Liebe Tardis,
du hast in deinem Eingangspost geschrieben, dass du selbst in einem Alkoholiker-Haushalt aufgewachsen bist und das für deine Kinder nicht möchtest und du hoffst, dass alles wieder gut wird. Warte nicht darauf, dass ES VON SELBST wieder gut wird, sondern mach es selbst gut...für dich und deine 3 Kinder. So hart es ist - die Wahrscheinlichkeit, dass dein Mann dazu beitragen wird, ist verschwindend gering.
Ich kenne diese nicht enden wollende Hoffnung. Bei mir hat nur geholfen die Entscheidung zu treffen, dass ich meine Hoffnung aktiv aufgebe und ihr keinen Raum mehr lasse. Es hat eine Weile gedauert, bis das wirklich gegriffen hat. Aber es hat! Gott sei Dank!
Ich glaube nicht, dass es Liebe ist, die dich noch bei deinem Mann hält. Es fühlt sich wahrscheinlich im Angesicht des Verlustes so an. Vielleicht ist es eher die Angst vor dem Trennungsschmerz, die Angst vor dem Alleinsein und der Unwille euren Kindern zuzumuten, dass eure Familie gescheitert ist. Ich habe mit all meiner Kraft versucht uns als Familie zusammenzuhalten, weil ich unbedingt wollte, dass unsere Kinder keine Scheidungskinder werden. Ich habe dabei völlig übersehen, was es für sie bedeutet weiterhin in einem Umfeld zu bleiben, indem sie andauernd abchecken, wie gerade der psychische Zustand und die Laune des Vaters sind und in dem sie spüren, dass ihre Mutter täglich weit über ihre Grenzen geht, dauerangespannt und zutiefst unglücklich ist. Heute bin ich wieder ziemlich ausgeglichen, schlafe gut, kann meinen Kindern ohne Überbelastung eine verlässliche und sichere Mama sein. Ich bin wieder viel stärker und sie können bei mir so sein, wie sie sind. Dabei ist unsere Trennung erst ein halbes Jahr her. Bei ihrem Vater können sie das nach wie vor nicht. Denn er hat nichts verändert. Wird er wahrscheinlich auf lange Sicht auch nicht.
Du wirst deinen Mann zu keiner Einsicht bewegen können, wenn er das nicht will. Er hat - wie es scheint - auch keine Motivation dafür, denn er sieht eure Ehe nicht mehr erfüllend, sondern nur noch als Zweckgemeinschaft. Manchmal verlieren sich Paare über die Jahre einfach - egal ob mit oder ohne Alkohol. Der Alkohol hat in eurem Fall bestimmt dazu beigetragen, aber vermutlich nicht nur.
Schon seit 6 Jahren sagt er jetzt, dass er mich gar nicht mehr will, ich ihm als Frau egal bin, unsere Ehe nur noch eine Zweckgemeinschaft sei..usw..
aber wenn dem so wäre, warum ist er dann noch da?
6 Jahre sind eine lange Zeit, in der du dir von deinem Mann sagen lässt, dass du ihm egal bist. Warum er noch da ist? Vielleicht fällt es ihm genauso schwer wie dir einen Schlussstrich zu ziehen. Vielleicht hätte er im Außen sein Ansehen zu verlieren, wenn er seine Familie verlässt, vielleicht ist es bequem den Haushalt geführt zu bekommen, vielleicht wäre eine Trennung für ihn eine finanzielle Herausforderung, die er nicht stemmen will oder kann....es gibt viele Gründe zu bleiben und keiner der Gründe muss Liebe sein. Leider. Leider ziehen viele Menschen eine vertraute besch... Situation einer ungewissen Veränderung vor.
Ich bin seit Monaten auf der Warteliste für eine Psychotherapie. Ich leide seit Jahren unter Depressionen und immer stärker werdenden Ängsten.
Manchmal denke ich, vieles davon (nein, nicht alles) habe ich auch der Ehe mit diesem Mann zu verdanken.
Das halte ich für sehr realistisch. Auch ich wurde am Ende noch mit einer netten Depression belohnt - bzw. was heißt am Ende - Anzeichen hatte ich schon länger, ich habe sie nur einfach ignoriert, weil ich dachte, ich müsse funktionieren und weiterhin alles zusammenhalten. Ich war wie im Hamsterrad gefangen. Wie willst du in einem kranken Umfeld gesund werden, wenn die Belastung nicht verschwindet. Wenn du nur darauf pokerst und hoffst, dass dein Mann die große Veränderung herbeiführt, indem er einsichtig und trocken wird, bleibst du ewig von ihm abhängig.
Aber wahrscheinlich habe ich mir das ganz unbewußt so ausgesucht, wenn ich an die Ehe meiner Eltern zurück denke.
Das ist leicht möglich. Aber nun ist es nicht mehr unbewusst. Es ist dir bewusst geworden. Was dir bewusst ist, kannst du beeinflussen und verändern. Vielleicht bist du Mama einer Tochter. Du kannst ihr nun vorleben, dass du einen Kreislauf durchbrichst, wenn du aus dieser unglücklichen Ehe aussteigst. Du kannst ihr vorleben, dass du das Recht hast wieder glücklich zu sein und dass du alles dafür tust, um es wieder zu werden. Vielleicht bist du Mama eines Sohnes und lebst ihm vor, dass Männer Frauen nicht so respektlos behandeln dürfen - die Schwiegertochter wird es dir eines Tages danken. Als dreifache Mama ist dir vielleicht schon einmal das Zitat "Wir brauchen unsere Kinder nicht erziehen. Sie machen uns ohnehin alles nach." untergekommen. Du kannst vieles bewirken und du kannst dem, was du aus der Ehe deiner Eltern bisher unbewusst wiederholt hast, eine Wendung geben. Für dich. Für deine Kinder und deren Kinder.
Du bist so viel mehr wert, als dass du in einer dauerhaft unglücklichen und krankmachenden Situation verharrst! Warte nicht darauf, dass sich dein Mann verändert. Verändere, was du für dich und deine Kinder verändern kannst. Vielleicht ist der erste Schritt sich einfach einmal rechtlich beraten zu lassen.
Konzentriere deine Hoffnung auf dich und nicht mehr auf ihn!
LG, Saphira