Beiträge von Hanseat

    Ich kann wirklich nicht von besonderen Triggern berichten. Es hatte sich auch nichts aufgestaut oder angeschlichen. Als ich an dem Sonntag aufgestanden bin, hätte ich es nie für möglich gehalten, daß ein Rückfall ansteht, das war nicht vorherzusehen. Für mich kam das wie aus heiterem Himmel.

    Zu meinem Notfallkoffer: Ich hätte vielleicht noch hier im Forum schreiben oder einen Kumpel anrufen können. Aber das wollte ich offenbar nicht mehr, da war ich wie gelähmt.

    Die Einladung in den erweiterten Bereich nehme ich gerne an. Ich bräuchte aber mal einen Link, irgendwie finde ich den nicht.

    So, nun habe ich etwas Abstand und einen einigermaßen klaren Kopf, dann versuche ich es mal, von meinem Rückfall zu erzählen.

    Es war Sonntag, eigentlich war alles in Ordnung, ich hatte mich noch mit einer alten Klassenkameradin getroffen, wir waren Kaffee trinken, es ging mir gut. Dann habe ich später noch einen Beitrag hier im Forum gelassen, um zu schreiben, daß ich die Idee mit der Liste der Anlaufstellen gut finde. Es war ein ganz normaler Sonntag, allerdings war es ziemlich heiß, ich hab geschwitzt in der Wohnung, und dann hat sich das irgendwie hochgeschaukelt. Plötzlich war ein unbändiges Verlangen da, einen eiskalten Wodka-Lemon zu trinken. Ich hab dann mein Notfallprogramm abgespult, gut gegessen, bestimmt drei Flaschen Sprudel getrunken, aber der Wunsch ging nicht wieder weg. Dreimal hab ich Schuhe an- und wieder ausgezogen, mehrfach laut "Nein!" gebrüllt, aber irgendwann war ich über der Klippe, der Gang zum Kiosk lief dann wie auf Autopilot. Ich habe mich auch gar keinen Illusionen hingegeben, daß zwei Dosen reichen könnten, ich hab mir gleich vier gekauft, damit ich mal ordentlich was hab. Es ist natürlich nicht bei den vier Dosen geblieben.

    Die Details möchte ich nicht erzählen, die sind vielleicht auch nicht so wichtig, aber zweimal war ich während des Rückfalls soweit, daß ich schon wieder rasiert war und die Bude geputzt hatte. Dann hab ich doch wieder weitergesoffen. Ich glaube, nach der ersten Pause dachte ich, also, wenn du schon trinken willst, dann mache es jetzt. Das war eher so ein pubertärer Trotz- und Abenteuergedanke. Dann kam die zweite Pause, wieder rasiert und alles aufgeräumt, und jetzt war es Verlangen und Verzweiflung, ich hatte mich nicht mehr im Griff und bin wieder wie ferngesteuert zum Kiosk losgezogen. Letztendlich habe ich nicht bis zum absoluten Exzeß durchgezogen, wie ich es sonst immer getan habe, diesmal habe ich irgendwann die Notbremse gezogen und noch die Reste langsam weggeschluckt und dann aufgehört. Das war so schwer, daß ich es kaum beschreiben kann, aber ich habe es irgendwie geschafft. Obwohl ich blau war wie tausend Matrosen, hat irgendwie die Vernunft sich durchgesetzt. Ich hab natürlich auch an Euch und dieses Forum gedacht.

    Meine größte Sorge ist, daß der ganze Zirkus jetzt wieder von vorne losgeht. Ich habe aber die Hoffnung, daß ich im letzten Jahr viel gelernt habe und daß ich das Gelernte jetzt anwenden kann. Ich weiß, wie man nüchtern lebt; ich weiß, daß das nüchterne Leben schön ist. Ich fange nicht wieder bei null an. Danke auch an Carl Friedrich für die aufbauenden Worte.

    Am meisten interessiert mich jetzt natürlich, was ich vielleicht in der Zukunft noch etwas besser machen kann. Ich war ja gut und habe schon einiges richtig gemacht, aber ich hatte diesem Saufdruck irgendwann am Ende einfach nichts mehr entgegenzusetzen. Ich will gar keine langen Vorträge schreiben und bin einfach auf Eure Vorschläge gespannt. Vielleicht gehört noch irgendwas in meinen Notfallkoffer, das ich bisher übersehen habe?

