Beiträge von Rennschnecke

    Du schreibst: „Im Rentenalter kann man sowas machen.“ Liest sich so , sei mir nicht böse.

    Ich bin Dir nicht böse. Ich weiß ja, worauf ich mich einlasse, wenn ich Dir widerspreche. Das mache ich nur, wenn ich gute Argumente UND gut gefrühstückt habe. 😉

    Aber ich habe eindeutig von mir geschrieben. ICH kann und möchte das im Rentenalter machen - wenn andere das schon vorher machen möchten, ist das ihre Sache.

    Und wenn man länger trocken ist, die Gerüchteküche schon lange keinen dampf mehr hat man schon 5 oder 10 Jahre trocken seine Arbeit macht und kein 🐓 mehr danach kräht und die Gefahr sehr gering ist wieder zu saufen, weil man sich kümmert und zufrieden trocken ist.....und dann??

    Manchmal liebäugele ich damit, vielleicht so zwei, drei Jahre vor der Rente anzufangen, mich innerbetrieblich für das Thema Suchtprävention zu engagieren (ist eine große Firma, aber da gibt es bisher nichts).

    Dann wärs einerseits wg. Der von mir befürchteten Risiken fast egal, andererseits hätte ich dann auch deutlich mehr Erfahrung als jetzt.

    Aber wie gesagt: Ich mache das, wenn ich mich damit ganz klar wohlfühle, nicht, um irgendwem was zu beweisen. Und das ist das Einzige, wozu ich in dieser Frage hier rate, wenn jemand noch unsicher ist.

    Wenn diese Menschen mal den Mund aufmachen würden, wäre das Bild von Alkoholismus ein anderes. Dann würde man erkennen Sucht hat nichts mit Aussehen zu tun. Nichts mit Status. Aber solange geschwiegen wird, bleibt das alte Bild bestehen. Und das hilft niemandem

    Auch mit Deiner charmanten Hartnäckigkeit bist Du mir ein Vorbild, Hartmut . 😉

    Ja, es stimmt, je mehr darüber gesprochen wird, desto eher ändert sich die allgemeine Wahrnehmung, wie man z. B. beim Thema Depression sehen kann.

    Aber: Wenn ich hier eines gelernt habe, dann, dass die Festigung meiner Abstinenz absoluten Vorrang für mich hat. Und das ist in der Anfangszeit ein ganz schönes Brett. Damit war und bin ich gut beschäftigt.

    Ich hüte mich, trotz unverkennbarer Co-Tendenzen, nebenbei noch die Welt um mich herum trockenlegen zu wollen. Auch als "Gewährsfrau" für Leute im Umfeld, die sich fragen, ob sie vielleicht schon süchtig sind, stehe ich nicht zur Verfügung.

    Und schon gar nicht treibt es mich gerade um, dem verbreiteten Bild vom Alkoholiker etwas entgegenzusetzen. Denn auch das habe ich durch meine Abstinenz gelernt: mit meinen Kräften zu haushalten.

    Dagegen kann ich mir gut vorstellen, im Rentenalter z. B. In Schulen zu gehen, meine Geschichte zu erzählen und mich damit präventiv zu engagieren. Das ist mir ein Anliegen, mehr noch als die Entstigmatisierung.

    Bei anderen mag das anders sein. Wenn sie sich zu Beginn ihrer Abstinenz mit absoluter Offenheit sicherer fühlen, ist doch alles gut. Aber zur Norm sollte es bitte nicht gemacht werden.

    Es gibt doch hier auch Langzeittrockene, die bis heute nicht jedem von ihrer Sucht erzählen. Scheint also auch zu funktionieren, und darauf kommt es für mich an.

    Vergangenen Donnerstag hat eine Psychologin gemeint, da ich ihr meine Ängste, Fragen...wegen dem outen anvertraut habe, ob ich überhaupt in die Klinik gehe oder es doch lasse.

    Hmmh. Ich erinnere mich gerade nicht mehr: Wie ist es denn bei Dir zu der Entscheidung für diese Art Reha gekommen? (Ich musste unbedingt mal raus aus dem Hamsterrad und mich neu sortieren, wollte aber keine Langzeitreha.)

    Du könntest ja ggf. auch eine ambulante Reha bei der Suchtberatung machen ( 1 Gruppentermin, ggf. abends, und ein Einzeltermin pro Woche).

    Der wichtigste Baustein fur meine Abstinenz ist sowieso dieses Forum, alles andere sind für mich mehr oder weniger hilfreiche Ergänzungen.

    Hallo Michl,

    nun möchte ich auch etwas dazu schreiben.

    Ich bin nach wie vor -trotz vieler Gegenargumente hier - der Meinung, dass man sich ein "Outing" am Arbeitsplatz gut überlegen sollte, wenn man noch die Wahl hat.

    Weil es sich eben auf der Arbeit nachteilig auswirken kann: z. B. durch Nichtberücksichtigung bei der Beförderung, bei geplantem Personalabbau, durch misstrauisches Beäugen bei jeder Krankmeldung (ist er wirklich krank oder trinkt er wieder?) Oder überhaupt bei der Arbeit (Können wir ihm dies oder jenes noch anvertrauen, wenn doch die allgemeine Rückfallquote so hoch ist?).

