie auf dem Rückweg getroffen habe, sah ich, dass eine Flasche Wein im Korb liegt. Habe mir erst keine weiteren Gedanken dazu gemacht, dachte aber dann „vielleicht will er ja die Soße damit abschmecken“. Ich hab also all meinen Mut und meine Englischkenntnisse zusammen genommen und gesagt, das er doch bitte etwas von der Soße abnehmen möchte, bevor er Wein dazu gibt. Er fragte, ob ich keinen Wein mag und ich sagte, dass ich gar einen Alkohol zu mir nehme. Er:“ Aber der Alkohol verkocht doch und dann schmeckt man nichts mehr“. Ich:“ Alcohol is not good for me!“. Und dann war es gut. Uff. Ich bekam dann zwar von jemand anderem beim Essen Wein angeboten, aber da reichte es zu sagen, ich trinke Wasser.

    Bis auf ziemlich heftigen Muskelkater geht es mir gut und auch meinen Füßen.
    Da gestern Abend um 21:30 das Licht ausgeschaltet wurde, war ich schon um 5:30 wach und bin um 6:45 los gegangen.
    Mich hätte gerne ein Hund begleitet, es war sehr schwierig den wieder los zu werden. Er hat viele Tricks ausprobiert, ist erst vor mir, dann weiter hinter mir und auch mal versteckt durchs Feld neben mir gelaufen. Der war „soooo Süüüüß“, aber was soll ich mit einem Hund? Ich hatte Sorge, das er Stunden neben mir her läuft und dann nicht mehr Heim findet. Mit sehr schwerem Herzen habe ich dann so getan, als wollte ich einen Stein aufheben. Er ist stehen geblieben und hat ganz traurig geguckt. Das kommt davon, wenn man Tiere vermenschlicht. Viel später habe ich von einem Pilger erfahren, dass dieser Hund das auch bei ihm gemacht hat und einfach nur im nächsten Dorf an einem ganz großen Hund vorbei geführt werden wollte.

    Meine Fremdsprachenkenntnisse erweitern sich ziemlich zügig, oder eher der Mut, einfach zu sprechen.


    Samstag, 03.05.08

    Das Laufen viel mir heute sehr schwer. Es war warm und sonnig, ich habe zu wenig getrunken und wollte auch noch Schritt halten, mit Pilgern die schon zwei Wochen länger unterwegs waren als ich. Ich hatte gehört, dass man ca. 7-10 Tage braucht um sich einzulaufen. So recht glauben konnte ich das nicht, bin ja schließlich schon Marathon gelaufen und bewege mich viel. Aber jeden Tag mit einem Rucksack auf dem Rücken zu gehen, das ist schon was anderes.

    Die Herberge, die ich am Nachmittag erreicht habe war so gut, dass ich die Strapazen des Weges schnell beiseite schieben konnte. Der Garten hinter der Kirche war schön, viele haben auf der Wiese gesessen oder gelegen und sich von ihren Tagesmärschen erholen können, ich auch.
    Ich habe mich mit einer Frau unterhalten, die Grunschuldirektorin ist. Mit ihr werde ich am nächsten Tag zusammen gehen.

    Neben dem Glockenturm haben wir Wäsche gewaschen, geschlafen auf einer Empore auf Matten und vorher mit 20 Leuten für 50 gekocht. Tortilla und Salat gab es. Zutaten haben wir von den Dorfbewohnern geschenkt bekommen.

    Hier könnte ich bleiben. Die Hospitalleros sind sehr freundlich und haben für jeden ein nettes Wort, fragen wie es einem geht und man spürt das sie für die Pilger da sind. Vor dem Essen hat es sich so ergeben, das einige am Kamin zusammen saßen und jeder hat ein Lied aus seinem Heimatland vorgesungen. Ich habe gerne zugehört und war froh, eine Deutsche neben mir sitzen zu haben.

    Da am Abend bis in die frühen Morgenstunden Fiesta war, (vor der Kirche) durften wir nicht vor sieben Uhr aufstehen, das war gut.

    Hallo Doro, guten Tag zusammen,

    hab bisher nicht genug Zeit gehabt um ausführlicher zu schreiben.
    Jetzt habe ich sie, weil ich gerade krank geschrieben bin und möglichst sitzen sollte. Außerdem brauche ich nicht nur Zeit, sondern auch die richtige Stimmung zum schreiben und gerade passt alles gut zusammen.