    Mein Hausarzt ist nun leider in den wohlverdienten Ruhestand gegangen, den neuen habe ich schon kennengelernt und ihm auch gleich von meiner Alkoholgeschichte erzählt. Aber einen Termin zu bekommen, ist dieser Tage wirklich schwer geworden. Ich habe jetzt einen für Mitte September. Uff. Ich hätte sicherlich einen auf Notfall machen können, aber es ist ja keiner. Der Entzug ist jetzt, nach einer Woche, durch. Die Entgiftung wird sich noch ein paar Tage ziehen, das weiß ich, aber ich will keine Medikamente und brauche auch keine. Ich gehe also im September hin, mache an der Stelle aber jetzt erstmal nichts. Wie seht Ihr das?

    Ich habe meinen Hausarzt noch nicht erreicht und bin noch immer dabei, meine Gedanken zu sortieren. Allerdings war ich jetzt beim Zahnarzt, die neuen Zähne sind drin und sehen toll aus. Ich werde noch ausführlicher erzählen und habe selbst ein paar Fragen. Gib mir noch ein paar Tage Zeit, Hartmut. Es geht mir jetzt erstmal soweit ganz gut. Ich arbeite seit gestern auch wieder.

    Wollte nur kurz Meldung geben, daß der Rückfall jetzt nach zwei erfolglosen Versuchen endlich gestoppt ist. Vier Tage nüchtern. Es geht mir körperlich gut, bin aber natürlich demoralisiert und psychisch ziemlich am Boden. Im Moment putze ich die Wohnung wie ein Blöder und powere mich aus, das tut mir gut. Montag mache ich gleich einen Termin beim Hausarzt. Dann sehen wir weiter.

    Bis dann, und auch vielen Dank für die mitfühlenden Zuschriften, sie bedeuten mir sehr viel.

    Liebe Nika,

    ich hatte gerade einen Rückfall. Eigentlich wollte ich das hier ehrlich hier beichten, aber dann habe ich Deinen Beitrag gelesen und dachte mir, nee, das kannste nicht bringen. Ich wollte nicht demotivieren. Ich fühle mich gerade richtig scheiße, und ich kann Dir nur den guten Rat geben: Tu das bitte nicht. Bitte begehe nicht den gleichen Fehler wie ich. Mach irgendwas, schmeiß Dich aufs Rad, geh zur Arbeit, wenn niemand mit Dir rechnet, geh in die Muckibude oder geh mal schwimmen, aber bitte saufe nicht. Du wirst es bereuen, das schwöre ich Dir!

    Ich möchte auch die Mod. bitten, meinen Account vorübergehend zu sperren. Zu groß ist die Gefahr, daß ich irgendwas schreibe, das mir hinterher leid tut.

    Aber Nika, saufe nicht!

    Grüße,

    H.

    Ich war ja nur drei Tage auf Sylt, aber da mußte ich mir auch überall diese fröhlichen Aperol-Runden angucken. Schöne, glückliche, wohlhabende Menschen, die sich mittags schon mal einen gönnen und ihren Alkoholkonsum im Griff zu haben scheinen -- so sieht es jedenfalls von außen aus, man sieht ja immer nur die Fassade. Ich mußte schon dauernd hingucken und war vielleicht auch ein bißchen getriggert, aber ich war nicht ein einzigesmal so weit, daß ich dachte, jetzt saufe ich einfach mit.

    Mir hat es auch sehr geholfen, daß mein Kumpel, mit dem ich unterwegs war, weiß, daß ich Alki bin. Der hat gut auf mich aufgepaßt und bei jedem Bier für sich um Erlaubnis gebeten. Den habe ich mir also schon gut dressiert und abgerichtet. ;) Er hat sich ja auch nicht vollaufen lassen, es war alles gut und okay für mich.

    Ist denn Dein Sohn eingeweiht, Nika? Hat er Dir geholfen, nüchtern zu bleiben?

    "Sehr geholfen hat mir immer der Gedanke und was dann? Was machst nach einem Glas, klar weitertrinken, weil du nie stoppen kannst, und dann?"

    Bei Nathalie-Stüben nennt sich das "Splitscreen-Technik". Stell Dir vor, wie der Abend a) verläuft, wenn Du nichts trinks, und b) wie er endet, wenn Du abstürzt.

