Hallo Miss Daisy,
in meiner Verwandtschaft ist das Alkoholproblem meiner Mutter bekannt. Seit letztem Sommer wird darüber auch offener gesprochen, da meine Mutter in der Nähe meiner Geschwister wohnt. Meine Schwester und ihr Mann sind Anlaufstelle für alles. Sie kümmern sich und helfen, warum soll meine Mutter an ihrer Sucht etwas ändern?
Als ich Kind war, lebten wir die erste Zeit mit meiner Oma und dem Bruder meines Stiefvaters in einem Haus. Nach und nach kam das Problem zum Vorschein, alle wussten davon. Manchmal sind meine Oma und der Bruder eingeschritten, wenn die Auseinandersetzungen meiner Eltern zu heftig wurden. Trost bekam ich von meiner Oma und der Freundin/jetzt Frau meines Onkels. Ich bin die älteste von uns Geschwistern. Ich hätte mich den beiden immer anvertrauen können, habe aber meistens nichts erzählt, weil ich mich wohl geschämt habe.
Aber die beiden wussten auch so bescheid, ich musste nichts sagen.
Sie haben mich aufgefangen, dort habe ich die Liebe und Zuneigung bekommen, die mir meiner Mutter nicht geben konnte. Noch heute vermisse ich meine Oma schmerzlich, obwohl sie schon seit vielen Jahren verstorben ist. Obwohl ich "nur" das mitgebrachte Kind war, hat meine Oma uns immer gleich behandelt.
Meine Kinder sind mittlerweile fast erwachsen bzw. schon ausgezogen.
Da wir sehr weit von meiner Mutter entfernt wohnen, vermissen sie ihre Oma nicht. Als die drei noch klein waren, ging meine Mutter noch arbeiten. Sie war hin und wieder zu Besuch bzw. wir besuchten meine Eltern. Aufgewachsen sind sie weitestgehend ohne Großeltern. Meine Mutter war 2-3 Mal mit 2 Kindern im Urlaub. Es hat funktioniert und den Mädels hat es anfangs gefallen. Während des letzten gemeinsamen Urlaubs hat mich meine Älteste angerufen und erzählt, dass sie alleine in der Fewo sind, weil die Oma in der Kneipe ist.
Im Nachhinein habe ich erfahren, nicht nur einmal. Es war das letzte Mal, dass ich meine Kinder in den Ferien zu ihr gelassen habe...
Alle 3 vermissen ihre Oma nicht. Sie wissen, dass sie nichts zu erwarten haben. Als meine Mutter Rentnerin wurde und sich zu Besuch ankündigte, war die Freude anfangs noch da. Nach immer wieder kurzfristigen Absagen war die Freude vorbei. Es gibt jetzt höchstens einen Anruf oder SMS zum Geburtstag, sie nehmen es sportlich.
Mein Mann weiß auch um das Alkoholproblem meiner Mutter. Ich habe ihm auch schon oft davon erzählt. Er hat auch schon mit ihr telefoniert, da war sie angetrunken. Er hört mir auch zu, aber ob er mich versteht?
Mit Mach dich nicht fertig und Du darfst das alles nicht so an dich ranlassen, kann ich wenig bis gar nichts anfange. Erschwerend kommt dazu, dass die Mutter meines Mannes vor ein paar Jahren verstorben ist. Immerhin hast du noch eine Mutter, hat er mal leise zu mir gesagt.
Hmh, und was habe ich von meiner Mutter?
Es ist schwierig mit jemanden zu reden, der das nicht kennt, habe ich schon oft bemerkt. Es ist auch verständlich, man hört zu, kann es aber nicht einordnen. So bleibt mir wie so oft nur alles wieder mit mir selbst auszumachen. Ich habe meinem Mann nicht erzählt, dass ich den Kontakt zu meiner Mutter eingestellt habe. Auch meinen Geschwistern und meinem Stiefvater habe ich nichts erzählt. Warum? Vermutlich habe ich Angst vor der eigenen Courage und befürchte mich wieder nur rechtfertigen zu müssen. Oder weil ich einfach nichts erzähle und für mich behalte. Da werde ich dann wieder als komisch und eigenartig eingestuft...
Warum erzählst Du Deinem Mann nicht Deine Geschichte?
Wie gehst Du mit den ganzen Erinnerungen um, was hilft Dir?
Ich würde mich freuen von Deinen Erfahrungen zu lesen.
Liebe Grüsse!