    In den letzten Wochen bin ich den Jakobsweg sozusagen in Gedanken nochmal gegangen, da ich ein Fotobuch gestaltet habe und zeitweise darin versunken bin. Ich werde ein wenig aus meinen Tagebüchern plaudern, auch aus denen, wo ich die Gedanken gerade im Bezug auf meine noch recht junge Trockenheit aufgeschrieben habe und die ich mir gemacht habe, wenn ich an die Entwicklung der letzten Jahre gedacht habe.

    Für meinen Mann war es lange Zeit schwierig, meine Entscheidung zu akzeptieren.
    Für mich war es wichtig, die durch meine Trockenheit neu erworbene Freiheit zu leben. Wir haben das ganz gut hinbekommen und er sieht, das auch er davon profitiert das ich diese Reise machen konnte. Ich habe mich verändert, fühle mich ausgeglichener und bin „häuslicher“ geworden. Einfach zufriedener mit mir und meinem Leben. Das wirkt sich natürlich auch auf das Zusammenleben in der Familie aus.


    Los ging es am Mittwoch, den 30. April. Mit der Planung habe ich schon früh begonnen, den Flug im Dezember gebucht und ab dem Zeitpunkt auch nach und nach die Ausrüstung gekauft.

    Die letzten Tage vor dem Abflug habe ich versucht ein Zimmer in Bilbao und in Santiago zu buchen. Da ich so gut wie kein spanisch spreche und auch keine Kreditkarte besitze, ging das gar nicht. Ich habe einfach gehofft, dass sich was ergeben wird. Der Flug startete am Nachmittag und da wir nur 20 Autominuten vom Flughafen weg wohnen, hatte ich ganz furchtbar viel Zeit und war sehr nervös. 20-mal den Rucksack ein- und ausgepackt, 30-mal die Papiere kontrolliert und die Uhr nicht aus den Augen gelassen.

    Mein Mann hat mich gefahren und sich auch bald nachdem wir noch einen Kaffee zusammen getrunken hatten, verabschiedet. Ich denke, dass er sich auch viele Gedanken gemacht hat. Er war jetzt für vier Wochen mit den Kindern alleine, hat selbst viel zu arbeiten. Wir haben auch über Alkohol gesprochen, aber darum hat er sich keine Sorgen gemacht. Er vertraut mir und zweifelt nicht, das ist gut zu wissen.

    Am Flughafen saßen vier Frauen auf einer Bank, die sahen aus wie Pilgerinnen, oder solche, die es noch werden wollten. Eine davon kannte ich, wir haben uns in einem Pilgerforum kennengelernt und hatten ursprünglich vor, einen Teil des Weges gemeinsam zu gehen, dann habe ich aber meinen Startpunkt verlegt. Drei der Frauen wollten von Bilbao aus gleich weiter nach Pamplona und eine in Bilbao Übernachten.


    Mittwoch, 30.04.08/ Donnerstag, 01.05.08

    Ich habe ein Bett in Bilbao gefunden!
    Auf dem Flug habe ich eine Frau kennen gelernt die in Bilbao ein Zimmer reserviert hat und da konnten wir ein Bett zu stellen.

    Gleich geht es weiter mit dem Bus nach Logroño. Eine Buskarte habe ich gestern schon besorgt und ohne spanische Sprachkenntnisse war das sehr lustig.

    Die Dame wollte eine Buskarte nach Leon kaufen und es hat ewig gedauert, bis wir den richtigen Schalter gefunden hatten. Nach ganz viel erklären und hin und her sollte sie ihren Personalausweis zeigen und 75 € bezahlen. Das war verwunderlich, weil Busfahrten innerhalb Spaniens günstig sind. Nachdem sie bezahlt hat, hat sie alles noch mal genau durchgelesen und dabei festgestellt, das sie nun die Möglichkeit hatte, am nächsten Tag nach Lyon in Frankreich zu fahren. Also hat sie die Karte wieder abgegeben und leider gesagt bekommen, dass alle Fahrten für den nächsten Tag nach Leon ausgebucht sind. Sie hat erst mal eine Karte gekauft um nach Burgos zu kommen und dann zu schauen, ob sie von dort aus eine Verbindung nach Leon bekommt.

    Da wir mittlerweile furchtbar albern waren und uns gar nicht mehr vorstellen konnten wie wir zum Hotel kommen sollten, haben wir ein Taxi genommen.

    Das Zimmer war zwar eng, aber günstig und es sollte ja auch nur für eine Nacht sein. Geschlafen habe ich kaum, das lag daran das ich immer erst mal schlecht schlafe wenn ich von zu Hause weg bin und natürlich an der ganzen Aufregung, weil ich nicht wusste was mich in den nächsten Wochen erwartet.