    Hartmut ist ja dagegen, aber ich finde das eigentlich auch manchmal ganz hilfreich, sich vor Augen zu führen, wie ein Rückfall vermutlich enden würde: ganz und gar nicht schön.

    Für mich ist Urlaub immer noch ein heikles Thema. Irgendwo alleine hinfliegen, wo mich niemand kennt, da hätte ich schon Bock drauf, aber so völlig ohne soziale Kontrolle ist das schon gefährlich. Vorerst lasse ich das lieber und mach lieber mal ein paar Besuche bei Verwandten und Freunden.

    Eine erste gute Maßnahme bei Saufdruck ist erstmal ordentlich Wasser trinken und eine Viertelstunde warten, dann ist der Spuk meistens schon wieder vorbei. Manche trinken Wasser ohne und manche mit Sprudel, ich mag Sprudel ganz gerne, aber das kann jeder halten wie ein Dachdecker. Wichtig ist erstmal viel trinken. Dann evtl. noch gucken, ob man vielleicht Hunger hat.

    Wenn dann immer noch alles doof ist: Umfeld wechseln. Manchmal reicht es schon, nur in ein anderes Zimmer zu gehen, sonst: Im Park ist es ja auch ganz schön, wenn man nicht so einen vollgemüllten, drogenverseuchten Asi-Park um die Ecke hat wie ich.

    Den meisten Alkoholkranken sieht man die Krankheit nicht an. Sicher gibt es die ganz harten Fälle, die man von der Straße kennt und die das Bild des Alkoholikers prägen. Die Alkis, das sind eben nicht nur die, die auf der Parkbank pennen, sondern ganz überwiegend Leute, die nach außen die Fassade eines funktionierenden Menschen aufrechterhalten, aber innerlich kurz vorm Zerbrechen sind.

    Wenn ich an meine Reha zurückdenke: Die Leute sahen eigentlich alle ziemlich normal aus, bei keinem von denen hätte ich jetzt nur aufgrund des Äußeren gesagt, der ist garantiert ein Alki.

    Wenn man dann wirklich obdachlos oder äußerlich verwahrlost ist, sind schon einige Dämme gebrochen. Wichtig ist es ja, die Krankheit zu stoppen, bevor es soweit kommt.

    Für mich war klar, daß ich Alki bin, als ich gemerkt habe, daß ich das Trinken nicht kontrollieren kann. Aus zwei Bier sind regelmäßig 20 oder 30 Bier geworden. Wenn die Arbeit unter Fehlzeiten leidet, dann ist es eigentlich schon fünf nach zwölf und höchste Eisenbahn für professionelle Hilfe.

    EDIT:

    Jetzt habe ich gerade mal zur Schnapsnase gegoogelt, die hat sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Wiki weiß eben alles. Wie ich mir gedacht habe, ist die kein sicheres Zeichen für übermäßigen Alkoholmißbrauch. Also, mit optischen Einordnungen wäre ich eher vorsichtig.

    Die Leute in der Reha hatten auch nicht überdurchschnittlich viele Bierbäuche, wie man vielleicht vermuten würde, die waren insgesamt eher normalgewichtig, brachten also weniger auf die Waage als der Bevölkerungsdurchschnitt. Und auch der Bierbauch, man ahnt es schon, kommt nicht immer vom Bier. Sehr oft ist der nur das Resultat von Büroarbeit, wenig Sport und schlechter Ernährung.

    Ich will hier nicht unbedingt Werbung fürs Dampfen machen, aber ich denke, hier lesen eh keine Kinder und Jugendlichen mit. Also, liebe Leute, klar, es ist immer am besten, ganz mit dem Rauchen und auch mit dem Dampfen aufzuhören. Für Leute aber, die es nicht schaffen, von den Zigaretten zu lassen, kann das Dampfen eine sinnvolle Alternative sein.

    Ja, Elly, das verstößt gegen meine Prinzipien: kein Fluchtweg, kein Erscheinen. Vielleicht werde ich das in ferner Zukunft mal etwas gelassener sehen, aber im Moment ist mir das zu heikel, zumal die Anwesenden da nicht über mein Problem informiert sind und mich bestimmt zum Mittrinken animieren würden.

