Das macht die Unkenntnis über diese Erkrankung. Und vieles will man ja auch garnicht so genau wissen. Dann schmeckt es einem ja selber nicht mehr oder man müsste sich über das eigene Trinkverhalten Gedanken machen.
Welchen Stellenwert der Alkohol in unserer alltäglichen Gesellschaft hat muss ich jedes mal beim einkaufen sehen. Ich suche Brot und finde es irgendwo in einem kleinen Regal einsortiert. Vorher bin ich aber durch ein rechts und links 5m langes Regal voll mit Alkohol gelaufen. Und hinten ist nochmal ein ganzer Bereich für Bierkisten.
Ja, so sehe ich das auch, es ist völlig selbstverständlich immer und überall auf Alkohol zu stoßen, das wird von niemand hinterfragt. Auch in jedem Film und jeder Serie findet Alkohol statt. Keine Feier denkbar ohne Alk, usw. usf. Wieviele Leute durch diesen Mist ihr Leben und das ihres Umfelds ruinieren will einfach keiner wissen, oder dass man da vielleicht selber ein Problem entwickeln oder schon haben könnte. Besser (und einfacher), die "Schuld" auf den einzelnen Betroffenen zu schieben, nicht auf den Stoff oder die Gesellschaft. Mich wundert auch dass man es in so vielen Ländern geschafft hat, das Rauchen gesellschaftlich unakzeptabel zu machen, nur mit dem Alkohol versucht man es gar nicht erst -- Trinken/Kneipen/Brauereien/Weinköniginnen sind ja schließlich "Kulturgut". Dass da ein Nervengift verherrlicht wird, ist offenbar total in Ordnung.
Wie sieht es denn in Deinem persönlichen Umfeld aus mit Alkohol? Wie stehen die Kinder oder enge Verwandte zum Thema ?
Die jeweiligen Familien (Mann & meine) sind keine großen Trinker, da wird nur mal bei Familienfeiern eine Flasche Wein oder Sekt aufgemacht, Freizeitsaufen in dem Sinne findet nicht statt. Ich selber habe auch nie groß Alkohol konsumiert, mal ein halbes Glas Sekt an Silvester und fertig, mittlerweile nicht mal mehr das... je mehr mein Mann gesoffen hat, um so abstinenter wurde ich, auch weil ich das alles so ekelhaft fand... sein Verhalten, seine Kotzerei, später dann auch Einnässen und dergleichen, der totale Kontrollverlust eben. Da hat man dann selbst nicht mehr wirklich Appetit auf das Gläschen Prosecco... Und ich persönlich steh auch garnicht auf dieses Rauschgefühl, das stört mich mehr. Ich hab mich auch als Teenager nie für Alkohol interessiert. Leide allerdings auch seit meinem 15. Lebensjahr unter Migräne-Attacken, von daher werde ich den Teufel tun und mir irgendwas reinkippen das zu weiteren Kopfschmerzen führt.
Für meine Kinder ist der Alkohol in erster Linie mit dem Papa verbunden. Der Große war immer 110% anti Alkohol, hat jetzt aber durch Studium und neue Freunde mittlerweile auch die ersten Erfahrungen gesammelt, bin darüber etwas unentspannt aber letztlich ist er volljährig und darf/muss seinen eigenen Weg finden. Wirklich betrunken war er noch nicht, aber mal ein, zwei Bier hat er schon getrunken. Ich rede zwar mit ihm darüber, auch dass er unter Umständen in Sachen Sucht genetisch vorbelastet ist, aber ich kann und will ihn auch nicht überwachen. Der Kleinere findet Saufen einfach nur kacke und kommuniziert das auch so.
Wir waren übrigens immer sehr offen was den Alkoholismus meines Mannes anging, die Kinder haben das ihren Freunden gegenüber genauso erwähnt wie ich in meinem näheren Umfeld. Ich hab ehrlich gesagt garnicht eingesehen, wieso ich da irgendwas beschönigen soll, ICH war ja nicht diejenige die sich daneben benahm und ich hatte auch einfach keine Lust auf Lügen, wenn etwa Fragen kamen, wieso es in unserer Ehe Stress gab. Die Problematik war immer eher dass die Leute einem das nicht so richtig glauben wollten bzw. konnten, die Reaktionen waren mehr "ja, mein Mann trinkt auch ganz gern mal ein Bierchen über den Durst", so nach dem Motto ist doch nicht so schlimm. Die begriffen nicht, was das heisst, einen nassen einsichtslosen Alkoholiker im engeren Umfeld zu haben.