    Auf jeden Fall war dieser Tag ein guter, wenn auch anstrengender Einstieg.

    Aus Zeitmangel haben wir uns das Guggenheimmuseum nur von außen anschauen können.


    Donnerstag, 01.05.08

    Hat alles gut geklappt mit der Busfahrt. Das Wetter ist sehr schön. Blauer Himmel, in der Ferne Schnee bedeckte Gipfel und eine grüne Landschaft, da kommt man in Urlaubsstimmung. In Hora hat der Bus gehalten und dort habe ich zum ersten Mal Störche beim Nestbau gesehen.

    In Logroño habe ich mich von Ecke zu Ecke durchgefragt mit meinen bescheidenen spanischen Kenntnissen. Alle haben sich sehr bemüht, so dass ich mich nicht verlaufen habe.

    Das hätte ich mich früher nicht getraut. Wäre mir peinlich gewesen, nicht richtig sprechen zu können und den Weg nicht zu kennen. Außerdem hatte ich Angst vor fremden Menschen. Ich wäre Stunden durch die Gegend geirrt und am Ende des Tages völlig fertig gewesen.

    Ich habe den Pilgerweg gefunden und bis zum Stausee war es sehr belebt, da am ersten Mai mind. halb Logroño mit der ganzen Familie auf Tour war. An dem See trifft man sich zum Grillen, es gibt Picknickplätze und eine schöne Aussicht auf die Stadt. Ruhe findet man dort an solch einem Tag eher nicht.

    Von vielen wurde ich mit einem „Bon Camino“ begrüßt und ich habe mich gar nicht wie „ die Neue“ oder fremd gefühlt.

    Den ersten Fuß auf den offiziellen Pilgerweg zu setzen, war für mich ein besonderes Ereignis. Jetzt, dachte ich, bin ich weg. Mit mir alleine und entfernt von allen Alltagssorgen. (Ich bekomme immer noch eine Gänsehaut wenn ich daran denke.)

    Das wird meine erste Nacht in einer Herberge, es ist mächtig voll. Vor der Tür liegt eine lange Reihe von Rucksäcken. Ich habe meinen hinten angelegt und konnte dann zählen, ob die Anzahl der angegebenen Betten mit der der Rucksäcke noch passt. Glück gehabt, ich habe einen Schlafplatz. Heute bin ich 13 km gegangen, das reicht für den Anfang. Die Menschen hier sind alle sehr hilfsbereit und freundlich. Und geduldig. Morgen gehe ich ca. 18 km.

    Heute vor genau zwei Jahren bin ich in die Klinik zur Entgiftung gegangen. An diesem Tag hatte ich drei ganz schreckliche Tage hinter mir und eigentlich war mir meine Lebensfreude, mein kleines bisschen Selbstwertgefühl und die Hoffnung das alles wieder gut werden könnte, abhanden gekommen.

    Drei Tage vorher habe ich zufällig dieses Forum gefunden und was besseres hätte mir gar nicht passieren können. Ich hatte seit langer Zeit das Gefühl ernst genommen zu werden und vor allem, verstanden. Nicht mal mein Hausarzt hat mir richtig zugehört.

    Ich habe überlegt, ob denn "Geburtstag" das richtige Wort für diesen Tag. Kann ich so sagen, denn an diesem Tag hat ein neues Leben für mich begonnen. Damals konnte ich noch nicht sehen, das es tatsächlich möglich ist, das sich das Leben lebenswert anfühlt. Und das ich mich über jeden neuen Tag freuen könnte.

    Wenn ich lese, was ich so geschrieben habe, hab ich einen Kloß im Hals und denke, "meine Güte, das warst du". Und ich fühle mich schwer und bedrückt. Aber ich weiss, das dieses Gefühl auch wieder weg geht, ohne das ich es mit Alkohol wegspülen muß.
    Das ist so gut.

    Das waren zwei richtig schwere Jahre, ganz viel Arbeit und ich kann sagen, es hat sich gelohnt. Meine Baustellen sind noch da, aber kleiner und überschaubarer geworden. Das Leben ist leichter als all die Jahre davor.

    Auch wenn ich nur selten mal schreibe fühle ich mich immer noch ein bisschen "zu Hause" hier im Forum.

    Schön, das es euch gibt und ich ab und zu mal vorbei schauen kann.

    Viele Grüße, besonders an alle die mich noch kennen,

    Frodo

    ......schon seit einiger Zeit. Gerade habe ich an Kommal gedacht und seinen Titelvorschlag übernommen.