    Ein paar andere News: Bisher bin ich konsequent bei der E-Pfeife geblieben, ich merke tatsächlich nach wenigen Tagen schon einen großen Unterschied, was die Atemwege und die Puste angeht, ich fühle mich allgemein besser und fitter.

    Außerdem werden heute die neuen Beißerchen anprobiert, danach gehen sie dann nochmal zur Änderungsschneiderei, und in zehn Tagen sollen sie eingesetzt werden, dann habe ich das endlich hinter mir und kann wieder mein schönstes Lächeln zeigen. Ich muß allerdings sagen, das Provisorium sieht top aus, da hat sich in den letzten Jahren auch einiges an Entwicklung getan.

    Dieses Jahr findet das Sommerfest der Firma wieder auf einem Boot statt. Ist bestimmt schön, über die Elbe zu schippern, und ich wäre eigentlich auch gerne dabei, mir Hamburg von der Wasserseite aus anzusehen, das ist ja immer ein Erlebnis.

    Aber wie das bei einem Schiff eben so ist, da gibt es keine Fluchtroute, wenn es mir zu kritisch werden sollte. Also werde ich wohl nicht teilnehmen.

    So, gestern war das etwas weniger seriöse Grillen mit meinen alten Kumpels aus meiner Kleinstadt, die ich zum Teil seit 30 Jahren nicht gesehen habe. Ich hab alles richtig gemacht, bin früh gekommen, hab mich über die Salate hergemacht, und bin früh mit Taxi und Bahn wieder abgehauen. Diesmal ist die Bahn dankenswerterweise wirklich bis nach Hamburg gefahren, beim letztenmal mußte ich die halbe Strecke auch noch mit dem Taxi fahren.

    Es war einerseits schön, alte Gesichter wiederzusehen, andererseits stand der Alkohol schon sehr zwischen mir und den anderen. Es war gut, daß ich früh abgehauen bin. Als das Taxi kam, hatte der Gastgeber schon gut einen sitzen.

    Ach ja, ich bin jetzt Tag 3 an der E-Dampfe. Auch gestern beim Grillen nur elektrisch gedampft. Es ist ein Kompromiß, aber wenn ich es schon nicht schaffe, ganz mit dem Rauchen aufzuhören, dann wird elektrisch wohl besser sein als dieser elende Stinketabak.

    Das habe ich hier auch zum ersten Mal gelesen. Was ich alles beim Zahnarzt ausgehalten habe. Ich bin nie im Leben auf die Idee gekommen, dass das vom Saufen kommt. Es hat auch immer ewig gedauert, bis es wenigstens etwas gewirkt hat.

    Hm, darüber haben wir uns aber schon öfter unterhalten. Bei allem, was mit Betäubungen zu tun hat, sollte man immer dem Arzt sagen, daß man eine Alkoholkarriere hinter sich hat. Beim Zahnarzt kann das schon einen wichtigen Unterschied machen.

    Ja, ich hab heute auch mehrfach die Hand gehoben und um Nachschlag gebeten. Mein Arzt ist dann immer sehr großzügig mit der Spritze.

    Danke auch für Deine Grüße, Hartmut. Auch wenn es nicht immer alles ganz rund lief mit uns -- wer weiß, vielleicht bin ich ja gar nicht immer so einfach, wie ich dachte --, freue ich mich, daß Du Dich meldest. Alles gut. Ich bin immer noch gerne hier.

    Keine Sorge, Carl Friedrich, das eine Grillen ist superseriös mit Ärzte-Ehepaar, da wird gar nichts getrunken. Das zweite Grillen, ja das wird wohl etwas heftiger im Anschluß, da komme ich nachmittags und mach spätestens um 8 Uhr abends die Biege. Man ist ja autonom. 8)

    Ja, ich freue mich auch auf die neuen Beißerchen. Ich lasse gleich alles machen, auch das, was mir mein Zahnarzt seit 15 Jahren empfiehlt. Ich finde, das paßt sogar ganz gut mit den Zahnarztterminen zum Jubiläum, auch wenn sie furchtbar sind: Ich kümmere mich wieder um mich selbst.

    Ich bin diese Woche gleich zweimal zum Grillen eingeladen, da kann ich das Feiern noch nachholen.

    Ist auch so 'ne Sache: Ich werde wieder eingeladen. Läuft.