Hallo Forum,
angemeldet bin ich schon lange, ich glaube seit ca. 6 Jahren. Geschrieben hab ich glaube ich noch nie, mitgelesen wenig. Jetzt ist es an der Zeit zumindest das Erste zu ändern, um vielleicht häufiger das Zweite zu tun.
Der Satz "Ich bin Alkoholiker" kam in den letzten Jahren schon manchmal- selten- aus meinem Mund. Gedacht habe ihn ihn öfter, aber so richtig fühle ich ihn erst jetzt. Und ich muss ihn gleich wieder abändern. In: "Ich bin suchtkrank".
Doch zunächst ein wenig zu meiner Geschichte:
Angefangen mit dem Trinken habe ich mit 18. Damals war es wie eine Offenbarung, ich konnte mich plötzlich spüren und hatte auch das Gefühl, dass mich erst mit dem Alkohol andere Leute anfingen zu spüren.
Bei mir gab es kein schleichend. Ich bin gleich voll eingestiegen. Fast jeden Tag besoffen, teilweise zwei/drei Tage hintereinander. Je doller desto besser. Und dann auch gleich die abenteuerlichsten Nebenwirkungen: Stress mit den Bullen, Randale, Schlägerei, hochriskante Aktionen...Kontrollverlust, Knast. Ich kam mir wie der König der Welt vor.
Natürlich hab ich auch recht schnell die Drogen entdeckt, am besten haben mir die aufpeitschenden gefallen, allen voran Speed und XTC. Die kamen dann "flankierend" hinzu.
Eigentlich bin ich schüchtern, ruhig, zögerlich und ziemlich harmoniebedürftig. Aber mein innerer Bukowski trieb mich an, mich immer wieder selbst zu übertreffen. Kein Grenze die nicht überschritten werden musste, jede vermeintliche Einschränkung eine Herausforderung sie nicht einzuhalten.
Naja.
Irgendwie, im ausnüchternden Zustand hatte ich schon ganz früh das Gefühl, dass das nicht gut ist und dass ich aufhören sollte. Ich habe mal einen Zettel geschrieben mit Lebenszielen: Darauf unter anderem: kein Alkohol, kein Nikotin, kein Fleisch. Das war mit 19.
Ich wollte schon immer nicht so viel trinken. Meine seelischen Zustände waren im Rausch immer unaushaltbarer. Für alle Beteiligten. Geschrei, Selbstmordfantasien, absolut negativ-aggressives Gefasel. Dazu kam, dass ich wohl betrunken immer noch irgendeine morbide Anziehungskraft hatte, die Leute haben jedenfalls zugehört wenn mein schwarzer Strudel zu sprechen begann. Das hat mir dann eine eklige Selbstbestätigung gegeben.
Es gab so viele Versuche weniger zu trinken. Ich habe es nie geschafft. Ernsthaft: ich kann mich an kein einziges Mal erinnern, wo das "naja, nur ein oder zwei Bier" mal geklappt hätte. Wenn einmal die Schleusen offen waren, gab es kein Halten.
Das hat sich dann so hingezogen. Rein mengenmäßig wurde es tatsächlich über die Jahre weniger. Von täglich zu ca. zwei Mal pro Woche. Aber den Kater mit eingerechnet, der ja Minimum einen Tag dauert, waren das immer noch 4 Tage die Woche, die vom Alkohol bestimmt waren.
Dann gab es eine ganz fürchterliche Nacht. Da war ich 34. Die Details will ich hier nicht reinschreiben, aber es war so grauenhaft, dass ich dann einfach nicht mehr wollte. Ich hab aufgehört zu trinken. Das war vor 5 Jahren. Seitdem hatte ich 3 Rückfälle, wobei der letzte etwa seit einem Jahr "geplant" war, sowohl in Start, Ende und Umfang.
In den letzten 5 Jahren habe ich meine Sucht auf Speed verlagert. Das habe ich nicht gemerkt, der Begriff Suchtverlagerung war mir zwar bekannt, aber natürlich traf er nicht auf mich zu. Ich habe mir da selbst als wunderbares Beispiel des Selbstbetrugs dienen können.
Es gab einen 3 Wochen Rhythmus. Den habe ich weitgehend einhalten können, mal war es kürzer, aber oft auch länger, ich hatte teilweise monatelange Konsumpausen, vor allem am Jahresanfang. Trotzdem habe ich mich immer auf den Rausch gefreut. Die Zeit der Nüchternheit war dazu da, um die Zeit für den nächsten Rausch rumzukriegen und den Rausch damit zu legitimieren.
Ich bin seit einem Jahr in Therapie. Nicht wegen der Suchtproblematik, die habe ich vor einem Jahr ja nicht als solche empfunden. Ich habe starke Borderline und Schizoide Anteile. Ich will Menschen um mich und will sie gleichzeitig nicht da haben, dass in Kürze dazu.
Irgendwann fragte meine Therapeutin was ich im Rausch zu finden versuche. Meine Antwort war: mein optimales Ich. Das hat sie zu einer ziemlich deutlichen Aussage bewegt, nämlich, dass das ja wohl eine ziemliche Scheiße sei, mein optimales Ich sei ja bitteschön die ganze Zeit über da und wenn ich nur berauscht so sein könne, brächte eine Therapie nichts.
Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich hab mich natürlich auf den Schlips getreten gefühlt, schließlich dachte ich ja, das das alles nicht mehr auf mich zuträfe, ich trinke schließlich nicht mehr (bis auf die Rückfälle) und mein Amphetaminkonsum ist ja wohl kontrolliert.
Irgendwann hat es dann Klick gemacht. Es kam die Erkenntnis: ich bin suchtkrank. Und zwar immer. Nicht nur ein bisschen, nicht nur hin und wieder, sondern immer. Auch wenn ich lange nüchtern bin, es kommt nicht auf die Menge an. Ich kann nichts kontrollieren, was ich nicht kontrollieren kann.
Und es gibt für mich nur eine Lösung: Abstinenz.
So.
Und nun bin ich schlussendlich hier, schreibe diese Geschichte und stehe vor einem Anfang. Ich will endlich drei Kreuze auf meinen Lebenszielzettel machen. Irgendwie fühlt es sich gut an, aber ich habe auch Angst. Angst es nicht zu schaffen, Angst etwas zu verlieren, denn mein Sucht-Ich kann viele Sachen die ich -noch- nicht kann. Die muss ich mir nun beibringen. Oder auch nicht, ich bin auch ohne diese Fähigkeiten ein wertvoller Mensch.
Das muss jetzt vom Hirn ins Herz.
Danke fürs Lesen.