    Genau 24 Tage war ich pilgernd in Spanien unterwegs.
    Ich kann nicht einfach erzählen auf die Frage "wie war`s denn?" Das sind sooooo viele kleine und große Geschichten. Ich denke, ich werde immer wieder ein Stück aufschreiben.

    Auf jeden Fall geht es mir sehr gut! Und auf meiner Reise habe ich mich so sicher und stark gefühlt, wie ich es gar nicht erwartet hätte.
    Die meisten Menschen die ich getroffen habe, waren auf der Suche, nach einem neuen Ziel, hatten Entscheidungen zu treffen, einige wirkten unzufrieden mit sich und dem Leben, fuhren sozusagen Karussel und Achterbahn (viele, nette Menschen und es gab vorwiegend fröhliche Momente, bitte nicht missverstehen). Und ich hab gedacht, wie schön, das hast du alles schon hinter dir. Das war (und ist es immer noch) ein sehr gutes Gefühl.

    In den letzten 1 1/2 Jahren habe ich ziemlich viel gelernt und konnte so mit einer Gelassenheit durch Spanien pilgern, von der ich immer nur gehört hatte und dachte, das wird noch Jahre dauern bis du so weit bist.
    Anstrengend war es trotzdem! Ich musste erst einmal mit der Einteilung meiner Kräfte zurecht kommen. Und ich neige erst mal eher dazu mir zuviel zuzumuten. Ungefähr vier mal ist es mir passiert, das ich in einer Herberge ankam und gedacht habe, es geht jetzt aber auch nicht mehr einen Meter weiter.

    An einem Tag war es besonders schlimm, da bin ich bei Regen nach O Cebreiro gegangen, das ist ein ziemlich steiler Aufstieg. Da ich etwas langsam war, war meine Angesteuerte Herberge schon belegt. Ich musste also immer noch bei Regen denn Abstieg auch noch machen. Ich bin an dem Tag insesammt 13 Stunden unterwegs gewesen und war total am Ende. Da am nächsten Tag die Sonne schien und ich endlich in Galicien war, waren die Strapazen schnell vergessen.

    Ich bin am Tag zwischen 20 und 40 km gegangen und habe ca. 560 km zu Fuß und 40km mit dem Auto zurück gelegt. Ich habe nach der ersten Woche gedacht das die Zeit knapp wird und bin an zwei Tagen ein Stück gefahren worden. War unnötig, aber in dem Moment wahrscheinlich die richtige Entscheidung.

    Die Herbergen sind so verschieden, wie die Menschen und die Landschaft unterwegs. Manche freundlich und die Atmosphäre familiär, das man gar nicht mehr weg möchte und manche elend und herrunter gekommen. Aber man wird bescheiden auf dem Weg. Ich habe in Betten und auf Matratzen geschlafen um die würde ich hier einen riesen Bogen machen. Und in Spanien habe ich mich einfach nur gefreut, eine Platz zum schlafen zu haben.

    Überraschend schnell habe ich meinen Mann und meine Kinder vermisst. Ich wollte so unbedingt weg und dann habe ich mir gewünscht, das alle bei mir wären. Es kann so einsam sein, auch auf dem mittlerweile recht vollem Jakobsweg.

    An meinem Geburtstag bin ich in Santiago angekommen. Das war soooo schön! Ich war in der Pilgermesse am Morgen und es war einfach überweltigend. Auch wenn ich nicht religiös bin, war es ganz wichtig für mich diesen Abschluss zu erleben.

    Ich hatte dann noch eine Woche Zeit und habe diese am Atlantik in Finesterre verbracht. Dort war ich vor 16 Jahren mit meinem Mann in Urlaub und ich habe alle Strände und Orte besucht, die ich noch in Erinnerung hatte.

    Mit Alkohol hatte ich keine Probleme, obwohl ich täglich damit konfrontiert wurde. Jeden Tag wurde ich irgendwann gefragt ob ich ein Glas Wein trinken wollte, ich war ja jeden Tag mit anderen Menschen zusammen. Ich habe gesagt, das ich Wasser trinke und das wars dann auch. Keiner hat gefragt oder Bemerkungen gemacht, höchstens mal, das man doch besser schlafen könne in den Massenunterkünften, die es teilweise gibt. Ich hab dann gesagt, das ich mit meinen Ohrenstöpseln auch gut klar komme.

    Als ich im Flugzeug saß, dachte ich, so, einmal Pilgern im Leben reicht aber jetzt auch. Aber mittlerweile denke ich wieder anders. Es gibt noch einige Wege nach Santiago die ich gehen möchte. Diese Stimmung findet man glaube ich nur auf den Pilgerwegen.