    Manche Alkoholiker neigen dann zur Selbstüberforderung, um allen zu beweisen, dass sie trotz der Suchtkrankheit noch wertvolle Arbeitskräfte sind. (Hab ich in meiner Gruppe vor Ort erlebt.)

    Morgenrot : Mir ist nicht ganz klar, was Suchtvereinbarung und betriebliche Suchtkrankenhelfer hier ergänzend tun können? Michl hat sich ja schon außerhalb des Betriebes Hilfe geholt und bald sogar schon einen Rehatermin. Und hattest Du nicht mal geschrieben, dass Dein Mann durch seine Offenheit auf der Arbeit eindeutige Nachteile hatte? Oder verwechsle ich da was?

    Michl : Theoretisch besteht keine Verpflichtung, den Grund einer Krankschreibung oder Reha offenzulegen (außer vielleicht bei bestimmten Berufsbildern mit besonderer Verantwortung, da kenne ich mich nicht aus). Praktisch ist es aber gar nicht so einfach. Gar nichts zu sagen, befeuert eher boch den Flurfunk.

    Ich habe aus den o. a. Erwägungen auf Nachfrage von Kollegen von einer psychosomatischen Reha gesprochen. Burnoutgefährdet war ich sowieso, auch das war offensichtlich. Ich hab also nicht direkt gelogen ( ist viel zu anstrengend), nur nicht die ganze Wahrheit gesagt, Alkoholsucht zählt ja auch zu den psychischen Erkrankungen.

    Aber: Dann wurde ich von Kollegen gefragt, wo es denn hingeht. Da konnte ich mich noch rausreden: kleines Kaff in Bundesland xy, kennt man nicht.

    Bei der Angabe von Klinikwünschen (hab meine 1. Wahl bekommen)hab ich darauf geachtet, dass die Klinik nicht nur Sucht behandelt und das Wort auch nicht im Namen trägt.

    Kaum in der Klinik angekommen, musste ich mir meine Ankunft und den tatsächlichen Start für den Arbeitgeber bescheinigen lassen - und siehe da, auf dem klinikeigenen Briefpapier war auch von Sucht die Rede.

    Da habe ich dann unter Verweis auf den Datenschutz um eine Bescheinigung auf neutralem Papier gebeten (die Rentenversicherung hatte auf ihrer Kostenzusage für den Arbeitgeber eine neutrale Formulierung benutzt).

    Dann ist auch noch zu bedenken, dass gut informierte Leute, z. B. Personaler, schon aus der geplanten Länge der Reha ihre Schlüsse ziehen können. Du machst zwar keine Langzeitreha, aber eine psychosomatische Reha ist ohne Verlängerung erst mal kürzer als 8 Wochen geplant.

    Damit wir uns nicht falsch verstehen: ich habe von Anfang auf der Arbeit (wenn z. B. Mal Sekt ausgeschenkt wird oder ein dienstliches Treffen mit anschließendem Restaurantbesuch ansteht) klar und bestimmt gesagt, dass ich keinen Alkohol mehr trinke, und auf Nachfrage gesundheitliche Gründe genannt. Inzwischen fragt keiner mehr und ich erkläre mich auch nicht mehr.

    Auch das mag den Flurfunk befeuern, aber sie haben es zumindest nicht "schriftlich*. Ich kann aber dadurch nicht mehr spontan "mal einen Schluck trinken", weil auch das dann auffallen und Nachfragen provozieren würde.

    Damit gibt es da kein Hintertürchen für mich, zumal solche Anlässe selten sind und ich sowieso meist mit dem Auto unterwegs bin.

    Entscheidend sollte DEIN Bauchgefühl sein: Womit fühlst DU Dich wohl und (gesundheitlich und finanziell) auf der sicheren Seite?

    (Ich kann mir für mich mit zunehmender Trockenheit immer mehr vorstellen, eines Tages, wenn die Rente in Sicht ist, am Arbeitsplatz offen mit der Sucht umzugehen - weil ich meinen Beitrag zum gesellschaftlichen Umdenken betr. Alltagsdroge Alkohol leisten möchte. Aber noch bin ich nicht so weit. und das ist ok für mich.)

    Allerdings weiß kein einziger meiner Ärzte von meiner Alkoholsucht.

    Auch wenn Dein damaliger Hausarzt sich offenbar mit Sucht nicht auskannte, Bibi:

    Deine Ärzte müssen davon wissen, weil unsere Hirnchemie betr. Schmerz- und Narkosemittel nie mehr "normal" funktionieren wird - weil die Sucht bis zum Lebensende bleibt.

    Außerdem hätte Dich Dein Arzt nicht zum Entzug nötigen können...

    Herzlich willkommen auch von mir, Bibi!

    Da hast Du ja einen tollen und vor allem konsequenten Start hingelegt - Respekt!

    Es freut mich auch, an Deinem Beispiel zu sehen, wie viel schon allein das stille Mitlesen im offenen Bereich dieses Forums bewirken kann...

    Und der Austausch macht es noch besser - alles Gute!