Liebe Pinie,
Du bist in einer sehr unangenehmen Situation. Mich wundert etwas, dass Dein Vater erst nach Deinem Gespräch mit ihm auf das Problem kommt. Wenn jemand wie Deine Mutter mehrfach über den Tag in den Keller geht, dann riecht sie doch auch danach oder merkt Dein Vater so etwas nicht? Oder macht sie es (noch) nicht jeden Tag?
Tust Du auch etwas für Dich, für Deine Kräfte und emotionale Stabilität ? Hast Du Freunde, denen Du vertrauen kannst, Ziele für Dein Leben, auf die Du Dich konzentrieren kannst? Außer natürlich, dass es Deiner Mutter gesundheitlich wieder richtig gut und normal geht, aber darauf hast Du als Angehöriger leider wenig Einfluss.
Deine Wut auf alles, was mit Alkohol verknüpft ist, kann ich sehr gut verstehen. Ging mir damals auch so. Ich war allerdings Ehefrau eines alkoholkranken Mannes. Er ist letztlich an seiner Krankheit gestorben.
Genau wie Du habe ich nach einiger Zeit einen Verdacht entwickelt, der zur bestätigten Sorge wurde, die ich ihm natürlich auch gesagt habe. Und am Anfang habe ich ihm hinterhergelauert und im Haushalt die Alkoholbestandsmengen gesucht und vor Wut die aufgefundenen Bestände weggegossen. Was natürlich prompt ersetzt wurde.
ich weiß noch eine Szene, als wir uns um den Alkohol gestritten haben: Seine Flasche, die er angebrochen hatte, war unter dem Couchtisch. Ich habe sie ihm wegnehmen und wegschütten wollen. Aber damals war sein Reaktionsvermögen noch sehr gut. Er war schneller und hat das Zeug so fest umklammert - als ob ich ihm sein Herz rausreißen wollte. "Lass mich, das ist meine Sache!"
Tja, so sehen es Alkoholkranke. Es ist nach ihrer Wahrnehmung nur ihre Sache. Was das Gift hinunterschlucken betrifft, stimmt es ja auch. Mein Mann hat ein paar Entgiftungen im Krankenhaus gemacht und erst relativ spät mal eine Langzeittherapie. Aber da hatte er sich mit dem Zeug schon zu sehr zerstört, so dass es letztlich nicht von Erfolg gekrönt war.
Ich denke wie meine Vorredner, dass Du Deine Mutter in einer ruhigen Phase ansprechen solltest und ihr Deine Sorge um sie mitteilst. Als Entlastung für Dich, dass Deine in Dir getragene Botschaft an sie herauskommen kann und als Impuls für sie, der sie vielleicht zum Nachdenken bringt.
Vielleicht kannst Du Dich auch mit Deinem Vater besprechen, welche Grenzen Ihr für Euch jeweils habt und wie Ihr im Umgang mit Deiner Mutter an einem Strang ziehen könnt?
Hast Du in Deiner örtlichen Umgebung vielleicht Beratungsstellen, die Du ( vielleicht mit Deinem Vater zusammen?) als betroffene Angehörige aufsuchen Kannst?
ich wünsche Dir viel Kraft und finde es sehr liebevoll für Deine Mutter von Dir, dass Du etwas für Euch alle tun möchtest.
Mit dem kurzen Einblick in mein Erleben möchte ich aufzeigen, dass es zur Krankheit gehört, wenn Deine Mutter lange leugnet, abstreitet, alles kleinredet und evtl. noch stärker körperlich von der Krankheit betroffen sein muss, bevor sie die Kraft aufbringt, sich von der Krankheit lösen zu wollen. Alkoholabhängigkeit ist so stark, davon kann man sich meiner Meinung nach keinen Begriff machen, solange man nicht selbst unmittelbar betroffen ist.
Alle Gute für Dich!
9Leben