Guten Abend, Oliver
Ich mach noch einen Versuch, da ich ja erkenne, dass Du den Kern dieser Konfrontationsübung noch nicht siehst, es mir aber auf der anderen Seite für das Verständnis unserer Krankheit sehr wichtig erscheint, auch diesen, Dir noch unbekannten Aspekt zu kennen:
Die Veränderungen, die der Alkohol in unserem Hirn verändert hat, veranlassen uns mitunter zu Reaktionen, Empfindungen, Handlungen, die nicht unserem Willen unterliegen, sondern vom Unterbewusstsein gesteuert werden. (Das ist ja unter anderem ein Wesensmerkmal der Abhängigkeit oder Sucht, wie es früher hieß)
Da passieren Dinge in uns - lange, bevor der Verstand überhaupt eingeschaltet werden kann.
Du kannst Dir das ähnlich vorstellen wie:
- Dir läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn Du den Duft von Gegrilltem in der Nase hast, obwohl Du gar keinen Hunger hast und auch gar nichts essen willst, oder
- Deine sexuelle Fantasie wird angeregt, wenn Du eine hübsche Frau im sexy Outfit siehst, obwohl Du Dich gerade bei Deiner Partnerin sehr wohl fühlst, oder
- Dein Magen verkrampft sich, wenn Du nur etwas von Schwefelwasserstoff hörst, weil Du gleich den Geruch von faulen Eiern in der Nase spürst
Bei solchen "Reflexen" hast Du mit Hirn und Verstand keine Abwehrchance, weil das Unterbewusstsein viel schneller reagiert. So etwas gibt es auch im Zusammenhang mit Ängsten und Psychosen.
Du wirst trotzdem nicht über die hübsche Frau herfallen, oder Dich auf den Grill stürzen, weil Du gelernt hast, dass diese "Anfälle" passieren - aber auch wieder vergehen, ohne Schaden anzurichten.
Und genau so ist es mit dem Alkohol und dem möglicherweise auftretenden Saufdruck. Beim Einen wird der Reflex durch Bierreklame in Verbindung mit Jugend, Erfolg und Lebensqualität hervorgerufen, beim Anderen durch den Geruch aus einer offenen Kneipentür.
Und auch hier habe ich lernen müssen, dass dieser Druck ohne mein Zutun aufkommen kann - aber auch wieder vergeht, wenn ich ihn aushalte oder mich ablenke, oder, oder...
Es geht also hier um ein anderes Phänomen, als Du es in Deinen Überlegungen zum Video im Kopf hast.
Ich würde mich freuen, wenn ich damit den Sinn der Konfrontation etwas näher gebracht hätte: Nicht Abhärtung ist der Punkt (das wäre wirklich total dumm), sondern Erkennen, das alle guten Vorsätze und ehrlicher Wille nicht ausreichen, die Reaktionen des Unterbewusstseins zu verhindern. Der Patient muss immer auf der Hut sein!
Damit solls aber wirklich gut sein
Danke für Deine Geduld
Liebe Grüße
Michael