Guten Morgen Dagmar,
Depressionen habe ich halbwegs wieder im Griff, meine Grundstimmung ist aber meist sehr traurig und melancholisch.
Warum denkst Du, Deine Depressionen im Griff zu haben, wenn Deine Grundstimmung traurig und melancholisch ist? Ist nicht genau das ein Merkmal für Depressionen?
Ich selbst habe keine Depressionen, vielleicht mal depressive Verstimmungen. Aber wenn ich diese Verstimmungen habe, dann komme ich genau aus dem Grund darauf, dass es so sein könnte, nämlich weil ich - scheinbar grundlos - antrieblos bin.
Darf ich Dich fragen, ob etwas verschrieben bekommen hast, gegen Depressionen?
Was dieses Aggressive angeht: Da verstehe ich Dich vollkommen. Das war immer mein Thema. Wirklich immer. Ich bin super schnell auf 180. Ich arbeite da sehr an mir und kann tatsächlich sagen, dass es besser geworden ist. Je zufriedener ich werde, umso besser habe ich es im Griff. Aber richtig weg ist es nie gewesen und wird es wohl auch nicht. Ich hab mich mal mit dem Gedanken versucht anzufreunden, dass ich einfach so bin.
Im Grunde genommen war es in meiner Kindheit schon so. Ich habe ein Beispiel im Kopf, wo ich Keyboard gespielt habe, auch Unterricht hatte. Ich habe mir ein schwieriges Stück einstudiert (werd ich nie vergessen - Donauwellen hieß es ) und wollte es meinen Eltern final vorspielen. Natürlich am liebsten fehlerfrei. Meine Eltern saßen da wie Patt und Patterchen auf meinem Bett im Kinderzimmer und hörten zu. Als ich mich verspielte bestärkten sie mich "Dass das doch ok ist, es wäre ja auch ein schwieriges Stück, ich könne doch einfach weiter spielen, es würde sich super anhören". An mangelnder Bestärkung lag es also nicht.
Als ich mich noch einmal verspielte bin ich völlig ausgeflippt. Hab angefangen zu heulen, vor Wut auf den Boden gehauen (dort stand das Keyboard), "diese Schei.... Donauwellen, ich spiele nie wieder Keyboard", bin aufgesprungen, aus meinem Zimmer gelaufen, Tür geknallt und hab meine Eltern da hocken lassen, die wie die Hühner auf der Stange immer noch ruhig auf meinem Kinderbett saßen.
Das Alles verstärkte sich je älter ich wurde. In meiner Ehe war ich immer auf Konfrontation aus, weil ich das Gefühl hatte mich wehren zu müssen, denn mein Ex-Mann war ein noch temperamentvollerer Typ als ich. Temperamentvoll hört sich so positiv an. Ich verbinde die Art (auch meine) aber nicht mit etwas Positivem.
Meine Therapeutin sagte auch mal: "Sie sind halt temperamentvoll". Mmmmh. Ich fand das wenig hilfreich. Meine Söhne vermutlich auch nicht, denn die bekamen ja auch im Laufe ihres Lebens schnell mal meine Wut ab, wenn sie mich aus der Fassung brachten und leider kam ich leicht aus der Fassung, wie man an meinem Kindheitserlebnis, welches sich bei mir eingeprägt hat, weil ich heute noch wütend werde, wenn ich an die Donauwellen denke, erkennen kann
Und weißt Du Dagmar, wenn man dann eh schon zu solch einem Verhalten neigt, dann fördert eine Alkoholsucht doch die Unzufriedenheit und das wiederum lässt die letzte Gelassenheit in den Hintergrund rücken.
Wie war es bei Dir? Hast Du das Gefühl, es hat sich erst später entwickelt, dass Du schnell aggressiv oder wütend bist? Oder war es auch schon immer so, wenn Du zurückdenkst?
Vor ein paar Jahren habe ich mal eine Schublade öffnen wollen, was nicht ging, weil ein Bratenwender sich verkeilt hatte. Ich hab versucht, gelassen zu bleiben. Mir Mühe gegeben, ruhig zu bleiben, weil ich wusste "das ist jetzt nicht schlimm. Für dieses Problem gibt es sicher eine Lösung". Es dauerte vielleicht 20 Sekunden, dann war meine Lösung, diese Schublade mit Gewalt so aufzureißen, dass sie am Ende kaputt war. Erstaunlicherweise hatte ich danach das Gefühl "Geht doch!", anstatt "Was hab ich denn jetzt schon wieder gemacht".
Das sind natürlich nun im Nachhinein betrachtet witzige Beispiele, jedenfalls muss ich selbst schmunzeln. Aber ich kann mich wirklich noch genau erinnern, wie ich mich in den jeweiligen Situationen gefühlt habe. Soooo unfassbar genervt!!!
Weniger witzig sind natürlich die Situationen, wenn nicht ein Bratenwender sondern ein Familienmitglied "nervt". Ehrlich gesagt kam es oft zum Streit, indem ich auch laut wurde. Sehr laut. Also wundern muss ich mich nicht, wenn auch meine Söhne manchmal schnell auf 180 sind. Sie haben es leider so vorgelebt bekommen und sind exakt genau so. Das tut mir leid. Wirklich leid. Weil ich weiß, dass es an mir liegt, wie ich mit Situationen umgegangen bin. Jetzt habe ich es inzwischen besser im Griff. Nun sind meine Söhne aber schon fast erwachsen und werden sicherlich auch weiterhin schnell reizbar durchs Leben gehen.
Anders herum haben meine Eltern mir das nicht vorgelebt. Und ich bin trotzdem so geworden. Ist vielleicht auch typbedingt und wird dann entweder mehr oder weniger ausgeprägt durch die Erlebnisse die wir haben im Leben. Durch die Lebensphasen, durch die Menschen mit denen wir uns umgeben.
Das war jetzt lang.
Ich hätte auch einfach schreiben können: Du bist nicht allein. Ich kenne das