Hallo Maeron,
Es ist tatsächlich bei mir auch so, das ich es eigentlich alles gar nicht so richtig wahrhaben will, wobei dieser Gedanke und das Gefühl dazu tagesaktuell schwankt.
ich kann dich da gut verstehen, meine Frau sagte vor kurzem erst zu mir, "ich sehe dich eigentlich gar nicht so richtig als Alkoholiker" und es braucht Zeit, sich das selber eingestehen. Gerade eben verbunden mit der Stigmatisierung, die mit dem Wort dahergeht und den (gefühlten) gesellschaftlichen "Einschränkungen" (die man sich anfänglich sowieso größtenteils nur selber einredet).
Man versucht sich mit anderen zu vergleichen, nach dem Motto: der/die trinken viel mehr als ich und das sind doch auch keine Alkoholiker (aber weiß man's denn genau, wie es in demjenigen aussieht
Und ja, man kann auch darüber lange streiten, wo hört das "kleine Alkoholproblem" auf und wo fängt die "echte Alkoholabhängigkeit" an.
Und irgendwo verläuft ja die Sucht meistens schleichend und ich denke, da gibt's x Typen bzw. Stadien/ Abschnitte.
Ist der schon Alkoholiker, der am Tag seine 2 Feierabendbierchen zum Abend trinkt oder der, der aller 4 Wochen sein System zum Absturz bringen muss oder...oder...?
Bei mir war jedenfalls schon sehr lange ein Gefühl/ Stimme in mir, die sagte, irgendwas läuft bei dir falsch, irgendwas stimmt nicht so ganz. Man hat dieses Gefühl/Stimme jahrelang überhört, verdrängt, später "ertränkt" bis man dann irgenwann an sich selber eine Bankrotterklärung abgegeben hat. Bei mir waren die Kollateralschäden zum Glück nicht ganz so groß, aber ich würde schon was dafür geben, wenn man mit jetzigen Kenntnisstand nochmal am Anfang stände.
...Ja im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer und vielleicht würde man die selben Fehler wieder machen oder einfach anders alles vergeigen.
Aber ich finde es total gut, dass du dich in deinem "Stadium" hinterfragst.
Und wie du schreibst, ist es ja für dich auch nicht einfach, die Tage bis jetzt ohne Alkohol auszukommen. Klar da ist auch der Gedanke "NIE wieder Alkohol" und das wirkt vielleicht auch recht abschreckend. Und das gesellschaftliche Umfeld kommt ja auch locker leicht mit alltäglicher und wochenendlicher Feierlaune daher, da ist der Geburtstag, das Fest, die Feier und entspannen will ich mich natürlich auch mal...
Man hat halt das Gefühl, man gibt etwas her, was im Moment noch sehr nützlich erscheint, was Spaß macht, aber was in vielen Sachen schon der Motor geworden ist, und eigentlich nötig erscheint, um in der Gesellschaft nicht als Außenseiter dazustehen, aber was einem schon langsam etwas Sorgen macht.
Wenn man mal zurückdenkt, hatte man früher als Jugendlicher eigentlich nie ein Problem, Tage bzw. wochenlang keinen Alkohol zu trinken oder musste darüber nachdenken, wie man trinkt, wie oft, wieviel.
Oder wenn es als Jugendlicher schon Probleme bereitet hat, dann eben als Kind.
Ich finde, das war die Zeit, wo man noch wirklich frei war.
Aus meiner Sicht bzw. wie ich das erlebe kommt mit dem Verzicht auch irgendwo was Neues, was Besseres wieder ins Leben. Man ist wieder mehr der, der man vielleicht früher mal war oder sein wollte, bevor man sich über die Jahre total "verbogen" hat.
Eine innere Ruhe, besserer Schlaf, so ne entspannte Klarheit, das Selbstvertrauen kehrt zurück, man kann auch mal wieder über sich selber lachen und man kann sagen, ich habe Situationen ohne Alkohol durchgestanden, was ich früher nie gekonnt hätte.
Und man würde eigentlich auch was "abgeben", was einem teilweise schon leicht Sorgen bereitet und wo der Ausgang (vielleicht) ungewiss ist.
Also wenn man den Verzicht sozusagen als Chance/Gewinn sieht, macht das vielleicht vieles einfacher.
VG René