    Fernwandern an sich liegt mir und das kann ich überall.
    Nur nicht in den Alpen. Da war ich nämlich bis letzten Samstag. Wir sind viel gewandert, nur auf den Fernwanderwegen ist es manchmal unglaublich steil und schwierig, da merk ich doch das meine Höhenangst nicht ganz weg ist. Im Hochseilgarten ging es recht gut, nur auf den richtigen Wegen, da sind wir einige male umgekehrt.

    Das war der erste Familienurlaub ohne Alkohol und ein bisschen Angst hatte ich davor. Weil ich im Urlaub immer spätestens am Abend auf der Terasse oder Balkon gesessen habe und Wein getrunken habe. Auf dem Pilgerweg hatte ich solche Gedanken gar nicht.
    Es war aber alles kein Problem und wärend dieser zwei Wochen hatte ich kein Verlangen nach Alkohol.

    Schwierig war die Nacht und der Tag anschliessend, als wir zur Tour de France gefahren sind. Erinnerungen von dem Sommer vor drei Jahren haben sich bei mir eingeschlichen und wollten sich einnisten. Ich hatte damals eine ziemlich schwere Zeit und depressionen und konnte nicht alleine vor die Tür gehen. Mein Mann musste immer mit und ich habe diesen Sommer vor dem Fernseher verbracht und eben Tout de France geschaut. Da hab ich doch wieder festgestellt, Zeit heilt nicht alle Wunden. Es ging aber gut, nicht im Gedankenstrudel zu versinken. Ich hab mich ziemlich in den Hintern tretten müssen und weiss, es gibt einges woran ich noch arbeiten muss. Gut zu wissen ist, das ich mich selbst retten kann.
    Jetzt komm ich hier von Hölzchen auf Stöckchen und wollt mich eigentlich nur mal kurz melden.

    Wenn jemand ein paar Bilder aus Spanien sehen möchte, dem könne ich meine Webadresse schicken (PN). Dort habe ich eine Auswahl zusammen gestellt. Ist mir nicht leicht gefallen, aber ich kann keinem zumuten 400 Bilder anzuschauen.
    Jetzt sag ich mal gute Nacht, viele Grüße,

    Frodo

    Guten Abend und Hallo,
    am Mittwoch mache ich noch mal einen Probelauf und am Donnerstag habe ich einen Arzttermin.
    Würde mich nur ärgern, wenn ich nicht mitlaufen kann. Aber wenns nicht geht, dann lasse ich es bleiben.
    Ich hatte nur die Hoffnung, das ich ohne Alk besser laufen kann, als mit. Vieleicht waren die letzten zwei Wochen doch zu anstrengend, ich weiss es nicht.
    Eigentlich war ich trotz trinkerei relativ fit, was das Laufen angeht. Nicht, das ich es bereue nicht zu trinken, aber es ist einfach so, das es mir zur Zeit körperlich nicht gut geht.Ich habe Magenschmerzen, Kopfschmerzen, keinen Appetitt und dann dazu noch diesen hohen Puls.
    Ich weiss, hier ist keine Arztsprechstunde, aber ist das normal?
    Vieleicht sollte ich auch etwas mehr Geduld mit mir haben.
    Vieleicht sollte ich den Sauseschritt jetzt mal etwas bremsen.

    Gruß,
    Frodo

    Hallo zusammen,
    erst einmal vielen Dank für eure guten Wünsche und Tipps. Ich finde es sehr töstlich und wohltuend zu wissen, das immer jemand da ist, der einem zuhört(wohl eher zuliest).
    Heute ist der 10.Tag ohne Alkohol und ich fühle mich ein wenig seltsam. Meine Unruhe versuche ich zu ignorieren und wenn ich viel schreibe, gelingt es mir auch ein bisschen. Das mit dem vielen Wasser trinken hilft etwas und Tee schmeckt auch nicht schlecht.
    Nach zwei Wochen Pause, bin ich heute gelaufen, musste aber feststellen, das ich dazu noch nicht fit genug bin. Mein Puls war nach kurzer Zeit schon zwischen 180-200 und nach 45min. bin ich dann lieber doch spazieren gegangen. Aber nächste Woche Sonntag möchte ich in Köln den Halbmarathon laufen. Vieleicht geht es bis dahin und wenn nicht, muss der Marathon halt ohne mich auskommen.

    Ich wünsche euch eine gute Nacht,

    Gruß, Frodo